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Heumilch-Landwirtschaft ist seit über einem Jahr Weltkulturerbe: Was dieser Titel verändert hat

Weltkulturerbe Heumilch

Je nach Wetter ein Märchen oder ein Fluch: So läuft die Arbeit auf einem Heumilch-Bauernhof

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    Heumilchbauer Andreas Stückl aus Prem betreibt seinen Betrieb aus Überzeugung.
    Heumilchbauer Andreas Stückl aus Prem betreibt seinen Betrieb aus Überzeugung. Foto: Alexandra Decker

    Ein Heumilch-Bauernhof ist „märchenhaft“ – wenn das Wetter im Sommer passt. Ist das nicht der Fall, „kann es an den Nerven zehren“. Mit diesen Worten beschreibt Anna Stückl ihr Leben als Heumilchbäuerin. Sie möchte es dennoch auch in verregneten Sommern nicht aufgeben. Sie und ihr Mann Andreas sind Heumilchlandwirte aus Überzeugung. Seit 13 Jahren betreiben sie ihren Hof in Prem. Übernommen hat ihn Andreas Stückl von seinem Onkel, der ihn konventionell bewirtschaftete.

    „Für uns war klar, wenn wir weitermachen, dann anders. Unser Ding ist Bio“, sagt Anna Stückl. Zur Heumilch kamen sie über Sepp Krönauer, den Gründer der Schönegger Käsealm. Krönauer hatte damals seine Heumilchlieferanten noch eher im Westallgäu. „Wir waren die Ersten hier in der Umgebung, die Heumilch geliefert haben“, sagt Andreas Stückl.

    Heumilch ist Weltkulturerbe: Was dieser Titel bringt

    Heute ist das anders. „Heumilch ist Zukunftsmilch“, sagt auch Markus Fischer, Vorsitzender der ARGE Heumilch Deutschland. Eine Studie bestätige, dass es sich bei dieser Wirtschaftsform nicht um einen kurzfristigen Trend handle. Die Investitionsbereitschaft der Betriebe sei hoch. Seit etwa eineinhalb Jahren ist Heumilch sogar Weltkulturerbe. Die traditionelle Heuwirtschaft in der Alpenregion wurde als landwirtschaftliches Kulturerbe von globaler Bedeutung anerkannt.

    Doch bringt das etwas? „Ja“, sagt Silke Feurstein von der ARGE Heumilch Österreich. Denn durch den Welterbestatus gebe es einen Auftrag der Vereinten Nationen an die Länder, diese Art der Landwirtschaft zu unterstützen und zu erhalten. Unter dem Dach der ARGE Heumilch sind aktuell ungefähr 7000 Heumilchbauern aus Österreich und Süddeutschland organisiert.

    In der Praxis „hat der Welterbetitel für uns nichts verändert“, sagt Anna Stückl. Überhaupt sei Heumilch noch zu unbekannt. Und: „Es gibt Heumilch, Bio, Demeter – die Leute kennen sich oft gar nicht mehr aus“, erklärt die 38-Jährige. Laut Feurstein liegt der Bekanntheitsgrad für Heumilch in Österreich bei 90 Prozent, in Deutschland bei nur 50 Prozent. Doch es sei nur eine Frage der Zeit, dass sich das ändert. Anna Stückl jedenfalls spricht gern mit den Gästen ihrer Ferienwohnungen über Heumilch. „Es ist schön, dass den Leuten näher zu bringen“, sagt sie. „Heumilch und Tourismus passt gut zusammen“, findet ihr Mann.

    Warum Heumilch und Tourismus gut zusammen passen

    Warum? Ein Heumilchbauernhof wirkt ein wenig wie eine heile Welt. Die Kühe stehen auf der Weide. Auf den Wiesen wachsen mehr Blumen, weil später gemäht wird. Und es stinkt im Stall viel weniger. Märchenhaft quasi. Doch Heumilch-Wirtschaft kann eben auch schwierig sein. „Wir brauchen eineinhalb bis zwei Tage beständig schönes Wetter für die Heuernte“, erklärt Andreas Stückl. Für Silo reicht ein Tag. Drei bis vier Schnitte im Jahr sind nötig, um seine 35 bis 40 Kühe und ebenso viele Jungtiere durch den Winter zu bringen. Im Regensommer 2024 konnte er nur zwei- bis dreimal mähen.

    Auf dem Premer Bauernhof gibt es zwar eine Heutrocknung. Aber sie kann zu schlechtes Wetter auch nicht ganz ausgleichen, zumal ihr Einsatz kostspielig werden kann. Ist es wärmer als 20 Grad, holt sich die Anlage nämlich die Wärme kostengünstig vom Scheunendach. Fällt die Temperatur, zieht sie das Heu durch einen Entfeuchter und der frisst Strom. „Wir brauchen 35.000 Kilowattstunden im Jahr nur für die Heutrocknung“, sagt Andreas Stückl. Und da sei der Strom der eigenen PV-Anlage bereits abgezogen.

    Deshalb darf keine Silage verfüttert werden

    Geht es beim letzten Schnitt in den Herbst hinein, ist eine Heuproduktion meist nicht mehr möglich. „Dann machen wir Heucobs“, sagt der 44-Jährige. Diese darf er neben Heu und Gras als Heumilchbauer verfüttern, aber kein Gärfutter wie Silage oder Kraftfutter mit Hefezusatz. Denn die Milch von Kühen, die Silage bekommen, enthält bestimmte Bakterien, die eine Käseherstellung für lang gereiften Käse nur mit Konservierungsstoffen oder mechanischer Bearbeitung möglich machen. Das wollen Verarbeiter wie die Schönegger Käsealm nicht.

    Für den Landwirt bringt die reine Heufütterung laut Stückl gesündere Tiere und damit weniger Tierarztkosten. „Die Verdauung der Kühe ist besser“, erklärt der Landwirt. Erstens sei Schimmel in Heu leichter zu erkennen, als in Silage. Zweitens können die Kühe getrocknetes Futter besser selektieren und liegen lassen, was sie nicht mögen.

    Die Umstellung auf die Heumilch-Wirtschaft erforderte laut dem Ehepaar Stückl Mut. „Unsere Flitterwochen waren der Scheunenbau“, erinnern sie sich an die Anfangszeit und daran, dass wenig Raum für anderes bleibt. Was ihnen zudem manchmal fehlt, ist die Wertschätzung für ihre Arbeit. „Der Milchpreis, den wir brauchen, um die gestiegenen Kosten zu decken, wird im Moment nicht bezahlt“, erklärt Anna Stückl. Vor fünf Jahren sei das noch anders gewesen. Trotzdem: „Bereut haben wir unsere Entscheidung nie.“

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