Die Haushaltslage der Stadt Kempten ist angespannt. Einsparungen treffen das Kulturleben besonders hart. Das ist bitter, weil die Kultur in Kempten in den vergangenen Jahren einen Boom erlebte. Ein Grund für die Allgäuer Zeitung, Stadtpolitiker und Kulturakteure zusammenzubringen, um aktuelle Probleme zu besprechen und über Auswege aus der Misere nachzudenken. Das Interesse an der Podiumsdiskussion „Kempten muss sparen. Wie stark sind Kunst und Kultur der Stadt betroffen?“ war groß: Die Kulturwirtschaft der Allgäuhalle war bestens gefüllt, und die Diskussionsteilnehmer stellten sich offen den Fragen von Klaus-Peter Mayr, dem Leiter der AZ-Kulturredaktion, und den etwa 80 Besucherinnen und Besuchern. Dabei kam viel Kritisches und Selbstkritisches zutage. Es gab kontroverse Ansichten, aber auch überraschende Übereinstimmungen:
Die Ausgangslage: Warum die Stadt in finanzieller Not ist
Grund für die angespannte Haushaltslage sind drei große Krisen der vergangenen zehn Jahre, die Flüchtlingswelle, Corona und der Ukrainekrieg, erklärte Oberbürgermeister Thomas Kiechle. „Die Auswirkungen zeigen sich erst jetzt“, sagte er und nannte als Beispiele Inflation, Preissteigerungen und „galoppierende Sozialausgaben“. Hinzu komme, dass die Kommunen mittlerweile ein Viertel aller staatlichen Aufgaben zu schultern haben. Im Herbst 2024 wies der OB deshalb die Verwaltung an, in allen „Bereichen des öffentlichen Lebens“ fünf Prozent Einsparungen vorzunehmen. Nur so sei ein ausgeglichener Haushalt möglich gewesen. Der sei notwendig, weil ansonsten die Regierung von Schwaben das Haushaltsregiment übernehme. „Dann sagen die uns, was wir zu tun haben.“
Auswirkungen der Einsparungen: Was Kulturschaffende beschäftigt und bedrückt
Das Kulturamt der Stadt muss über eine halbe Million Euro einsparen. Für die Kulturförderung der freien Szene stehen 290.000 Euro (statt bisher 300.000 Euro) zur Verfügung. Das sind zwar nur 10.000 Euro weniger, doch wie so oft steckt der Teufel im Detail: Während Leuchtturmprojekte und Grundversorger wie die Festivals insgesamt mehr Förderung erhalten, wurde die sogenannte „Impulsförderung“ für individuelle, kleinere kulturelle Projekte um 30.000 Euro zurückgefahren. Davon betroffen ist Katharina Kempter. „Die Sparmaßnahmen sind zu kurz gedacht, die Auswirkungen sind viel weitreichender“, sagte die freie Schauspielerin und Theaterpädagogin, die auch beim Lollipop-Verein engagiert ist.
Nach den schlimmen Corona-Jahren war für sie das Kulturförderkonzept der Stadt ein großes Hoffnungszeichen. 30 bis 40 Prozent ihres Jahreseinkommens gehe auf geförderte Projekte zurück, sagte sie. Die Förderkürzungen tun ihr daher besonders weh. Die Einsparungen im Gesamthaushalt der Stadt seien doch nur sehr gering; für sie selber haben sie aber enorme Auswirkungen. Für den freien Musiker Andreas Schütz bedeuten die Kürzungen bei der Impulsförderung „Unsicherheit“. Zudem beklagte er mit Blick auf Fördertöpfe eine „steigende Bürokratie“. Schütz, der auch für den Kleinkunstverein Klecks den Jazzfrühling mitorganisiert, plädierte zudem für eine Stärkung des Ehrenamts. „Wenn man richtig sparen will, dann sollte mehr Geld ins Ehrenamt gesteckt werden: Dann kriegt man auch mehr Kultur.“
Katharina Kempter monierte, dass bei Kürzungen „Kultur und Soziales“ immer als Erstes betroffen sind. „Kulturelle Begegnungsräume dürfen nicht weggekürzt werden, weil die anderen Probleme dadurch noch viel größer werden“, forderte sie und bekam dafür Applaus vom Publikum.
Festwoche, Kornhaus, Schulbau, Römer-Ausstellung: Warum wird hier nicht gespart?
Katharina Kempter hält die Allgäuer Festwoche für eine „super Institution“. Dennoch könne man bei der Festwoche doch viel einsparen. Die Festwoche sei mittlerweile „ein Volksfest, und das kostet Geld“, meinte OB Kiechle, kündigte auch dort Einsparungen an. „Die Festwoche muss neu überdacht werden“, forderte Annette Hauser-Felberbaum. Einen anderen Sparvorschlag brachte Andreas Schütz vor. „Muss beim Bauen denn alles im Luxussegment bleiben?“, fragte er. Was Schütz nervt, ist, dass etwa bei baulichen Großprojekten wie Kornhaus-Sanierung (rund 26 Millionen Euro) oder Grundschul-Neubau am Aybühlweg (über 43 Millionen Euro) Geld offensichtlich keine Rolle spiele. Wenn man bei Großprojekten fünf Prozent einsparen würde, könnte man die kleinen Einsparungen in der Kultur locker wettmachen, so seine Rechnung, für die er vom Publikum viel Applaus erhielt. Dass die Stadt trotz angespannter finanzieller Lage 30.000 Euro für eine Römer-Ausstellung bereithält, verteidigte Annette Hauser-Felberbaum. „Kulturelle Vielfalt ist wichtig“, sagte sie. Wenn der Marstall nach der Sanierung im Dezember wieder öffne, müsse man den Bürgerinnen und Bürgern dort auch wieder etwas bieten. Verständnis dafür zeigte Katharina Kempter.
Wie geht‘s weiter? Die Stadt Bamberg könnte ein Beispiel sein ...
„Die Krise ist groß, aber ich wehre mich dagegen zu sagen: Da können wir nichts machen“, sagte Kulturbeauftragte Hauser-Felberbaum. Es gelte Kooperationen zu knüpfen, neue Strukturen aufzubauen und Fördertöpfe anzuzapfen. Das Kulturamt bietet dafür Unterstützung an, sagte dessen Leiter Martin Fink. „Wir verstehen uns als Katalysator fürs kulturelle Leben.“ Dabei spiele das sorgsam erarbeitete Kulturentwicklungskonzept eine wichtige Rolle. Hauruck-Aktionen lehne er ab. „Wir brauchen Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit.“ Katharina Kempter würde sich von der Stadt bei Raummieten, Technikunterstützung und Werbemaßnahmen mehr Unterstützung wünschen.
Einen Blick nach Bamberg empfahl Annette Hauser-Felberhaum. Die mit Kempten größenmäßig vergleichbare Stadt verfüge mit den Symphonikern über ein A-Orchester und ein 16-köpfiges Theaterensemble.
Die kulturellen Kürzungen dürfen sich so nicht wiederholen, betonte Thomas Kiechle. Jeder weitere Schritt in dieser Richtung wäre strukturgefährdend. „Wir fahren aber auf Sicht“, sagte der Oberbürgermeister.
Was das Publikum bewegt: Zuschuss fürs Landestheater und Abwesenheit der Stadträte
Auch Zuhörer hatten einige Vorschläge: Christian Hof plädierte dafür, verstärkt Gelder von Stiftungen abzurufen und Firmen um Spenden zu bitten. Veronika Heilmannseder brachte Kooperationen mit dem Landkreis und der Allgäu GmbH ins Spiel. Kein Verständnis zeigte Gerhard Juli, dass die Stadt jährlich 70.000 Euro an den Zweckverband Landestheater Schwaben überweise, wo Kempten doch sein eigenes Theater habe. Eine Satzungsänderung werde derzeit tatsächlich im Zweckverband diskutiert, antwortete darauf OB Kiechle.
Bitter enttäuscht zeigte sich Stephan A. Schmidt, Vorsitzender des Kulturquartiers Allgäu und des Artig-Vereins, über das mangelnde Interesse des Kemptener Stadtrats an der Kultur-Podiumsdiskussion. Nur Ingrid Vornberger (SPD) hatte er in der Menge entdeckt ...
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