Juni 2025: Ein Bus rollt vor das Rathaus in Marktoberdorf. An Bord: 54 Musikerinnen und Musiker des Jugendblasorchesters Marktoberdorf (JBO). Tagelang hatten sie nach einer Tournee in Malaysia festgesessen – ungewiss, wann es endlich zurück in die Heimat geht. Als sich die Bustüren öffnen, brandet Jubel auf. Eine kleine Abordnung des Orchesters stimmt ein Lied an, die Jugendlichen strömen heraus, fallen sich in die Arme. Mitten unter ihnen steht ein Mann mit Tränen in den Augen. „Bei mir fällt gerade alles ab“, sagt er. Es ist Hubert Jörg – und ein Moment, der zeigt, wofür er steht.
Von den Jugendlichen „Hubi“ genannt, ist er beim JBO nicht mehr wegzudenken. Er ist bei jeder Probe, bei jedem Konzert zur Stelle. „Dabei spiele ich nicht mal ein Instrument“, sagt er und lacht. Doch seine Rolle ist umso tragender. Seit vielen Jahren engagiert sich der 63-Jährige mit Leib und Seele im Vorstand des Orchesters – und weit darüber hinaus. Für diesen Einsatz erhält er die Silberdistel unserer Zeitung.
Das Orchester spielte mit Weltstars wie Sir Simon Rattle
Doch von vorn: Marktoberdorf ist nicht nur die höchstgelegene Kreisstadt Deutschlands, sondern auch eine höchst musikalische – mit Kammerchor-Wettbewerb, Stadtkapelle und eben dem Jugendblasorchester. Etwa 100 junge Menschen zwischen 13 und 28 Jahren machen hier gemeinsam Musik. Was nach einem gewöhnlichen Orchester klingt, läuft in der Praxis alles andere als gewöhnlich ab: Das JBO spielt mit Weltstars wie Sir Simon Rattle und reist bis nach Malaysia. Möglich macht das der engagierte Vorstand rund um Hubert Jörg. „Es ist eine Teamleistung. Hier packen alle mit an.“

Über seine Kinder kam Jörg zum JBO. 2009 trat er in den Vorstand ein. Die damalige Vorsitzende hatte ihn gefragt, ob er sich engagieren möchte. „Sie hat mir damals gesagt: Es ist nicht viel Arbeit – das gleiche, was ich heute auch immer zu den Leuten sage“, sagt Jörg augenzwinkernd. Seit 2015 ist er Erster Vorsitzender. „Ich mache das gerne. Das hier ist einfach ein toller Haufen.“ Für Jörg ist das Orchester eine Familie – ein Gedanke, den auch Dirigent Thomas Wieser teilt. Seit über 20 Jahren leitet er das JBO.
Es geht um Vertrauen, sagt Hubert Jörg
Als 2023 der Bayerische Rundfunk den Wettbewerb „Symphonischer Hoagascht“ mit Sir Simon Rattle ausschrieb, dauerte es gerade mal eine Stunde, bis beim JBO feststand: Wir machen mit. Das Orchester setzte sich gegen 100 andere Ensembles in ganz Bayern durch und durfte Seite an Seite mit dem BR-Symphonieorchester unter der Leitung von Simon Rattle spielen. Der Stardirigent kam sogar zur Probe nach Marktoberdorf. Bis zur letzten Minute hatte Wieser seine Musiker darauf vorbereitet. Kurz vorher richtete er nochmals das Wort an sie: „Das, was wir ausstrahlen, ist einzigartig. Darum geht es. Und ich weiß, dass ich jede Sekunde auf euch zählen kann.“

Von diesem Vertrauen erzählt auch Jörg, wenn er vom JBO spricht. Als im vergangenen Jahr die Anfrage kam, ob das Orchester auf einem Festival in Malaysia spielen könnte, packte der Vorstand auch dieses Projekt an. Mit 77 Musikern und 15 Betreuern ging es nach Asien. „Die Vorbereitungen waren ein riesen Aufwand.“ Zwei Wochen war das JBO in Malaysia unterwegs, spielte beim „International Youth Marching Band Festival“ in Taiping und gab viele Konzerte. Rund um die Uhr war die Gruppe zusammen. „Wir haben keinen Lagerkoller bekommen“, sagt Jörg. Grundsätzlich ist er derjenige, der erst schlafen geht, wenn der letzte Jugendliche im Bett ist. Und der, der nach Konzerten alle heimfährt – sei es auch um drei Uhr morgens. „Wir tragen schließlich die Verantwortung.“
Wie groß der Zusammenhalt ist, zeigte sich auch auf dem Rückflug von Malaysia. Wegen eines iranischen Angriffs auf US-Stützpunkte musste der Flieger umkehren. Jörg und Wieser saßen mit einem Teil des Orchesters – 54 Personen – in Kuala Lumpur fest. Gemeinsam setzten sie alles daran, einen Rückflug zu organisieren. Eine Nacht musste die Gruppe am Flughafen schlafen. „Es war unglaublich, mit welcher Ruhe das JBO diese Situation gemeistert hat“, sagte Wieser. „Eigentlich müssten einem die Tränen kommen.“ Aber genau das sei der berühmte Spirit der JBO-Familie - eine Familie, auf die man sich verlassen kann, sagt Jörg.
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