Gewalt beginnt nicht erst mit einer Ohrfeige – sie ist ein schleichender Prozess, sagt Lisa Knorr von der Fachstelle bei häuslicher Gewalt. Abwertung, Demütigung, Erniedrigung. Auch das ist eine Form von Gewalt. Viele Betroffene suchen jedoch die Schuld bei sich. Das Thema häusliche und sexualisierte Gewalt ist immer noch mit Scham und Schuld behaftet, sagt Knorr. Umso wichtiger sei es, darauf aufmerksam zu machen. Im Landkreis Ostallgäu und in der Stadt Kaufbeuren ist genau zu diesem Zweck eine besondere Aktion ins Leben gerufen worden.
Das steckt hinter den roten Bänken im Ostallgäu
Leuchtend rote Bänke in Marktoberdorf, Obergünzburg, Kaufbeuren, Füssen und Buchloe erinnern künftig an das, was hinter verschlossenen Türen passiert – und zeigen Hilfsangebote auf. So befinden sich an den Bänken Tafeln mit den wichtigsten Telefonnummern sowie ein QR-Code. Hergestellt wurden die Bänke von der Wertachtalwerkstätte in Kaufbeuren. Künstlerin Anja Seiferth hat sie gestaltet und mit einem Schriftzug versehen. Initiiert wurde die Aktion von den Gleichstellungsstellen des Landkreises und der Stadt Kaufbeuren zusammen mit dem Frauenhaus und der Fachberatungsstelle. „Wir wollen das Thema ins Bewusstsein rücken“, sagt Landrätin Maria Rita Zinnecker bei der Enthüllung der ersten Bank vor dem Landratsamt in Marktoberdorf. Wo die Bank künftig in Marktoberdorf ihren Platz findet, steht noch nicht fest. Klar ist aber: Sie soll Mut zur Veränderung geben - Mut zum Hilfeholen.

Zinnecker sagt diese Worte nicht allein. An ihrer Seite hat sie zahlreiche Akteurinnen und Akteure aus dem Hilfsnetzwerk, die seit vielen Jahren Betroffenen helfen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Der Bedarf ist definitiv vorhanden. 153 Fälle von Partnerschaftsgewalt wurden 2024 im Landkreis erfasst, 77 in Kaufbeuren. Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. Die Statistiken entsprechen dem bundesweiten Trend und zeigen: Auch das Allgäu ist keine heile Welt.
„Wir sind seit Monaten zu 100 Prozent ausgelastet“, sagt Katja Mann. Sie leitet das Frauenhaus Kaufbeuren-Ostallgäu. Fünf Zimmer stehen dort für Frauen und Kinder aus dem Landkreis bereit. Ergänzt wird das Angebot durch eine Interventionsstelle, die seit 2015 am Frauenhaus angegliedert ist. Wird ein Fall von häuslicher Gewalt bei der Polizei angezeigt, rufen die Berater proaktiv bei den Frauen an und zeigen ihnen die Hilfsmöglichkeiten auf.

Diese Beratungsstellen gibt es in der Region
Ein Pendant dazu ist die Fachstelle bei häuslicher Gewalt Kaufbeuren-Ostallgäu, erklärt Lisa Knorr. Betroffene jeden Geschlechts können sich dort helfen lassen - telefonisch oder persönlich vor Ort. „Wir analysieren, was vorgefallen ist und was der richtige Weg für die Betroffenen ist“, sagt Knorr. Bei Bedarf kann gleich ein Platz im Frauenhaus vermittelt werden. Die Beratungsstelle hilft aber auch bei Verfügungen, Kontaktverboten, Anzeigenerstattung und vielem mehr. „Oftmals drehen die Betroffenen mehrere Ruden“, berichtet Knorr. Es brauche oft mehrere Anläufe, um die Hilfe anzunehmen.
Eine weitere wichtige Anlaufstelle sind die Gleichstellungsstellen des Landkreises Ostallgäu und der Stadt Kaufbeuren. Sie engagieren sich durch persönliche Beratung sowie Aufbau und Pflege eines Hilfsnetzwerkes gegen Gewalt gegen Frauen. Regelmäßig organisieren und moderieren sie gemeinsam den „Runden Tisch Häusliche Gewalt/Gewalt gegen Frauen und Kinder“, informieren Heike Krautloher und Elke Schad, die Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises und der Stadt Kaufbeuren.
Doch nicht nur Beratungsstellen und Frauenhäuser sind gefordert – auch die Kommunen setzen ein Zeichen. „Niemand sollte in seinem eigenen Zuhause Angst haben müssen“, sagt Marktoberdorfs Bürgermeister Wolfgang Hannig. Deshalb sei es wichtig, hinzuschauen und die Strukturen zu stärken. „Die rote Bank löst nicht das Problem, aber zeigt Hilfe auf“, sagt Hannig. Ähnliche Worte findet wenige Stunden später auch Lars Leveringhaus, Bürgermeister in Obergünzburg. „Gewalt findet mitten in unserem Leben statt“, sagt er. Leveringhaus lenkt den Blick bewusst auf die Kinder, die unter den Auswirkungen leiden. „Sie liegen uns besonders am Herzen - genauso wie die Erwachsenen“, sagt er. Um das deutlich zu machen, setzt auch die Marktgemeinde ein deutliches Zeichen mit gleich zwei roten Bänken auf dem Marktplatz. „Sie werden bereits rege genutzt.“
Hier finden Betroffene Hilfe
- Das Frauenhaus Kaufbeuren-Ostallgäu ist unter der Nummer 08341/16616 und per E-Mail unter frauenhaus.kaufbeuren@skf-augsburg.de zu erreichen.
- Die Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt ist 24 Stunden unter der Notrufnummer 08341/999 3 227 zu erreichen sowie über die Handynummer 0160 1559 794 oder per E-Mail unter notrufstelle.kaufbeuren@skf-augsburg.de
- Das „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ ist rund um die Uhr und kostenlos unter der Nummer 116016 zu erreichen.
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