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Lösungen für Riesenprobleme: Apartments für Moleküle: Nobelpreis für drei Chemiker

Lösungen für Riesenprobleme

Apartments für Moleküle: Nobelpreis für drei Chemiker

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    Die drei Nobelpreisträger im Überblick.
    Die drei Nobelpreisträger im Überblick. Foto: www.NobelPrize.org/AP/dpa

    Wasser in der Wüste gewinnen, CO2 aus der Luft holen, Umweltgifte beseitigen: Die Entdeckungen der diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger könnten einige der größten Herausforderungen der Menschheit lösen helfen. Susumu Kitagawa (Japan), Richard Robson (Australien) und Omar Yaghi (USA) werden für die Entwicklung metallorganischer Gerüstverbindungen geehrt, wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mitteilte.

    Metallorganische Gerüstverbindungen (MOF) sind schwammartige Netze aus Metallen und organischen Molekülen, die viele kleine Hohlräume haben und zum Beispiel Gase speichern oder Stoffe trennen können. Einer der wichtigsten Vorteile ist die enorme Oberfläche innerhalb der Poren: bis zu 10.000 Quadratmeter pro Gramm MOF, wie es bei der University of California in Berkeley heißt.

    100.000 verschiedene Strukturen geschaffen

    Die enorme innere Oberfläche ermögliche die Anlagerung großer Gasmengen. Zudem könnten die Komponenten einer MOF gezielt angepasst werden, um die Art des adsorbierten Gases und seine Haftungsstärke zu bestimmen. Bisher wurden der Uni zufolge mehr als 100.000 verschiedene MOF-Strukturen synthetisiert, jede mit unterschiedlichen, auf eine bestimmte Anwendung abgestimmten Eigenschaften.

    Einige können demnach Kohlendioxid aus Rauchgasen von Kraftwerken oder der Industrie abscheiden. Andere werden verwendet, um Methan in Kraftstofftanks zu füllen und damit Erdgasfahrzeuge anzutreiben. Wieder andere können Wasserstoff speichern und könnten eines Tages in wasserstoffbetriebenen Autos zum Einsatz kommen.

    Nobelpreisträger Ertl: Preis für die richtigen

    Für dieses Gebiet sei es genau das richtige Trio, das ausgezeichnet werde, sagte der deutsche Chemie-Nobelpreisträger von 2007, Gerhard Ertl, Emeritus vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft. «Es ist ein neues Gebiet, das von Anfang an sehr attraktiv war, es haben sich auch sehr viele Leute damit beschäftigt.»

    Eine der ersten Anwendungen der MOFs sei die Aufnahme von Ethylen gewesen, das freigesetzt werde, wenn Frücht reifen, sagte Constanze Neumann vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Das Gas rege andere Früchte dazu an, dass sie auch reifen. «Und im Fruchttransport ist es natürlich etwas ungut, wenn die Früchte zu schnell reifen.»

    Schutz vor Gas und Wasser aus Wüstenluft

    Eine weitere Anwendung sei die Speicherung giftiger Gase in speziellen Flaschen, so Neumann. Gingen die Flaschen kaputt, ströme das Gas nicht auf einmal raus, sondern nur sehr langsam. «Das ist ein riesiger Sicherheitsgewinn für die Leute, die im Umkreis arbeiten.»

    Vor einigen Jahren hatte eine Gruppe um Yaghi – heute an der University of California in Berkeley tätig – in der Wüste von Arizona ein MOF getestet, in dessen Poren sich Wasser aus der Luft niederschlägt. Das geschieht nachts, wenn Luft selbst in sehr trockenen Wüsten eine hohe Luftfeuchtigkeit erreichen kann. Mit dem Prinzip ließen sich eines Tages ganze Dörfer mit Wasser versorgen, zitierte 2019 das Magazin «Science» Yaghi.

    «Mein Beitrag dazu war eher der eines Künstlers oder Architekten»

    Der gebürtige Brite Robson, 88 Jahre alt, hat an der Uni Melbourne geforscht. In den 70er Jahren baute er für seine Studierenden Atommodelle aus hölzernen Kugeln und legte dabei gedanklich einen zentralen Grundstein für MOFs. «Mein Beitrag war eher der eines Künstlers oder Architekten», sagte Robson einmal in einem Interview.

    Viele Kollegen erkannten zunächst keinen großen Wert in Robsons Forschung – dann kam der heute 74 Jahre alte Kitagawa ins Spiel, der dem Nobelkomitee zufolge das Lebensmotto hat, «das Nützliche im Unnützen zu sehen». Kitagawa, der an der Uni in seiner Geburtsstadt Kyoto tätig ist, und Yaghi setzten Robsons Visionen konkret um.

    Für Yaghi war der Weg zum Nobelpreisträger alles andere als vorgezeichnet: Als Kind palästinensischer Flüchtlinge wuchs er seiner Universität zufolge mit vielen Geschwistern in Amman ohne Elektrizität oder fließendes Wasser auf. Mit zehn Jahren stieß er demnach in der Schulbibliothek auf ein Buch, in dem er molekularen Strukturen begegnete - und sei fasziniert gewesen. Als er 15 war, schickte ihn sein Vater zum Studieren in die USA.

    «Meine Eltern konnten kaum lesen oder schreiben», erzählte ein überwältigter Yaghi nach der Bekanntgabe seiner Auszeichnung dem Nobelkomitee. «Es war also ein ziemlicher Weg. Wissenschaft ermöglicht es einem, solche Wege zu gehen. Sie ist die größte ausgleichende Kraft der Welt.»

    Hochdotierter Preis

    Die renommierteste Auszeichnung für Chemiker ist in diesem Jahr mit insgesamt elf Millionen Kronen (rund einer Million Euro) dotiert. Die Auszeichnung geht zu gleichen Teilen an die Forscher.

    Die diesjährige Nobelpreis-Bekanntgabe war mit der Medizin gestartet: Diese Auszeichnung geht in diesem Jahr an Shimon Sakaguchi (Japan), Mary Brunkow und Fred Ramsdell (beide USA). Ihre Erkenntnisse zum Immunsystem lieferten dem Nobelkomitee zufolge die Basis für die Entwicklung möglicher neuer Behandlungsmethoden etwa gegen Krebs und Autoimmunkrankheiten.

    Den Physik-Nobelpreis hatten am Dienstag die in den USA arbeitenden Quantenforscher John Clarke, Michel Devoret und John Martinis zugesprochen bekommen. Sie hatten gezeigt, dass sich auch makroskopische, millimetergroße Strukturen nach den Regeln der Quantentheorie verhalten, und so einen Grundstein für die nächste Generation von Quantencomputern gelegt.

    Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben der diesjährigen Nobelpreisträger für Literatur und für Frieden. Die Reihe endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten sogenannten Wirtschafts-Nobelpreis.

    Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

    Kitagawa ist einer von drei Preisträgern.
    Kitagawa ist einer von drei Preisträgern. Foto: Ryosuke Ozawa/Kyodo News/AP/dpa
    Kitagawa, Professor an der Universität Kyoto, hier mit einer Probe eines von ihm entwickelten porösen Materials.
    Kitagawa, Professor an der Universität Kyoto, hier mit einer Probe eines von ihm entwickelten porösen Materials. Foto: Uncredited/Kyodo News/dpa
    Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften auf dem Gelände der Universität von Stockholm hat nun auch die Nobelpreisträger in der Kategorie Chemie bekanntgegeben.
    Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften auf dem Gelände der Universität von Stockholm hat nun auch die Nobelpreisträger in der Kategorie Chemie bekanntgegeben. Foto: Steffen Trumpf/dpa
    Mit ihrer Forscher legten die Chemiker die Basis für viele mögliche Problemlösungen.
    Mit ihrer Forscher legten die Chemiker die Basis für viele mögliche Problemlösungen. Foto: Fredrik Sandberg/TT News Agency/AP/dpa
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