Die großen Industrienationen (G20) wollen auf ihrem Gipfel am Wochenende in Rom neue Versprechen für mehr Klimaschutz abgeben, sind aber noch uneins über konkrete Ziele. In einem Entwurf des Abschlusskommuniqués, der der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag vorlag, wird zu "sofortigem Handeln" aufgerufen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Strittig ist aber, ob sich die G20-Staaten auch zu einem gemeinsamen Ziel für Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen oder Kohlendioxid-Neutralität "bis 2050" bekennen werden. Klimaschützer zeigten sich enttäuscht von dem Textentwurf: Er bleibe zu vage.
In dem Dokument steht das Zieljahr 2050 noch in Klammern. So hat sich China als der mit Abstand größte Produzent von Kohlendioxid bisher nur dazu bekannt, erst 2060 kohlendioxidneutral werden zu wollen. Indien will sich gar kein solches Ziel setzen. Netto-Null bedeutet, dass alle Treibhausgas-Emissionen durch Maßnahmen zur Reduktion wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen. Die G20-Staaten sind für mehr als 75 Prozent aller Emissionen verantwortlich.
G20: Ohne Verringerung der Treibhausgase drohen weitere Naturkatastrophen
Die Staats- und Regierungschefs wollen in Rom unter anderem das Weltklimatreffen (COP26) vorbereiten, das am Sonntag im schottischen Glasgow beginnt. Dort soll beraten werden, wie das 2015 im Pariser Klimaabkommen formulierte Ziel erreicht werden kann, die gefährliche Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. (Lesen Sie auch: Italien führt wegen G20-Gipfel wieder Grenzkontrollen ein)
Ohne eine schnelle Verringerung der Treibhausgase drohten Deutschland und anderen G20-Staaten weitere Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen, warnte das Euro-Mittelmeer-Forschungszentrum für Klimawandel (CMCC) in einer Studie für die europäische Klimastiftung. Die G20-Staaten dürften 2050 im Schnitt mindestens vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung pro Jahr einbüßen - bis 2100 sogar acht Prozent.
Klimakrise bedroht auch die Wirtschaftsleistung der G20-Staaten
Könnten die Emissionen so gesenkt werden, dass die Erwärmung auf zwei Prozent begrenzt werde, müsste Deutschland 2050 immer noch ein Minus von 1,35 Prozent oder 45 Milliarden Euro hinnehmen. Im ungünstigen Fall müsste Deutschland 2050 auf 1,85 Prozent Wirtschaftsleistung jährlich verzichten - bis 2100 dann auf 2,95 Prozent. Landwirtschaft, Tourismus und Küstenregionen seien besonders bedroht.
"Wir brauchen ein starkes Signal der G20, damit die Klimakonferenz auf das richtige Gleis kommt und nicht gleich in einer Sackgasse endet", sagte Jörn Kalinski von Oxfam. "Wir müssen runter mit den Emissionen und rauf mit der Klimafinanzierung." Friederike Meister von Global Citizen sagte, "der G20-Gipfel stellt die Weichen für Erfolg oder Misserfolg der Klimakonferenz". Als "weltweit größte Umweltverschmutzer" trügen die G20-Staaten besondere Verantwortung.
Klimaexperten kritisieren die Zögerlichkeit der G20-Industrienationen
Strittig ist in dem Entwurf auch noch, ob sich die G20 dazu verpflichten will, schon "in den 2020er Jahren" weitere Maßnahmen zu ergreifen, nationale Aktionspläne zu formulieren, umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen. Klimaschützer halten das für notwendig. (Lesen Sie auch: Queen sagt Reise zur Weltklimakonferenz in Glasgow ab)
"Der Textentwurf drückt leider nicht die notwendige Entschlossenheit aus", reagierte der Klimaexperte Jan Kowalzig von Oxfam. "Die G20-Staaten sollten alle Alarmglocken läuten, dass ihre eigene Zögerlichkeit den Planeten zu verbrennen droht." Zwar werde die Lücke zwischen dem 1,5-Grad-Ziel und den Aktionsplänen anerkannt, "aber der Aufruf zu mehr Klimaschutz ist zu unverbindlich und zu unkonkret". Alle G20-Staaten müssten gründlich nachbessern - und dafür dann auf der Weltklimakonferenz auch alle übrigen Länder gewinnen.
UN-Bericht: Klima-Anstrengungen reichen bei Weitem nicht aus
So reichen die Anstrengungen nach einem UN-Bericht bei Weitem nicht aus. Mit den jüngsten Klima-Versprechen würden die Treibhausgase bis 2030 nur um 7,5 Prozent verringert. Für das 1,5-Grad-Ziel würden aber 55 Prozent benötigt - für 2 Grad noch immer 30 Prozent.
In dem Entwurf bekräftigt die G20-Gruppe ihr Ziel eines "weitgehend" kohlendioxidfreien Stromsektors in den 2030er Jahren. Ursprünglich war nach dpa-Informationen allerdings von einer "überwältigenden" Mehrheit des Stromsektors die Rede, der kohlendioxidfrei sein sollte. Die Staaten wollen demnach "ihr Äußerstes tun", um den Bau neuer Kohlekraftwerke zu vermeiden, wobei aber ein Schlupfloch zugelassen wird, indem "nationale Umstände berücksichtigt werden".