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Grünen-Parteitag mit Annalena Baerbock und Robert Habeck

Grünen-Parteitag

Grüne wollen das Ruder beim Parteitag wieder herumreißen

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    Für Annalena Baerbock steht beim kommenden Grünenparteitag einiges auf dem Spiel.
    Für Annalena Baerbock steht beim kommenden Grünenparteitag einiges auf dem Spiel. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    "Alles ist drin", versprechen die Grünen mit ihrem Wahlprogramm. Das Wahlkampfmotto "Bereit, weil Ihr es seid" ist nicht weniger forsch. Die Grünen hoffen darauf, dass sie und ihr Kernthema, der Kampf gegen den Klimawandel, endlich relevante Teile der Wählerschaft Ende September mobilisieren werden. Doch nach mehr als drei Wochen immer neuer grüner Patzer schwingt ungewollt auch etwas Anderes mit: Zweckoptimismus.

    So ist die Ausgangslage

    Seit die "Bild"-Zeitung im Mai über Sonderzahlungen berichtete, die Parteichefin Annalena Baerbock dem Bundestag nachgemeldet hatte, läuft es nicht mehr richtig rund. Baerbock selbst und ihre Partei mussten wiederholt Angaben in Lebensläufen korrigieren. "Das war Mist", räumt die designierte Kanzlerkandidatin insbesondere mit Blick auf Letzteres zerknirscht ein. Zwischendurch sorgte Robert Habeck mit einer Forderung nach der Lieferung von "Defensivwaffen" an die Ukraine für Verwirrung. Auch das Ergebnis von 5,9 Prozent bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt fiel schlechter aus als erhofft.

    Habeck: Wir wollen Fehler korrigieren

    "Die letzten drei Wochen sind natürlich nicht so cool gelaufen", räumt Parteichef Robert Habeck ein. "Wir haben Fehler gemacht, und aus kleinen Fehlern sind große Debatten geworden", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). Die Unterstützung für Baerbock in der Partei sei fulminant. "Es wird auf dem Parteitag ein starkes Signal der Solidarität geben." Ex-Parteichef Cem Özdemir sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" und dem Bonner "General-Anzeiger" (Freitag): "Besser, wir machen jetzt die Fehler, die man korrigieren kann, als kurz vor der Wahl." Der Blick gehe nun nach vorne. Der Parteitag eröffnet den Grünen die Chance auf erfreulichere Schlagzeilen.

    Stehen die Grünen weiter hinter Baerbock?

    Erstmals stellt die Partei mit Baerbock auch eine eigene Kanzlerkandidatin. Deren Wahl steht am Samstag an, in der gleichen Abstimmung, mit der sie mit Habeck als Spitzenduo bestätigt werden will. "100 Prozent werden es hoffentlich nicht", meint Baerbock - das sei langweilig und passe auch nicht zu ihrer Partei.

    Annalena Charlotte Alma Baerbock, geboren am 15. Dezember 1980 in Hannover, studierte nach dem Abitur Politikwissenschaft und öffentliches Recht in Hamburg sowie Völkerrecht in London. Seit 2005 ist Baerbock Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags. Das Bild zeigt sie im Jahr 2009.
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    Annalena Baerbock wird neue Außenministerin und war Kanzlerkandidatin der Grünen 2021. Sie hat bei Bündnis 90/Grüne einige politische Stationen durchlaufen.

    Ein gutes Omen wäre ein solches Ergebnis wohl auch nicht. 2017 erzielte es Martin Schulz bei seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten. Ein halbes Jahr später fuhren die Sozialdemokraten mit 20,5 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bei einer Bundestagswahl ein.

    Diese Themen stehen am Wochenende auf dem Programm:

    "Wir werden sehr leidenschaftlich diskutieren, weil es bei dieser Wahl um eine grundlegende Frage geht: Führen wir das Land entschlossen aus der Krise in dieses entscheidende Jahrzehnt oder wurschteln wir uns weiter durch?", sagt Baerbock. Die Partei mache konkrete Vorschläge zur Erneuerung, "für sozialen Klimaschutz, gerechten Wohlstand, eine gute Zukunft für Kinder und Familien und ein starkes Europa mit einer starken Wirtschaft". Es gibt 3280 Änderungsanträge zum Entwurf des Bundesvorstands, Bundesgeschäftsführer Michael Kellner nennt es "das intensivstdiskutierte Wahlprogramm der grünen Geschichte".

    Wahl-Slogan wird heiß diskutiert

    Die engagierten Diskussionen gehen schon beim Titel des Wahlprogramms los. "Alles ist drin", klar - aber Deutschland davor schreiben oder nicht? "Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Und nicht Deutschland", heißt es in einem von zwei Gegenanträgen, die das Wort streichen wollen. Eine andere Gruppe von Antragstellern fühlt sich an die AfD erinnert und meint: "Deutschland assoziiert eher eine nationalistische Politik."

    "Wir wollen klimagerechten Wohlstand sichern"

    Angeregte Debatten sind gleich am ersten Abend aber vor allem absehbar beim Klimaschutz. "Wir wollen einen klimagerechten Wohlstand sichern und mit unserem Programm unser Land auf den 1,5-Grad-Pfad bringen", sagt Baerbock und meint die Begrenzung der Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Hunderte von Anträgen sind zu diesem Komplex eingegangen. Auch die Kanzlerkandidatin selbst erwartet rege Debatten über die Höhe des CO2-Preises, die Stromsteuer oder den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Diskutiert wird auch die Forderung, dass Deutschland bereits in 20 Jahren klimaneutral werden sollte - und nicht erst 2045, wie es die Bundesregierung vorhat.

    Eine Gruppe pocht auf einen deutlich höheren CO2-Preis auf Öl und Gas. Bereits der Vorschlag des Bundesvorstands von 60 Euro pro Tonne bis 2023 hatte in den vergangenen Tagen heftige Debatten und Warnungen vor höheren Benzinpreise ausgelöst. Dabei hatte die Bundesregierung selbst im Jahr 2019 entschieden, den CO2-Preis bis 2025 auf 55 Euro steigen zu lassen und damit auch höhere Spritpreise beschlossen. "Man darf es mit dem Preis nicht übertreiben", mahnte Habeck im RND-Interview. "Was wir beschließen, sollte umsetzbar sein", fügte er hinzu.

    Auch die Grüne Jugend hat sich vorgenommen, in diesen drei Tagen zu kämpfen. Sicherheiten in Zeiten des Umbruchs will der Nachwuchs schaffen, einen kostenlosen ÖPNV und eine volle Rückerstattung der CO2-Kosten erreichen. "Es wird spannende Abstimmungen geben", sagt der Vorsitzende Georg Kurz.

    Grüne Jugend bei sozialer Frage besonders engagiert

    Auch zum dritten Kapitel "Solidarität sichern", das am Samstag behandelt wird, gibt es hunderte Änderungsanträge. Die Grüne Jugend ist in der sozialen Frage besonders engagiert. Der Nachwuchs pocht auf höhere Hartz-IV-Sätze, auf eine staatliche Jobgarantie, auf eine längere Bezugsdauer für Arbeitslosengeld I und auf die Vergesellschaftung von Wohnungen, um "die Spekulation mit dem Grundrecht Wohnen" zu beenden, wie es in der Antragsübersicht heißt. Hier könnte es zu Abstimmungen kommen.

    Debatte um bewaffnete Drohnen erwartet

    Diskussionen werden vor allem um die Haltung der Partei zu bewaffneten Drohnen erwartet. Im Programmentwurf des Vorstands ist davon gar nicht die Rede, sondern nur von "autonomen tödlichen Waffensystemen", die zu ächten seien. Kampfdrohnen müssen aber nicht autonom operieren, sondern können auch von Soldaten gesteuert werden. In einem Antrag wurde vor dem Parteitag die Beschaffung bewaffneter Drohnen zum Schutz der eigenen Truppen und von Zivilisten ausdrücklich gefordert - ein anderer Antrag lehnt den Einkauf ausdrücklich ab. Auch zur Sozial- und Gesellschaftspolitik mit Themen wie Rente, Verwaltung und Gleichstellung gibt es besonders viele Anträge.

    Lesen Sie auch: Nächste Umfrage-Watschn für Baerbock und die Grünen

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