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Politiker fordern Aufarbeitung nach "Querdenker"-Demonstration in Leipzig

Tausende protestieren gegen Corona-Maßnahmen

Politiker fordern Aufarbeitung nach "Querdenker"-Demonstration in Leipzig

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    Nach der Eskalation bei der "Querdenken"-Demonstration in Leipzig fordern viele Politiker eine Aufarbeitung.
    Nach der Eskalation bei der "Querdenken"-Demonstration in Leipzig fordern viele Politiker eine Aufarbeitung. Foto: Sebastian Willnow, dpa

    Eine große "Querdenken"-Demonstration in Leipzig mit unzähligen Verstößen gegen Hygieneregeln hat im Bund und in Sachsen den Ruf nach Konsequenzen laut werden lassen. Am Samstag hatten im Zentrum der ostdeutschen Stadt mindestens 20.000 Menschen gegen die Corona-Beschränkungen demonstriert. 90 Prozent der Teilnehmer trugen laut Polizei keine Masken. Am Abend erzwang die Masse einen Gang über den symbolträchtigen Leipziger Ring, obwohl ein Aufzug ausdrücklich nicht gestattet war. An einer Polizeisperre flog Pyrotechnik und es gab Rangeleien. Zahlreiche Politiker warfen der Leipziger Polizei und dem sächsischen Innenminister am Sonntag Versagen vor.

    Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) forderte eine "gründliche Aufklärung". "Was wir gestern in Leipzig gesehen haben, ist durch nichts zu rechtfertigen. Die Demonstrationsfreiheit ist keine Freiheit zur Gewalt und zur massiven Gefährdung anderer", erklärte Lambrecht am Sonntag. Eine solche Situation inmitten der Pandemie dürfe sich nicht wiederholen. Tausende dicht an dicht ohne Masken seien ein Gipfel der Verantwortungslosigkeit und des Egoismus.

    Kritik an Sachsens Polizei nach "Querdenker"-Demonstration in Leipzig

    Grünen-Parteichef Robert Habeck forderte, die Ereignisse in Leipzig bedürften "dringend einer kritischen Aufklärung". Er sprach von einer Überforderung von Innenministerium und Polizei in Sachsen. Linken-Parteichefin Katja Kipping sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Nach meinem heutigen Kenntnisstand liegt absolutes Versagen der sächsischen Polizeiführung vor". Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle kritisierte am Sonntag: "Es kann nicht sein, dass der Rechtsstaat quasi dabei zusieht, wie Journalisten bei ihrer Arbeit angegriffen werden und ein Großteil der Demonstranten die Auflagen erkennbar ignoriert."

    Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei nannte die Zulassung der Demonstration in der Leipziger Innenstadt in der "Rheinischen Post" "unverantwortlich". "Ich kann niemandem erklären, warum sich in Deutschland nur zwei Hausstände treffen und zugleich 16 000 Personen demonstrieren dürfen, bei denen schon im Vorfeld ganz klar und eindeutig ist, dass sie sich nicht an die Auflagen des Infektionsschutzes halten werden", betonte der CDU-Politiker.

    Linke, Grüne und SPD in Sachsen verlangten eine Aufarbeitung der Geschehnisse in einer Sondersitzung des Innenausschusses. Der Leipziger Polizeipräsident Torsten Schultze verteidigte das Vorgehen der Polizei. Der Einsatz habe drei Ziele gehabt: die Gewährleistung eines friedlichen Verlaufs, die Verhinderung möglicher Gewalttaten und die Durchsetzung des Infektionsschutzes, sagte Schultze in einem Videostatement. Die ersten beiden Ziele seien weitgehend erreicht worden, das dritte Ziel nicht. "Man bekämpft eine Pandemie nicht mit polizeilichen Mitteln, sondern nur mit der Vernunft der Menschen", fügte der Polizeipräsident hinzu.

    "Querdenken"-Demonstration wurde erst kurzfristig erlaubt

    Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen hatte die "Querdenken"-Demonstration in der Innenstadt erst am Samstagmorgen erlaubt. Die Stadt Leipzig hatte die Kundgebung wegen des Infektionsschutzes auf einen großen Messe-Parkplatz am Stadtrand verlegen wollen, das Verwaltungsgericht Leipzig hatte dies zunächst bestätigt. Die Begründung des OVG für die Zulassung einer Demonstration mit 16 000 Teilnehmern im Stadtzentrum steht noch aus.

    Die Polizei sprach am Samstag von 20 000 Menschen auf dem Augustusplatz, die Initiative "Durchgezählt" schätzte die Gesamtzahl der Teilnehmer sogar auf 45 000. Zunächst verlief die Kundgebung am Augustusplatz größtenteils friedlich. Wegen des Verstoßes gegen die Auflagen löste die Stadt Leipzig die Versammlung kurz vor 16.00 Uhr auf.

    Faktisch blieben die Menschen aber einfach stehen, nur wenige verließen wie aufgefordert das Stadtzentrum. Die Masse verlangte, um den Ring zu ziehen, den Ort der Montagsdemonstrationen 1989. Gegen 18.00 Uhr ließ die Polizei die vielen Tausend Menschen dann laufen. Man habe die Masse über den Ring ziehen lassen, weil man sie nur unter Einsatz massiver Gewalt hätte zurückhalten können, sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe.

    Während die "Querdenker" über den Ring liefen, griffen Unbekannte in Leipzig-Connewitz die Polizei an. Die Scheiben eines Polizeipostens wurden mit Steinen beworfen. Später wurden Barrikaden angezündet. Die Polizei rückte mit Wasserwerfern und zahlreichen Kräften an. Schon am Freitagabend hatten Vermummte die Polizei in dem als linksalternativ geltenden Stadtteil angegriffen.

    Die Leipziger Polizei bilanzierte am Sonntag für sämtliche Einsätze 102 Straftaten mit 89 Beschuldigten, darunter Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Es habe 13 vorläufige Festnahmen und 18 Ingewahrsamnahmen gegeben. Zudem seien 140 Ordnungswidrigkeiten wegen Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung und das Versammlungsrecht erfasst worden. (Lesen Sie auch: Neue Niederlage für "Querdenker" - keine Demos in München)

    07.11.2020, Sachsen, Leipzig: Teilnehmer stehen nach dem Ende einer Demonstration der Stuttgarter Initiative ?Querdenken? am Hauptbahnhof hinter der Reiterstaffel der Polizei. Zu der Kundgebung gegen die von Bund und Ländern beschlossenen Anti-Corona-Maßnahmen wurden 20.000 Menschen erwartet. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Verwendung weltweit
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