Ob Rauchverbot, Tempolimit oder Maskenpflicht: Neue Regeln stoßen oft auf großen Widerstand. Sobald sie in Kraft sind, ebbt die Ablehnung meist ab. Das haben Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Wien herausgefunden. Warum das so ist, erklären sie in einer neuen Studie.
„Vor der Einführung einer Regel liegt der Fokus sehr stark auf meinen persönlichen Verlusten“, sagt der Forscher Armin Granulo, der an der Studie mitgewirkt hat und inzwischen für die Ludwig-Maximilians-Universität arbeitet. Menschen würden sich fragen: „Was verliere ich? Komfort, Freiheit, Wahlmöglichkeit?“ Also etwa die Freiheit, auf der Autobahn so schnell zu fahren, wie man möchte. Oder die Möglichkeit, in einer Kneipe zu rauchen.
Tempolimit auf der Autobahn? „Klare gesellschaftliche Vorteile“
Meinungsforscher zeigen, dass diese Sorge vor persönlichen Verlusten in der Bevölkerung hoch ist. Ein Beispiel: Je nach Umfrage sprechen sich etwa 40 Prozent der Deutschen gegen ein Tempolimit auf Autobahnen aus.
Sobald eine Regel gilt, schwinde die Ablehnung deutlich. „Nach der Einführung fokussieren wir uns stärker darauf, was die Maßnahme für Vorteile hat, auch für die Gesellschaft als Ganzes“, sagt Granulo. „Im Fall des Tempolimits gibt es ja auch klare gesellschaftliche Vorteile, zum Beispiel die Reduktion von CO2 oder die Reduktion von Unfällen.“
„Anfänglicher Widerstand ist also nicht gleich dauerhafter Widerstand“, sagt Granulo. Politikerinnen und Politiker könnten seiner Ansicht nach also manchmal mutiger handeln – zumindest wenn eine Regel erwiesenermaßen Vorteile für Menschen oder Umwelt bringe. Gleichzeitig warnt Granulo: „Unsere Forschung soll nicht als Freibrief für eine Kopf-durch-die-Wand-Politik verstanden werden, in der man versucht, alles mit Verboten und Regeln zu steuern.“
Dennoch könnten sich Politikerinnen und Politiker die Erkenntnisse zunutze machen: „Die Studie zeigt, wie wichtig Kommunikation bei der Einführung neuer Regeln ist. Wenn der gesellschaftliche Nutzen betont wird, sinkt die Ablehnung bereits vor der Einführung.“
Neue Studie aus München: Für wen eine Regel bereits gilt, der akzeptiert sie eher
Außerdem müssen Regeln klar formuliert werden, um akzeptiert zu werden. Anders als bei einem Rauchverbot, das 2006 in Spanien eingeführt wurde. „Dieses Gesetz hatte relativ viele Schlupflöcher“, sagt Granulo. „In dem Fall hat die Ablehnung länger angehalten, als in Fällen, bei denen es weniger Schlupflöcher gibt und die einen klaren Schnitt machen.“
Die Forscher haben ihre Studie erstellt, indem sie repräsentative Umfragen vor und nach der Einführung analysiert haben. Etwa zum Rauchverbot an Arbeitsplätzen in mehreren europäischen Ländern, zur Anschnallpflicht in den USA und zur Verschärfung des Tempolimits in den Niederlanden.

Außerdem haben sie Experimente durchgeführt, in denen sie die Probanden zu hypothetischen Szenarien befragt haben. Etwa zu einer Impfpflicht oder Fahrverboten in Innenstädten. Die eine Hälfte der Teilnehmer sollte sich vorstellen, dass die Maßnahmen in einem Jahr eingeführt werden – die anderen, dass die Regel bereits seit einem Jahr gelte. Ob bei der Impfpflicht oder beim Fahrverbot, die Ergebnisse waren dieselben: Für wen eine Regel bereits gilt, der akzeptiert sie eher.
Wer das Phänomen einmal praktisch erfahren will, für den hat Granulo noch einen Tipp. Etwa wenn es um die Frage gehe, ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen: Wer die deutsche Autobahn in Richtung Österreich verlässt, darf nur noch maximal 130 Kilometer pro Stunde schnell fahren. Wenn Granulo das selbst tut, denkt er sich jedes Mal: „So unangenehm ist es nun auch nicht.“
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