Die militant-islamistischen Taliban kontrollieren immer mehr Gebiete in Afghanistan: In der Nacht zum Freitag eroberten sie mit Kandahar im Süden des Landes die zweitgrößte Stadt Afghanistans. Das bestätigten zwei Parlamentarier und ein Provinrat der Deutschen Presse-Agentur. Damit fällt die 13. Stadt binnen einer Woche an die Islamisten.
Von den wichtigen Städten sind nun nur noch die Hauptstadt Kabul, Masar-i-Scharif im Norden und Dschalalabad im Osten unter der Kontrolle der afghanischen Regierung - auch Laschkargah, die Hauptstadt von Helmand, steht an der Kippe einer Übernahme.
Taliban erobern das wirtschaftliche Zentrum des Südens
In Kandahar leben mehr als 650.000 Menschen. Die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz ist das wirtschaftliche Zentrum des Südens. In den 1990er Jahren war sie der Geburtsort der Taliban-Bewegung. Kandahar diente zudem als Hauptstadt der Islamisten während ihrer Herrschaft zwischen 1996 und 2001.
Mehr als drei Wochen lang kam es innerhalb der Stadt zu schweren Zusammenstößen zwischen Soldaten der Regierung und den Taliban, bevor die Sicherheitskräfte schließlich die Stadt evakuierten, sagte der Parlamentarier Gul Ahmad Kamin, der die Provinz im Parlament vertritt. Die Regierungstruppen hätten schließlich die wichtigsten Regierungsbehörden verlassen und im 205. Armeekorps der Provinz Zuflucht gesucht.
US-Armee verlegt 3000 zusätzliche Soldaten in die Hauptstadt Kabul
Mit dem Zusammenbruch der Stadt Kandahar haben die Taliban nun innerhalb einer Woche 13 Hauptstädte der 34 Provinzen des Landes überrannt. Am Donnerstag alleine nahmen sie drei Städte ein - darunter die drittgrößte Stadt Herat und die strategisch wichtige Stadt Gasni, die nur 150 Kilometer von Kabul entfernt liegt. Vertreter der afghanischen Regierung haben die sich überschlagenden Ereignisse noch nicht kommentiert.
Angesichts der Eroberungen werden die US-Streitkräfte sofort rund 3000 zusätzliche Soldaten an den Flughafen in Kabul verlegen. Damit soll eine geordnete Reduzierung des US-Botschaftspersonals unterstützt werden, hieß es von einem Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Zudem verlegen die Vereinigten Staaten demnach bis zu 4000 weitere Soldatinnen und Soldaten nach Kuwait und 1000 nach Katar - falls Verstärkung gebraucht würde.
US-Armee soll bis 31. August aus Afghanistan abgezogen sein
Der Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan solle aber bis 31. August abgeschlossen werden, so der Sprecher am Donnerstag. Auch Großbritannien will rund 600 zusätzliche Soldaten schicken, um bei der Rückführung von Briten aus Afghanistan zu helfen. Zuletzt hatte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag im Weißen Haus erklärt, die Afghanen müssten nun "selbst um ihren Staat kämpfen".