Angesichts großen Unmuts über schleppende Finanzhilfen und andauernde Corona-Beschränkungen will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit Vertretern zahlreicher Branchen beraten. An einem Online-"Wirtschaftsgipfel" am Dienstag (10.00 Uhr) sollen Vertreter von mehr als 40 Verbänden teilnehmen. Themen sind die aktuelle Krisenlage, die jüngsten Beschlüsse von Bund und Ländern, die Hilfsprogramme und mögliche Öffnungsperspektiven etwa für Handel und Gastgewerbe
Die Wirtschaft verlangt verlässlichere Planungen für die Lockerung von Beschränkungen. Die weitere Verlängerung des Lockdowns vorerst bis 7. März war von betroffenen Branchen scharf kritisiert worden. Verbände beklagen stockende Hilfszahlungen und zu viel Bürokratie.
Handelsverband: Mehr als ein Trostgipfel
Die Konferenz müsse mehr als ein Trostgipfel sein, hatte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, gesagt. Er erwarte von Altmaier echte Perspektiven und wirkungsvolle Hilfspakete.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt verlangte mehr Hilfe für Selbstständige und Freiberufler. "Neben der schnelleren und besseren Unterstützung von Unternehmen muss auch die Hilfe für Freiberufler und Selbstständige endlich ins Zentrum der Krisenpolitik gestellt werden", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Grüne: Krise in der Krise
Fast jeder zehnte Erwerbstätige in Deutschland sei selbstständig, sagte Göring-Eckardt. "Wie sehr die Bundesregierung diesen Teil der Wirtschaft hängen lässt, ist eine Krise in der Krise. Für viele Soloselbstständige von der Kulturschaffenden bis zum Taxifahrer herrscht seit knapp einem Jahr Ausnahmezustand und Existenzkrise."
Für die Überbrückungshife III flossen nach dem Start in der vergangenen Woche bisher 34,6 Millionen Euro als Abschlagszahlungen durch den Bund, wie das Ministerium am Montag mitteilte. Bei den Hilfen für November und Dezember seien inzwischen sechs Milliarden Euro an Abschlägen und regulären Auszahlungen überwiesen worden.
Lindner: Wirtschaftsgipfel darf keine PR-Veranstaltung werden
Vor dem Spitzentreffen zur Lage der Wirtschaft in der Corona-Pandemie hat FDP-Chef Christian Lindner die Bundesregierung zu konkreten Fortschritten aufgefordert. Das Treffen müsse mehr sein als eine PR-Veranstaltung der Bundesregierung, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Zehntausende Unternehmen, die um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen, brauchen konkrete Ergebnisse bei den stockenden Wirtschaftshilfen und eine belastbare Öffnungsperspektive", sagte Lindner weiter.
Um eine massive Insolvenzwelle zu vermeiden, müssten die Hilfsprogramme in ihrer Umsetzung endlich vereinfacht werden, damit sie schnell bei den Betroffenen ankommen, forderte der FDP-Politiker. Neben unverzüglichen Abschlagszahlungen müsse der Bund die Voraussetzungen für eine schnelle Bearbeitung und Endabrechnungen verbessern.
"Die Bundesregierung sollte auch endlich ihren Widerstand gegen die Ausweitung des Verlustrücktrags aufgeben und unbürokratische Abschreibungsmöglichkeit von Saisonware im Einzelhandel einführen", forderte Lindner. "Nach den Diskussionen um Grenzschließungen bedarf es einer Garantie, dass der grenzüberschreitende Warenverkehr aufrecht erhalten bleibt."
Im Zentrum des Gipfels müsse die verbindliche Öffnungsperspektive für die Wirtschaft stehen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Infektionslage seien regional differenzierte Öffnungen jetzt angemessen und vertretbar. "Dort, wo die 7-Tage-Inzidenz stabil unter 50 liegt, müssen Handel, Gastronomie, Hotels und Fitnessstudios unter Auflagen wieder öffnen können, Kitas müssen den Regelbetrieb wieder aufnehmen", forderte Lindner. "Liegt die 7-Tage-Inzidenz stabil unter 35, müssen auch Theater, Kinos, Bibliotheken und Hallenbäder unter Auflagen wieder den Betrieb aufnehmen können."
Altmaier warnt vor Folgen einer dritten Corona-Welle für Unternehmen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte vor dem Treffen mit Wirtschaftsverbänden vor den Folgen einer möglichen dritten Corona-Welle für Unternehmen. "Die Wirtschaft kann nicht florieren, wenn wir eine dritte Welle von Infektionen bekommen", sagte Altmaier im ARD-"Morgenmagazin" am Dienstag. Daher müsse alles daraufhin abgestimmt sein, dass man die Wirtschaft öffne, aber gleichzeitig eine dramatische Situation wie in Nachbarländern vermeide. Selbsttests könnten dabei definitiv helfen, so Altmaier. Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hofft auf eine Zulassung erster Corona-Selbsttests im März.
Neben den Selbsttests gibt es laut Altmaier noch "ganz viele andere Stellschrauben", über die er mit Vertretern der Verbände an diesem Dienstag sprechen wollte. Bei dem Corona-"Wirtschaftsgipfel" sollte es neben den Beschlüssen von Bund und Ländern vor allem um die schleppende Umsetzung der Wirtschaftshilfen gehen.
Die Vereinbarung über eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März war zum Teil heftig kritisiert worden. Verbände kritisierten, Gastgewerbe, Tourismus und dem Mittelstand fehlten klare Perspektiven.
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