Damals 23 Jahre alt, Kunstturner und Stuntman – Samuel Koch trat im Jahr 2010 bei „Wetten, dass..?“ mit einer spektakulären Wette an. Er wollte laut der Deutschen Presseagentur (dpa) mit Sprungstelzen im Vorwärtssalto nacheinander fünf ihm entgegen fahrende Autos zunehmender Größe überspringen. Bei Auto Nummer vier ging etwas schief: Der junge Mann stürzte und zog sich schwerste Verletzungen zu.
Nun sitzt Koch im Rollstuhl, ist querschnittsgelähmt und pflegebedürftig. Der 37-Jährige arbeitet heute als Schauspieler, Redner und Autor. So kann er die hohen Kosten für die Pflege fast alleine stemmen. Diese würden sich jeden Monat auf einen fünfstelligen Euro-Betrag belaufen, sagte Koch der Bild-Zeitung. Für mehr finanzielle Unterstützung kämpft der ehemalige „Wetten, dass..?“-Kandidat seit 2020 vor Gericht. Er möchte, dass sein Sturz in der Live-Sendung als Arbeitsunfall anerkannt wird und die Unfallversicherung greift.
Am 24. September 2025 hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel den Fall laut dpa an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg muss nun nachbessern und neu verhandeln. Laut Oliver Negele, Kochs Anwalt, ist das ein Teilerfolg. Der dpa sagte er, er rechne sich nun gute Chancen für die Anerkennung als Arbeitsunfall aus. Was würde das aber bedeuten? Wie unterstützt die gesetzliche Unfallversicherung pflegebedürftige Menschen nach einem Arbeitsunfall?
Unfallversicherung: Was ist ein Arbeitsunfall?
Ein Arbeitsunfall liegt in der Regel vor, wenn sich Menschen an ihrem Arbeitsplatz verletzen. Damit ein Unfall als Arbeitsunfall gilt, muss er aber nicht zwingend unmittelbar am Arbeitsplatz passiert sein. Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stehen viele Bereiche des täglichen Lebens ebenfalls unter dem Schutz der Unfallversicherung. Das Ministerium nennt folgende Beispiele:
- Unfall bei der Ausübung eines Ehrenamtes
- Unfall bei der Pflege einer oder eines nahen Angehörigen im eigenen Wohnhaus
- Unfall während des Schulbesuchs
- Unfall eines Kindes während des Kitabesuchs
- Unfall während einer Hilfeleistung nach einem Verkehrsunfall
Darüber hinaus umfasst der Versicherungsschutz auch sogenannte Wegeunfälle. Gemeint sind Unfälle, die auf dem direkten Weg in die Arbeit, die Schule oder auch zur Kita passieren. Auch bestimmte Umwege fallen unter den Schutz. Grundsätzlich gilt laut dem BMAS: „Arbeitsunfälle sind die Unfälle, die versicherte Personen infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden.“ Ob tatsächlich ein Arbeitsunfall vorliegt, prüft der zuständige Unfallversicherungsträger.
Pflegebedürftig nach Arbeitsunfall: Was zahlt die Unfallversicherung?
Wurde ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt, greift der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese ist laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) „verpflichtet, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit mit allen erdenklichen Mitteln wiederherzustellen“. Oberstes Ziel sei es, „Schäden zu beseitigen oder zu mindern“. Deshalb zählen unter anderem Heilbehandlungen sowie Reha-Aufenthalte zum Leistungskatalog der Unfallversicherung. Daneben können Betroffene Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, zum Leben in der Gemeinschaft oder bei Pflegebedürftigkeit haben.
Bleibt eine Person nach einem Arbeitsunfall pflegebedürftig zurück – wie im Fall von Samuel Koch –, hat sie die Wahl zwischen verschiedenen Angeboten. Laut dem BMAS kann ein Pflegegeld gezahlt, auf Antrag eine Pflegekraft gestellt oder Unterhalt und Pflege in einem Heim erbracht werden. Dabei gehen die sogenannten Entschädigungsleistungen der Unfallversicherung wegen Pflegebedürftigkeit den Leistungen der Pflegeversicherung voraus. Geregelt ist das in Paragraf 44 SGB VII. Was können Betroffene aber bekommen?
Pflegegeld nach einem Arbeitsunfall: Was bekommen Pflegebedürftige?
Für das Pflegegeld von der Unfallversicherung ist laut dem BMAS ein Mindest- und ein Höchstbetrag festgesetzt. Die Grenzen liegen seit 1. Juli 2025 bundeseinheitlich bei 462 Euro und 1838 Euro pro Monat. Wie viel Geld Betroffene genau bekommen, setzt der Unfallversicherungsträger unter Berücksichtigung der Art und Schwere des Gesundheitsschadens sowie des Umfangs der erforderlichen Hilfe fest, erklärt das Ministerium.
Um die Höhe des Pflegegeldes zu bemessen, gibt es einem Merkblatt des Spitzenverbands der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zufolge die Kategorien I bis IV. Sie beschreiben die Schwere der Beeinträchtigungen in den Bereichen Körperpflege, Ernährung, Mobilität, Verhaltensweise, Kommunikation sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung und sollen als Orientierungshilfe zur Einstufung pflegebedürftiger Menschen dienen.
Für jede Kategorie ist ein Prozentsatz für den Höchstbetrag angegeben. Diese Kategorien gibt es laut dem DGUV:
Kategorien | Beschreibung | Höchstsatz in Prozent | Betrag in Euro |
---|---|---|---|
Kategorie I | Schwerste Beeinträchtigungen | 100 bis 80 % | 1470,40 bis 1838 € |
Kategorie II | Erhebliche Beeinträchtigungen | 80 bis 60 % | 1102,80 bis 1470,40 € |
Kategorie III | Mittlere Beeinträchtigungen | 60 bis 40 % | 735,20 bis 1102,80 € |
Kategorie IV | Leichtere Beeinträchtigungen | 40 bis 25 % | 462 bis 735,50 € |
Daneben gibt es noch weitere Kategorien, bezogen auf bestimmte Beeinträchtigungen sowie bestimmte Berufskrankheiten, die bei der Bemessung des Pflegegeldes zu beachten sind. Grundsätzlich wird die Höhe individuell bestimmt.
Übrigens: Das Pflegegeld der Pflegeversicherung hängt vom Pflegegrad ab und beträgt maximal 990 Euro pro Monat.
Pflegekraft zu Hause oder Pflege im Heim: Was übernimmt die Unfallversicherung?
Statt Pflegegeld können Menschen, die nach einem Arbeitsunfall pflegebedürftig sind, eine Pflegekraft für zu Hause beantragen. Bezeichnet wird diese Leistung laut dem BMAS als Hauspflege. Auch hier hängt vom Einzelfall ab, ob der Antrag genehmigt wird oder nicht.
Neben dem Pflegegeld und der Hauspflege ist auch eine Unterbringung in einem Pflegeheim möglich. In diesem Fall wird laut dem DGUV das Pflegegeld bis zum Monat nach Beginn des stationären Aufenthalts und ab dem ersten Tag des Entlassungsmonats gezahlt. Außerdem übernimmt die Unfallversicherung im Pflegeheim die Kosten für Pflege und Unterbringung, im Gegensatz zur Pflegeversicherung. Diese beteiligt sich lediglich an den Pflegekosten, sodass ein hoher Eigenanteil von den Pflegebedürftigen selbst zu zahlen ist.
Zurück zu Samuel Koch: Sein Fall wird nun erneut vor dem LSG verhandelt. Das Gericht hatte die Sachlage dem BSG zufolge nicht ausreichend beleuchtet und muss nun nachbessern. Laut dpa habe die Vorsitzende Richterin des BSG erklärt, dass nicht auszuschließen sei, dass Koch als Unternehmer seines Wett-Teams wie ein Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung zu behandeln sei. Denn ein Team-Mitglied – Kochs Vater hatte den Unfallwagen gesteuert – war am Unfall beteiligt. Wann es zu einem endgültigen Urteil kommt, bleibt abzuwarten.
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