Immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund kommen in Deutschland ins Rentenalter. Viele von ihnen werden pflegebedürftig. Die kultursensible Altenpflege soll sich um die Bedürfnisse dieser Menschen kümmern. Doch der Ansatz steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Warum das so ist und wie genau eine kultursensible Pflege aussehen kann, lesen Sie in diesem Text.
Definition: Was ist kultursensible Altenpflege?
Kultursensible Altenpflege wird oft auch multikulturelle Altenpflege genannt. Laut der Krankenkasse AOK soll eine kultursensible Altenpflege gewährleisten, dass pflegebedürftige Menschen entsprechend ihrer individuellen Werte sowie ihrer kulturellen und religiösen Bedürfnisse leben können. Es gehe dabei um die Menschenwürde und den Respekt vor dem individuellen Menschen, unabhängig von seiner Herkunft, seiner Werte oder seines Glaubens.
Bei der kultursensiblen Altenpflege geht es also darum, anzuerkennen, dass Menschen mit einem Migrationshintergrund andere Pflegebedürfnisse haben können als Menschen ohne Migrationshintergrund. In der Praxis kann das bedeuten, dass man in Pflegeheimen einen Gebetsraum für Menschen einreichtet, die muslimischen Glaubens sind. Oder dass man darauf achtet, dass viele Menschen mit muslimischen oder jüdischen Glauben keine Lebensmittel aus Schweinefleisch essen - und Alternativen anbietet. Auch mehrsprachige Pflegepersonal kann bei einer kultursensiblen Altenpflege von Vorteil sein.
Warum ist kultursensible Altenpflege wichtig?
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung gab es schon in den 1990er-Jahren erste Arbeitsansätze zu einer kultursensiblen Altenpflege. Im Jahr 1999 wurde der Arbeitskreis „Charta für eine kultursensible Altenhilfe“ gegründet, der sich zwei Jahre mit der Frage auseinandersetzte, „welche Barrieren beim Zugang von Migranten zur Altenhilfe bestehen und wie sie überwunden werden könnten“. Trotzdem sei die kultursensible Altenpflege bis heute ein Randthema.
Dabei wird kultursensible Altenpflege immer wichtiger. Die Zahl der alten Menschen in Deutschland steigt. Damit kommen auch immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund ins Rentenalter und werden pflegebedürftig.
Die Experten von der AOK schreiben dazu: Vor allem „viele Angehörige der ersten Generation der sogenannten Gastarbeiter und -arbeiterinnen, die in Deutschland eine dauerhafte Heimat gefunden haben“, haben „mittlerweile ein hohes Lebensalter erreicht“. Deswegen seien immer mehr Menschen aus Einwandererfamilien auf ambulante Pflegeleistungen oder stationäre Pflegeeinrichtungen angewiesen.
Kultursensible Pflege: Warum wird sie so wenig genutzt?
Laut der Bundeszentrale für politische Bildungen (bpb) nehmen ungefähr 78 Prozent der pflegebedürftigen Menschen mit Migrationshintergrund keine Pflegeleistungen in Anspruch. Eine hohe Zahl. Doch: Warum ist das so?
Die bpb hat eine Vielzahl von Barrieren ausgemacht, die die Zahl erklären könnten. Auf der Seite der Menschen mit Migrationshintergrund gibt es laut der bpb unter anderem folgende Barrieren:
- fehlende oder falsche Information über die Beratungs- und Hilfsangebote und über Versorgungsansprüche
- mangelnde Sprachkenntnisse
- Angst vor rechtlichen oder finanziellen Folgen
- negative Erfahrungen mit Behörden in Deutschland oder im Heimatland
- bürokratische Hürden bei der Beantragung von Pflegeleistungen
- Sorge/Misstrauen darüber, dass die eigenen kulturellen und religiösen Bedürfnisse nicht verstanden und nicht berücksichtigt werden
Auf der Seite der Pflegeeinrichtungen hat die bpb unter anderem diese Barrieren identifiziert:
- die monolinguale Ausrichtung (Informationsmaterialien und Beratung meist nur auf Deutsch)
- die Verständlichkeit des Inhalts des Informationsmaterials (selbst für deutsche Nutzer schwer verständlich)
- die Unübersichtlichkeit der Hilfsangebote
- Leugnung von kulturellen Unterschieden
- mangelnde interkulturelle Kompetenz
Kultursensible Pflege: Wie ist der Stand heute?
Die kultursensible Pflege in Deutschland steht noch am Anfang. In der ambulanten Pflege lässt sich ein kultursensibler Ansatz laut der AOK noch am leichtesten umsetzen. Im stationären Bereich sieht es anderes aus. Hier gibt es laut der AOK vor allem zwei Konzepte.
Erstens: Einrichtungen, die sich exklusiv an eine bestimmte Gruppe von Menschen richten. Als Beispiel dafür nennt die AOK das Altenzentrum der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main.
Und zweitens: Verschiedene Versuche, den kulturellen Bedürfnissen der Bewohner innerhalb einer Einrichtung gerecht zu werden. Die AOK verweist hier auf ein Pflegeheim in München, wo sowohl christliche als auch muslimische Feste gemeinsam gefeiert werden.
Übrigens: Die Pflege wird nach vier ethischen Prinzipien betrieben.