Die Europäische Zentralbank (EZB) hat abermals den Leitzins gesenkt. Für Verbraucher, die eine Wohnung kaufen oder ein Haus bauen wollen, hat der Entscheid aber wohl nur begrenzte Auswirkungen. Warum? Bauzinsen orientieren sich in erster Linie an den langfristigen Zinsen für Bundesanleihen. Insofern sagt Oliver Kohnen, Geschäftsführer beim Baufinanzierungsvermittler Baufi24: „Eine Leitzinssenkung führt also nicht automatisch zu spürbar günstigeren Baukrediten. Die Märkte haben mögliche Schritte der EZB oft schon vorweggenommen, weshalb wir kurzfristig keine drastischen Zinssenkungen bei der Baufinanzierung erwarten.“ Der Experte erwartet auf absehbare Zeit nicht, dass das historische Niedrigzinsniveau von einem Prozent erreicht wird.
Schon kleine Veränderungen beim Bauzins haben große Auswirkungen
Aktuell notieren die Zinsen für zehnjährige Darlehen bei etwa 3,5 Prozent - eine leichte Entlastung im Vergleich zu vorausgegangenen Höchstständen. Seit Anfang des Jahres habe sich der Bauzins „in einem Korridor seitwärts bewegt und eine gewisse Stabilität nach den teils starken Schwankungen des Vorjahres gezeigt“, analysiert der Experte. Vor wenigen Wochen hatte das von der neuen Bundesregierung angekündigte Sondervermögen und die damit verbundenen höheren Staatsausgaben zu steigenden Renditen bei Bundesanleihen geführt. Das wiederum hatte den Bauzins kurzfristig auf rund 3,7 Prozent verteuert. Und selbst kleine Zinsänderungen haben große Auswirkungen auf die monatliche Tilgungsrate und belasten Käufer, die knapp kalkuliert haben, spürbar.
Die Nachfrage für Wohnungen und Häuser hatte zuletzt angezogen. Die in der Krise steckende Immobilienwirtschaft belebt sich. Bleibt die ewige Frage: Kaufen oder nicht? Kohnen meint: „Es bietet sich aktuell ein günstiges Zeitfenster, das es zu nutzen gilt. Die Zinsen haben sich auf einem moderaten Niveau stabilisiert und die Immobilienpreise sind nach einer Phase der Korrektur ebenfalls wieder berechenbarer.“ Allerdings schränkt er ein: „Wer jetzt nicht handelt, zahlt womöglich bald drauf. Die Phase günstiger Finanzierung der Zehnerjahre ist schließlich längst vorbei und dürfte sich kaum wiederholen.“ Stattdessen drohe - weil die Lage der Weltwirtschaft so unsicher ist - die Rückkehr der Inflation. Was wieder höhere Zinsen und damit ein „geldpolitisches Worst-Case-Szenario“ bedeuten könnte. Steigende Bauzinsen würden dann nämlich, sagt Kohnen, auf moderat steigende Immobilienpreise treffen – insbesondere in begehrten Lagen. „Der Traum vom Eigenheim wäre dann für viele Anwärter in noch weitere Ferne gerückt als aktuell.“
Ifo-Institut: Stimmung im Wohnungsbau hellt sich auf
Immerhin: Die Stimmung im Wohnungsbau hat sich laut Ifo-Institut im Mai weiter aufgehellt. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen der Betriebe verbesserten sich spürbar. „Die Unternehmen im Wohnungsbau schöpfen vorsichtig Hoffnung“, sagt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Der Weg zurück zur Normalität sei aber noch lang. Die gestiegene Zahl an Baugenehmigungen im ersten Quartal sei ein „kleiner Hoffnungsschimmer“. Ob die Trendwende gelinge, hänge davon ab, ob der angekündigte Wohnungsbau-Turbo der neuen Bundesregierung auch umgesetzt werde und zünde.
Die Bundesregierung nimmt auch Stephan Kippes, Leiter der Gesellschaft für Immobilienmarktforschung und Berufsbildung (IVD-Süd), in die Pflicht: „Die Zinssenkung der EZB ist positiv, aber sie ist nicht der große Game Changer für die Immobilienwirtschaft und schon gar nicht der große Impulsgeber für die kränkelnde Bautätigkeit. Vielmehr ist die Große Koalition nach wie vor dringend gefordert, hier Impulse für den Wohnungsbau zu geben.“ Laut Bundesbauministerium wurden 2024 nur knapp 252.000 Wohnungen errichtet – über 42.000 Wohnungen weniger als 2023.


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