Tel Aviv Wenn es ernst wird im Nahen Osten, ist von Europa meistens wenig zu sehen. Die EU ist der größte Geldgeber für die Palästinenser und der wichtigste Handelspartner Israels, doch als internationale Unterhändler vorige Woche die Hamas und Israel dazu brachten, dem Gaza-Friedensplan von US-Präsident Donald Trump zuzustimmen, saß kein Europäer mit am Tisch. Nun will sich die EU in die Verhandlungen über eine Nachkriegsordnung in Gaza einschalten. Europäische Spitzenpolitiker reisen an diesem Montag zum Gaza-Gipfel nach Ägypten. Europa will nicht Zahlmeister ohne Mitspracherecht sein – blockiert sich aber selbst.
Europa sei „irrelevant“, sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kurz vor der Einigung mit der Hamas auf den Gaza-Plan dem Nachrichtensender Euronews. Dagegen habe Trump einen realistischen Friedensplan vorgelegt. Netanjahu und Trump feilten gemeinsam an dem Plan, der die Freilassung der verbliebenen 20 Hamas-Geiseln an diesem Montag, einen israelischen Truppenrückzug in Gaza und den Wiederaufbau des verwüsteten Küstengebiets ohne die Hamas vorsieht. Seit Freitag ist eine Feuerpause in Kraft.
Trump und der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi wollen das Gipfeltreffen mit mehr als 20 Ländern in Scharm el-Scheich am Roten Meer leiten; dort sollen die Zukunft von Gaza und eine langfristige Friedensordnung für den Nahen Osten besprochen werden. Teilnehmen wollen unter anderem UN-Generalsekretär Antonio Guterres, EU-Ratspräsident Antonio Costa, Bundeskanzler Friedrich Merz, der britische Premier Keir Starmer, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron sowie andere Politiker aus der EU. Die Hamas erklärte sich vor der Konferenz mit einem Machtverzicht in Gaza einverstanden, lehnte eine Entwaffnung aber ab.
EU änderte Haltung erst in letzten Monaten
Die EU hatte sich nach dem Hamas-Angriff auf Israel vor zwei Jahren auf die Seite von Netanjahus Regierung gestellt und ihre Haltung erst in den vergangenen Monaten wegen der rücksichtslosen Kriegsführung Israels im Gaza-Streifen und wachsender Proteste in den Mitgliedsländern geändert. Europa legte seine bilaterale Zusammenarbeit mit Israel auf Eis, verzichtete aber auf eine Aussetzung des Assoziierungsabkommens. Einige EU-Staaten verkündeten die Anerkennung eines Palästinenserstaates, doch Deutschland und andere Mitgliedsländer lehnen dies ab.
Dabei könnte Europa viel politisches Gewicht in die Waagschale werfen. Allein seit Ausbruch des Gaza-Krieges haben die EU und ihre Mitglieder nach Brüsseler Angaben rund 1,5 Milliarden Euro für die humanitäre Hilfe gezahlt. Bei der geplanten Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah zwischen dem Gaza-Streifen und Ägypten an diesem Dienstag sollen EU-Polizeikräfte den Grenzverkehr überwachen. Die EU kauft fast 30 Prozent aller israelischen Exporte und liefert 34 Prozent der israelischen Importe. Bisher kann Europa dies nicht in politischen Einfluss übersetzen, doch das soll sich jetzt ändern, wenn es nach der Außenbeauftragten Kaja Kallas geht. Angesichts der Leistungen der EU „sollten wir bei den Gesprächen mit am Tisch sitzen“, sagte sie.
Über die so genannte EUPOL-COPPS-Mission zur Ausbildung palästinensischer Sicherheitskräfte will sich die EU an der „Internationalen Stabilisierungs-Truppe“ beteiligen, die in Gaza die öffentliche Ordnung sichern soll. Frankreich ist laut Macron darüber hinaus bereit, Soldaten für die internationale Truppe zu stellen. Im Nahen Osten haben die Europäer den Ruf, bei Konflikten zu zahlen, aber sonst keine Rolle zu spielen. Weil Entscheidungsprozesse in der EU langsam und Alleingänge von Einzelstaaten häufig sind, können Politiker der Region häufig keine gemeinsame Linie der Europäer erkennen.
EU soll sich am Wiederaufbau beteiligen
Zudem scheuen europäische Staaten meistens ein militärisches Eingreifen. Nun aber sollte sich die EU mit einem gemeinsamen Kontingent an der „Stabilisierungs-Truppe“ beteiligen, um bei Entscheidungen über die Zukunft von Gaza mitreden zu können, argumentierten Julien Barnes-Dacey und Hugh Lovatt von der europäischen Denkfabrik ECFR in einer Analyse. Zudem sollte sich Europa finanziell an der humanitären Hilfe für Gaza und dem Wiederaufbau beteiligen.
Diese Hilfe sollte aber an Bedingungen geknüpft werden, fordern die ECFR-Experten. Dazu gehöre die Forderung nach grundlegenden Reformen bei den Palästinensern, etwa in der korrupten Palästinenser-Verwaltung im Westjordanland, und nach Entwaffnung der Hamas. Gegenüber Israel solle die EU öffentlich ankündigen, dass sie das Assoziierungsabkommen einfrieren werde, wenn Jerusalem das Gaza-Abkommen scheitern lasse, meinen Barnes-Dacey und Lovatt. Beim Gipfel in Ägypten wird sich zeigen, ob die EU ihre Ambitionen im Nahen Osten durchsetzen kann – auch bei den eigenen Mitgliedern.
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