Nur noch drei Monate statt wie bisher fünf Jahre für einen Bebauungsplan? Was sich nach einem politischen Zaubertrick anhört, soll bald Alltag werden in Deutschland. Der „Bau-Turbo“ von Union und SPD ermöglicht das Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften zugunsten des Wohnungsbaus. Ganze Häuserzeilen in einer Straße können damit aufgestockt, innerstädtische Brachen für neue Wohngebäude genutzt werden. Das Gesetz soll bereits am Freitag im Bundesrat beschlossen werden. Bauministerin Verena Hubertz (SPD) will noch am selben Tag eine Online-Konferenz abhalten, um die Umsetzung einzuleiten.
Die Ampel-Koalition mit Hubertz‘ Vorgängerin Klara Geywitz (SPD) hatte ihr Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, haushoch verfehlt. Das soll mit dem „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ anders werden. „Wir wollen mehr bauen und wir wollen schneller bauen“, sagte Hubertz. Eine der wichtigsten Änderungen: Es gibt neue Möglichkeiten, zugunsten des Wohnungsbaus von den Festsetzungen eines Bebauungsplans abzuweichen. Bauvorhaben müssen sich demnach nicht mehr zwingend in die nähere Umgebung einfügen. Dazu ist die Zustimmung der Gemeinde erforderlich – die gilt jedoch als erteilt, wenn sie innerhalb von drei Monaten nicht widerspricht.
Neues Baugesetz erleichtert Genehmigungen – die Bauindustrie freut sich
Die Bauindustrie ist des Lobes voll. Schwarz-Rot habe mit dem „Bau-Turbo“ ein mutiges Gesetz auf den Weg gebracht, um Städten und Gemeinden mehr Flexibilität beim Wohnungsneubau zu geben, sagte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie. „Erleichterungen bei Nachverdichtung und Aufstockung sind dabei ebenso wichtig, wie eine maximale Genehmigungsdauer von drei Monaten“, erklärte er.
Der Bauexperte Matthias Günther hingegen glaubt nicht, dass der Turbo dem lahmenden Wohnungsbau Flügel verleihen wird. „Kurzfristig wird das gar nichts bringen, mittelfristig vielleicht ein bisschen. Ein Turbolader im Motor verdichtet ja heiße Luft“, sagte der Direktor des Pestel-Instituts unserer Redaktion. Es sei eben eine Schwachstelle des Vorstoßes, dass er auf die Nachverdichtung in Wohngebieten setze und es dafür die Unterstützung der Gemeinden brauche. „Die Nachverdichtung stört meistens die Anwohner vor Ort. Und welcher Bürgermeister hat ein Interesse daran, dass er die Bürger verärgert, wenn er wiedergewählt werden will“, sagte Günther.
Linke fürchtet Spekulanten auf dem Miet- und Immobilienmarkt
Auch die Opposition geht nicht von einer Belebung des Wohnungsmarktes aus. Der „Bau-Turbo“ werde vor allem Bodenspekulation befeuern und nicht zu bezahlbarem Wohnraum führen, erklärte Katalin Gennburg, Sprecherin für Bauen und Stadtentwicklung der Linksfraktion im Bundestag. Hilfreicher wäre es, das Baurecht in einem ersten Schritt so zu verändern, „dass endlich der massenhaften Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen - und der daraus folgenden Verdrängung von Menschen mit wenig Geld - Einhalt geboten wird“. Hubertz hingegen geht von einer Stärkung des Umwandlungsschutzes aus.
So ganz traut die Regierung der Sache jedoch offenbar noch nicht. „Der Bau-Turbo ist kein Hebel, an dem wir ziehen und dann fallen Wohnungen vom Himmel“, sagte Hubertz und ergänzte: „Es kommt drauf an, dass wir alle gemeinsam mitanpacken.“ Die bayerische Staatsregierung sieht sich da einmal mehr als Vorreiter. In den Wohnungsbau soll bis 2028 eine Milliarde Euro zusätzlich fließen. Ministerpräsident Markus Söder will gleichzeitig Auflagen reduzieren. „Es entscheidet die Kommune alleine, wie sie ihre Wohnungen baut“, sagt der CSU-Vorsitzende.
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