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Kanzler Merz scheint das Versprechen vom Herbst der Reformen doch noch einlösen zu können.

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Kommt der Herbst der Reformen doch noch?

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    Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
    Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Foto: Michael Kappeler, dpa

    Am Dienstag steht ein Termin im Kalender des Bundeskanzlers, der so ganz nach dem Geschmack eines jeden Politikers ist. Friedrich Merz reist zum Antrittsbesuch nach Brandenburg und wird mit Ministerpräsident Dietmar Woidke in Potsdam einen Kindergarten besuchen. Da dürfte es ein paar fröhliche Fotos geben, sie kommen in diesen Zeiten gerade recht. Der Kanzler trifft in der brandenburgischen Landeshauptstadt dabei auf jene, die im Erwachsenenalter umsetzen und aushalten müssen, was er und seine Regierung auf den Weg bringen. Auch da scheint ein wenig Fröhlichkeit inzwischen angebracht. Die Koalition aus Union und SPD zeigt überraschend, dass Regieren mehr ist als ein müdes Verwalten. In Zeiten, in denen die Umfragewerte so schlecht sind wie die Stimmung im Land, hat sich in der Hauptstadt ein Funke politischer Energie entzündet.

    Zu Beginn war Merz vorgeworfen worden, es fehle ihm an Regierungserfahrung. Zunächst lief es mit der Führung aus dem Kanzleramt in der Tat nicht gut. Die verpfuschte Verfassungsrichterwahl etwa wurde vor allem Fraktionschef Jens Spahn angelastet. Hätte Merz jedoch die Stimmungsmache im Netz verfolgt und die Warnsignale richtig gedeutet, wäre seine Regierung um diese Klatsche wohl herumgekommen.

    Reformagenda mit Substanz

    In der Weltpolitik machte der CDU-Vorsitzende eine gute Figur, reiste nach Washington, unterstützte die Ukraine und ihren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj offensiv oder machte sich in Sachen Gaza-Krieg stark. Die außenpolitischen Erfolge werden nun durch eine überraschende innenpolitische Dynamik ergänzt.

    Vor allem der letzte Koalitionsausschuss offenbart mehr als nur kosmetische Korrekturen - es deutet sich in der Tat eine substanzielle Reformagenda an. Die Beschlüsse bedienen nicht nur die Erwartungen von Wählerschaft und Wirtschaft. Sie halten gleichzeitig die Koalitionspartner insgesamt bei Laune – eine derartige Balance gab es seit dem Regierungsstart noch nicht und die Vorgängerregierung kippte, weil der damalige Kanzler Olaf Scholz (SPD) sie nie hinbekam.

    Bas verdrängt Klingbeil

    Merz ist die eine Hälfte des Erfolgs. Die andere hört auf den Namen Bärbel Bas. Mit der SPD-Vorsitzenden und Bundesarbeitsministerin arbeitete er unmittelbar vor der Sitzung des Koalitionsausschusses die entscheidenden Details zur Bürgergeld-Reform aus. Bei der Pressekonferenz danach saß sie neben ihm auf dem Platz, der eigentlich dem Vizekanzler zusteht, Lars Klingbeil musste nach außen rücken. Man sollte es mit der Symbolik einerseits nicht übertreiben, doch aus Regierungskreisen ist anderseits zu hören, dass Merz sich inzwischen mehr auf Bas verlässt als auf den SPD-Co-Vorsitzenden und Bundesfinanzminister.  

    Kommt das europaweite Verbrenner-Aus wie geplant im Jahr 2035? Lassen sich die ausufernden Gesundheitskosten eindämmen? Wie stabil können die Haushalte der nächsten Jahre werden? Und vor allem: Springt die Wirtschaft wieder an? Es gibt noch viele Fragen, die Merz und seine Regierung innenpolitisch beantworten müssen. Die geopolitische Lage wirft derweil ihre Schatten, da sind der Ukraine-Krieg oder das angespannte Verhältnis zu Frankreich nur zwei Beispiele. Ob Schwarz-Rot wirklich ein umfassender Wechsel zu spürbaren Verbesserungen und neuen politischen Realitäten gelingt, muss also noch abgewartet werden. Es scheint aber nicht mehr ausgeschlossen, dass in den Geschichtsdatenbanken, die die Kita-Kinder von heute später studieren werden, von einem Herbst der Reformen zu lesen sein wird, der erfolgreich eine politische Wende in Deutschland einleitete.

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