Die Vereinten Nationen fordern angesichts schwerer Vorwürfe gegen Scharfschützen der israelischen Armee Aufklärung. Die angebliche Tötung unbewaffneter Palästinenser durch die Soldaten müsse untersucht werden, sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, in New York auf eine entsprechende Anfrage. «Das ist ein weiterer Grund, warum es eine Rechenschaftspflicht für alle Verstöße geben muss, die wir in Gaza gesehen haben».
Laut gemeinsamen Recherchen mehrerer internationaler Medien - darunter der «Spiegel» und das ZDF - soll ein israelischer Scharfschütze aus München gemeinsam mit einem Kameraden in Gaza mehrfach gezielt Unbewaffnete erschossen haben. Das gehe unter anderem aus einem Videointerview mit dem Kameraden hervor. Sie hätten nicht gewusst, auf wen sie gefeuert hätten, sagte der Kamerad laut einem Bericht des «Spiegels». Einige der getöteten Männer seien nicht bewaffnet, aber im wehrfähigen Alter gewesen.
Verdacht auf Kriegsverbrechen
UN-Sprecher Dujarric nannte die Berichterstattung und die dazugehörigen Aufnahmen eine «erschütternde Lektüre». Der Sprecher betonte, dass grundsätzlich die Tötung von Zivilisten «eindeutig gegen das humanitäre Völkerrecht» verstoße. Wichtig sei, dass die israelischen Behörden bei der Aufklärung solcher und anderer Vorwürfe kooperierten. Dies sei bislang nicht der Fall. Nicht eindeutig äußerte sich der Sprecher auf die Frage, ob auch die deutschen Behörden ermitteln müssten, weil einer der Tatverdächtigen aus München stammen soll.
Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hatte gemeinsam mit palästinensischen Menschenrechtsorganisationen Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Die Anzeige richte sich gegen einen aus München stammenden Angehörigen der israelischen Armee, der im Verdacht stünde, an der gezielten Tötung unbewaffneter Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza beteiligt gewesen zu sein, hieß es in einer Mitteilung.
«Die Organisationen fordern die Einleitung völkerrechtlicher Ermittlungen wegen des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit», teilte das ECCHR weiter mit. Die Anzeige stütze sich auf Beweismaterial aus den Investigativ-Recherchen und audiovisuellen Aufnahmen.
Tötung von Zivilisten als Kriegsverbrechen
Der angebliche Schütze aus München sei laut geleakten israelischen Registerdaten in Deutschland geboren, berichtete das ZDF. «Der heute 25-Jährige ging in München zur Schule», hieß es. Nach dem Abitur habe er sich den israelischen Streitkräften angeschlossen und zum Scharfschützen ausbilden lassen. Er sei Teil des Fallschirmjägerbataillons 202 geworden. Israels Armee äußerte sich auf Anfrage der dpa zunächst nicht zu den Vorwürfen.
Wenn sich ein Deutscher für den Dienst in einer anderen Armee meldet, riskiert er seine deutsche Staatsangehörigkeit. Das gilt auch für Doppelstaatler. Es ist allerdings möglich, beim Bundesverteidigungsministerium eine entsprechende Erlaubnis einzuholen. Für eine Reihe von Staaten, zu denen auch Israel gehört, gibt es allerdings eine allgemeine Zustimmung zum Dienst in den dortigen Streitkräften.
Neben Terrorismus- und Spionagefällen ist die Bundesanwaltschaft als oberste deutsche Anklagebehörde auch für die Verfolgung von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zuständig, wenn sie einen Bezug nach Deutschland haben. Zu den Tatbeständen zählen unter anderem Kriegsverbrechen wie die gezielte Tötung von Zivilisten.
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