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Landtagswahlen: AfD triumphiert, Linke zerfällt

Landtagswahlen

Fünf Lehren aus den Landtagswahlen

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    Ist die CDU - hier Ministerpräsident Michael Kretschmer - die letzte deutsche Volkspartei?
    Ist die CDU - hier Ministerpräsident Michael Kretschmer - die letzte deutsche Volkspartei? Foto: Robert Michael, dpa

    1. Die AfD ist die neue Ostpartei: Als „historisch“ feiert Björn Höcke den Sieg seiner AfD – und das ist er in der Tat. Zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik ist es einer offen rechtsextremen Partei gelungen, als stärkste Kraft in einen Landtag einzuziehen. In Thüringen ließ die AfD alle anderen Parteien hinter sich, auch in Sachsen gelang ihr der Sprung über die 30-Prozent-Hürde. Auch wenn der AfD das Ministerpräsidentenamt versagt bleiben wird, ist es eine bittere Erkenntnis für die etablierten Parteien. Nur durch eine Art Abwehr-Koalition ist der AfD machtpolitisch überhaupt noch beizukommen. Im Osten sind die Rechtsextremen besonders stark. Hier haben die anderen Parteien es in den vergangenen Jahrzehnten nicht geschafft, sich eine stabile Basis aufzubauen. Die Zahl der Wechselwähler ist besonders groß. Der Soziologe Steffen Mau sagte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Im Osten entsteht die Unterstützung der AfD aus der Mitte der Gesellschaft heraus, in Elternbeiräten, in der Industrie- und Handelskammer, bei der Freiwilligen Feuerwehr. Die AfD-Leute sind vielfach auch schon lange bekannt, auch noch aus Zeiten, bevor es die AfD gab.“

    2. Die Linke ist eine Partei in Auflösung: Hätten die Thüringer ihren Ministerpräsidenten direkt wählen können, hätte Bodo Ramelow wohl wenig zu befürchten gehabt. Doch der Misserfolg der Linken riss ihn mit in den Wahl-Abgrund. Die Linke hat damit ihr erstes und einziges Ministerpräsidentenamt verloren. Ihr bleibt nur noch die Hoffnung, dass sie Steigbügelhalter in Koalitionen spielen darf – wenn sie denn überhaupt in einen Landtag einzieht. Die Parteichefs in Berlin machten schon vorher klar, dass sie ihren Platz räumen würden. Vor allem an das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht hat die Linke massiv Wählerinnen und Wähler verloren. Und auch politisches Personal dürfte sich in Richtung BSW orientieren – wer etwas werden will oder etwas erreichen möchte, der hat dazu in der Wagenknecht-Partei die deutlich besseren Chancen. Viel ist nicht mehr übrig von der Linken. Einst war die Linke die typische Ost-Partei, heute findet sie noch nicht einmal dort Wähler.

    3. Auf Personen kommt es an: Es ist so etwas wie der Sieg ihres Lebens: Wenige Monate nach ihrer Gründung kommt Sahra Wagenknecht mit ihrem BSW nicht nur auf zweistellige Ergebnisse, sondern wird auch zu einem echten Machtfaktor. Eine Außenseiterin war sie in den vergangenen Jahren bei der Linken, so weit im Abseits, dass sie beschloss, eine eigene Partei zu gründen. Was das BSW auf Landesebene bewirken will und kann, ist nicht ganz klar – viele Wählerinnen und Wähler dürften die Partei vor allem wegen der Person Sahra Wagenknecht gewählt haben. „Die Menschen bekommen eine Politik, die sie mit mir, mit meinem Namen verbinden“, sagte Wagenknecht am Sonntagabend. Ihre Präsenz in den Talkshows dürfte ihr dabei geholfen haben. Dort bedient die Politikerin den Friedenswunsch vieler Menschen. Dass über Krieg und Frieden in den Bundesländern gar nicht entschieden wird, ist dabei nebensächlich. Für das BSW gibt es dennoch eine Herausforderung: Hat die junge Partei genügend Personal, um die Wählerstimmen in Mandate umzuwandeln? Wagenknecht wacht streng darüber, wer dem BSW beitreten darf.

    4. Koalitionen werden immer schwieriger: Die CDU sieht einen klaren Schuldigen für die schwierigen Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen und die enormen Gewinne für die Populisten auf der rechten und linken Seite. Doch das deutsche Parteiensystem zersplittert bereits seit Jahren – die Ampel-Regierung in Berlin ist eines der Ergebnisse dieser Entwicklung. Parteien, die in den vergangenen Jahrzehnten zusammen Koalitionen gebildet haben, sind zu schwach geworden, ihnen fehlen Mehrheiten. Neue Akteure wie das Bündnis Sahra Wagenknecht sind unberechenbar. Das alles erschwert die Bildung von Koalitionen. Und könnte den politischen und gesellschaftlichen Fortschritt in Deutschland schmerzhaft ausbremsen. Denn je unterschiedlicher die Bündnispartner sind, desto kleiner wird der gemeinsame Nenner, den sie finden. Statt wichtige Reformen voranzutreiben, blockieren sich die zwangsverpartnerten Parteien gegenseitig, um die eigene Wählerschaft nicht zu enttäuschen. Das führt in einen regelrechten Teufelskreis. Mehr als 40 Prozent in Sachsen und Thüringen gaben ihre Stimme zwei populistischen Parteien, die fast alles infrage stellen, was die sogenannten Etablierten bisher im Angebot haben.

    5. Die CDU ist (aktuell) die letzte Volkspartei: Die AfD mag die größte Aufholjagd hingelegt haben, einen Ministerpräsidenten wird sie kaum stellen. Sowohl in Thüringen als auch in Sachsen wird das die CDU übernehmen können. Sie konnte ihre Wahlergebnisse stabil halten. Unter Friedrich Merz ist es ihr gelungen, jene Themen anzusprechen, die viele Menschen im Land bewegen: Migration, Wirtschaft, ein zurückhaltender Kurs in Sachen Klimaschutz. In einem Parteiensystem, das massiv unter Druck geraten ist, wirkt die CDU wie eine verlässliche Konstante. Vielleicht auch, weil Merz selbst keine Scheu hat, auf eine gehörige Portion Populismus zu setzen. Die Kanzlerkandidatur dürfte ihm kaum noch zu nehmen sein. Anders hätte es ausgesehen, wenn seine Partei in Thüringen und Sachsen Stimmen verloren hätte – die Debatte, ob Merz wirklich Kanzler kann, wäre sofort hochgekocht. Und doch ist die Schwäche der Ampelparteien für die CDU auch ein wenig ein Fluch: Statt mit bekannten Partnern muss sie sich wohl auf Koalitionen mit dem BSW einlassen – Ausgang ungewiss.

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