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Warum die Wehrpflicht sofort reaktiviert gehört

Kommentar

Die Wehrpflicht muss zurückkommen – aber die Koalition vermurkst es

Stefan Küpper
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    Die Bundeswehr braucht mehr Personal. Die SPD setzt auf Freiwilligkeit, die Union hätte es gerne verbindlicher.
    Die Bundeswehr braucht mehr Personal. Die SPD setzt auf Freiwilligkeit, die Union hätte es gerne verbindlicher. Foto: Sina Schuldt, dpa

    Bei der Frage nach der Wehrpflicht erreichen die in Berlin regierenden Parteien langsam aber sicher die Grenze ihrer Seriosität. Denn die Scharmützel, die sich Union und SPD in Sachen Wehrdienstgesetz liefern, sind den Sicherheitsbedürfnissen dieses Landes schlicht unangemessen.

    Niemand in Berlin bestreitet, dass Russland ein Aggressor ist, der 2029 bereit sein könnte, den Ukraine-Krieg erneut zu eskalieren und einen Nato-Staat zu überfallen. Im Gegenteil: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) macht mit 2029 Politik. Er begründet mit diesem Datum, dass Deutschland bis dahin kriegstüchtig sein muss.

    Die Koalition gebärdet sich leichtsinnig

    Tüchtig genug, um Wladimir Putin endlich glaubhaft abschrecken zu können (und nicht von jedem kleinen Drohnen-Schwarm aufgeschreckt zu werden). Bereit, zu verhindern, dass der Ernstfall eintritt. Bedrohlich genug, um den brüchigen Rest-Frieden noch zu wahren. Was es dazu neben Drohnen, Panzern, Flugzeugen, Schiffen und Munition zwingend braucht, wissen alle seit Jahren: 80.000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten. Mindestens.

    Es ist schlicht leichtsinnig, was Schwarz-Rot sich seit ein paar Tagen erneut leistet. Wenn sich gerade irgendetwas nicht für parteitaktische Manöver eignet, dann doch die Entscheidung darüber, dass der Staat seine Bürger wieder in eine Pflicht nimmt, deren Ausübung sie im schlimmsten Fall mit ihrem Leben bezahlen. So wie die Debatte gerade aber läuft, verspielt die Regierung Merz an entscheidender Stelle völlig unnötig Vertrauen. Erneut. Umfragen belegen regelmäßig, dass es Mehrheiten dafür gibt, die Aussetzung der Wehrpflicht endlich wieder aufzuheben. Diese Bereitschaft ist ein hohes Gut. Sie zeigt, dass vielen diese Demokratie und ein Leben in Freiheit sehr viel wert sind. Dass sie bereit sind, sich dafür in die Verantwortung nehmen zu lassen. Damit könnte ein Kanzler ja arbeiten.

    Kommunikatives Wischi-Waschi

    Aber anstatt eine saubere Agenda aufzusetzen, mit der so wichtigen Rückkehr der Wehrpflicht als Ziel, ist die Union die Sache (kommunikativ) angegangen wie ein Bundeswehr-Beschaffungsprozess. Der erste schwere Fehler war, die Wehrpflicht nicht massiv (dafür aber verschwurbelt) im Wahlkampf zu thematisieren, um danach eine klare Verhandlungsposition zu haben. Der zweite daraus resultierende und entscheidende Fehler passierte während der Koalitionsverhandlungen: Die endeten damit, dass sich die SPD durchsetzen konnte. Dabei liegt sie historisch falsch, stiehlt sich aus der Verantwortung, aber: Der neu zu schaffende Wehrdienst soll auf Freiwilligkeit beruhen. So steht es im Koalitionsvertrag. Was wiederum zu den jüngsten, schädlichen Berliner Volten führt: Die Union will das Wehrdienstgesetz nachverhandeln. Pistorius (der es besser weiß, aber wegen seiner Partei nicht anders kann) wirft ihr daraufhin Fahrlässigkeit vor. CSU-Chef Markus Söder labelt das Pistorius-Gesetz als „Wischi-Waschi“. Und der Kanzler wiederum will sich einerseits an den Koalitionsvertrag halten, vermutet aber andererseits, dass es bei Freiwilligkeit nicht bleiben kann.

    Da hat er (wie im gesellschaftlichen Pflichtjahr) recht. Seine Pflicht wäre aber doch gewesen: Entweder mit Richtlinienkompetenz die alternativlose Rückkehr zur Wehrpflicht durchzusetzen. Oder aber den mit der SPD eingegangenen Kompromiss offensiv zu bewerben, um so viele Freiwillige wie möglich zu überzeugen. Mit der derzeitigen Verdruckstheit aber bleibt Deutschland sehr bedingt abwehrbereit.

    Putin hat vergangene Woche per Dekret weitere 135.000 junge Männer einziehen lassen.

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