Die deutsche Wirtschaft ist geschrumpft und die Menschen haben kein Zutrauen, dass es besser wird. Wie kein zweiter Indikator zeigt die Sparquote, wie skeptisch die Verbraucher auf die Konjunktur schauen. Die Sparquote legte 2024 auf 11,6 Prozent zu, das waren 1,2 Zähler mehr als im Jahr davor, wie das Statistische Bundesamt errechnete. Die Angstkasse der Deutschen wächst, sie sparen gegen die Krise an. „Lässt man die stark von den Folgen der Coronapandemie betroffenen Jahre 2020 und 2021 außer Acht, sparten die privaten Haushalte insgesamt so stark wie seit Mitte der 1990er-Jahre nicht mehr“, sagte Peter Kuntze vom Statistischen Bundesamt.
Die Ökonomen der Behörde haben über das vergangene Jahr Bilanz gezogen und nicht viel Gutes zu vermelden. Die Wirtschaftsleistung ging preisbereinigt um 0,2 Prozent zurück. Es ist das zweite Minus infolge. Bereits 2023 war die Wirtschaft um 0,3 Prozent rückläufig. Zwei Negativjahre nacheinander hatte es zuletzt Anfang des Jahrtausends gegeben. Zumindest einen Hauch von Optimismus verbreitet dagegen eine neue Studie des Marktforschungsinstitutes GfK. Danach wird die Kaufkraft der Deutschen im neuen Jahr auf durchschnittlich 29.566 Euro pro Kopf steigen - das sind zwei Prozent oder 579 Euro mehr als im Vorjahr. Grund für den Anstieg sind demnach unter anderem gestiegene Löhne und eine Erhöhung von Transferzahlungen wie Kinder- und Wohngeld.
Die deutsche Wirtschaft tritt seit fünf Jahren auf der Stelle
Bewährte Stützen der Konjunktur sind in den vergangenen Jahren weggebrochen. Die Industrie im Minus, der Bau in den roten Zahlen, der Export im Abschwung, der Handel stagniert. Statistikamt-Chefin Ruth Brand benannte Gründe für die Schwäche: Stärkere Konkurrenz für die deutschen Exportunternehmen auf wichtigen Absatzmärkten, hohe Kosten für Energie, ein nach wie vor erhöhtes Zinsniveau und unsichere wirtschaftliche Aussichten. Der Blick zurück offenbart, dass der Abstieg der früheren Zugmaschine Europas länger anhält. Seit 2019 ist die Wirtschaftsleistung praktisch nicht mehr gestiegen.
Namhafte Ökonomen fordern beherztes Gegensteuern von der nächsten Bundesregierung, um aus der Krise zu kommen. „Im Vergleich zu anderen Standorten weltweit sind die Belastungen der Unternehmen durch Steuern, Bürokratie und Energiekosten hoch, die Erneuerung der Digital-, Energie- und Verkehrsinfrastruktur kommt langsamer voran und der Fachkräftemangel ist ausgeprägter“, sagte der Konjunkturchef des Münchner ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet eine leichte Belebung im Frühjahr, weil die Europäische Zentralbank die Zinsen weiter senken dürfte. Niedrigere Zinsen machen Kredite günstiger und damit Investitionen profitabler. „Allerdings rechnen wir nur mit einer blutleeren Aufwärtsbewegung, weil sich die Unternehmen wegen der massiven Verschlechterung der Standortbedingungen … zunehmend mit Investitionen in Deutschland zurückhalten“, sagte Krämer.
Arbeitgeber haben kein Zutrauen in Habeck
Auch die Wirtschaftsverbände dringen auf einschneidende Reformen. „Die neue Leitlinie muss sein: Vorfahrt für die Wettbewerbsfähigkeit“, forderte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Er sprach sich für eine Koalition von Union und FDP nach der Bundestagswahl aus. „Hoffentlich erreicht Friedrich Merz die notwendige Mehrheit“. Wirtschaftsminister Robert Habeck traut Dulger nicht zu, das Notwendige zu tun. „Ich bin erstaunt, dass so ein Vorschlag von einem deutschen Wirtschaftsminister kommt“, meinte er mit Blick auf Habecks Vorstoß zur Einbeziehung von Kapitalerträgen in die Finanzierung der Sozialkassen.

Die neue Chefin der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Helena Melnikov, rief die Parteien auf, ein drittes Rezessionsjahr unbedingt zu verhindern. Sie verlangte „Entlastungen bei den nach wie vor viel zu hohen Energiekosten, einen radikalen Abbau der überbordenden Bürokratie und endlich mehr Tempo bei Infrastrukturprojekten“.
Der CSU-Wirtschafts- und Finanzpolitiker Sebastian Brehm schlug in die gleiche Kerbe. „Nötig sind jetzt ein verlässlicher Fahrplan für die Entlastung der arbeitenden Bevölkerung, international konkurrenzfähige Steuersätze und Energiekosten für die Wirtschaft und ein drastischer Abbau von Bürokratie, um die Wachstumskräfte zu entfesseln“, sagte Brehm unserer Redaktion. Die Zeit drängt.“
Für das laufende Jahr schwanken die Prognosen der Konjunkturdeuter zwischen nochmaligem Schrumpfen über Nullwachstum bis hin zu Mini-Zuwächsen. Die große Unbekannte ist die Handelspolitik des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Macht er sein Versprechen wahr, wird er einen Handelskrieg vom Zaun brechen, der das Wachstum des Welthandels mit hoher Wahrscheinlichkeit bremsen würde.
Der CSU-Haushaltsexperte Sebastian Brehm warnte auch deshalb gegenüber unserer Redaktion: „Hohe Energiekosten, hohe Steuern, eine Explosion der Bürokratiekosten, Abwanderung von energieintensiver Produktion ins Ausland und der Verlust von Arbeitsplätzen machen das Land und seine Menschen jeden Tag ein Stück ärmer. Nun müsse Schluss sein mit der Schönrederei. „Nötig sind jetzt ein verlässlicher Fahrplan für die Entlastung der arbeitenden Bevölkerung, international konkurrenzfähige Steuersätze und Energiekosten für die Wirtschaft und ein drastischer Abbau von Bürokratie, um die Wachstumskräfte zu entfesseln.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden