Das endgültige Bundesliga-Aus für den finanziell kollabierten Meister HB Ludwigsburg wirft einen dunklen Schatten auf den Frauen-Handball. Und das ausgerechnet drei Monate vor der Heim-WM, bei der sich die Sportart stärker ins Rampenlicht der Öffentlichkeit rücken möchte.
«Es ist ein Schaden entstanden und keine gute Situation für den Frauen-Handball», kommentierte Christoph Wendt, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga Frauen (HBF), den dramatischen Absturz des deutschen Topvereins. Er forderte: «Wir müssen uns als HBF selbst hinterfragen und schauen, wie und an welcher Stelle wir unser Lizenzierungsverfahren schärfen können und aus meiner Sicht auch müssen.»
HBF-Präsident Andreas Thiel befürchtet Auswirkungen auf die gesamte Bundesliga, die am Freitag ohne den Titelverteidiger in die neue Saison startet. «Unseren Wachstumskurs befördert das sicher nicht», sagte Thiel jüngst der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» und fällte ein vernichtendes Urteil: «Der Frauenteamsport mit Ausnahme des Fußballs ist in Deutschland ein Mauerblümchen.»
Nur der Fußball boomt
Während sich der Frauenfußball dank des Einstiegs der großen Männer-Clubs auf Expansionskurs befindet, fristen die anderen Frauen-Topligen ein Schattendasein - sowohl finanziell als auch medial. Im Basketball wurden zuletzt zwar die Standards angehoben, doch das ging nach hinten los. Weil etliche Vereine die neuen Vorgaben nicht mehr erfüllen konnten, musste die Bundesliga auf zehn Teams reduziert werden.
Im Volleyball wurden die Anforderungen extra heruntergeschraubt, nachdem es in den vergangenen Jahren mehrere Insolvenzen gab und etliche Vereine ums Überleben kämpfen mussten. Zwar hat sich die Lage mittlerweile beruhigt, große Sprünge kann sich mit Ausnahme der Spitzenteams Stuttgart, Dresden und Schwerin aber niemand erlauben.
Zu wenig Geld
Die Handballerinnen wähnten sich nach den Insolvenzen der früheren Topteams 1. FC Nürnberg (2009) und HC Leipzig (2017) zuletzt auf einem guten Weg. Die Bundesliga verzeichnete in der Vorsaison mit durchschnittlich 1.244 Fans pro Spiel einen Zuschauerrekord und konnte für die neue Spielzeit erstmals einen Namenssponsor gewinnen.
Und doch beträgt der durchschnittliche Saison-Etat der Bundesligisten gerade einmal 1,35 Millionen Euro. Bei den Männern sind es im Schnitt rund sieben Millionen Euro mehr. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann bot daher am Rande des Supercups in München am vergangenen Wochenende generös an: «Wir können den Frauen-Handball schon ein Stück Huckepack nehmen.»
Allerdings müssten sich die Vereine «auch am eigenen Schopf packen und die Frage stellen, wo es hingehen soll. Da muss in der Frauen-Bundesliga noch viel passieren, da fehlt es noch an allen Dingen, um einen großen Schritt voranzukommen», sagte Bohmann.
Mehr Kontrolle nötig
Bei allem guten Willen und trotz verstärkter Bemühungen sieht HBF-Präsident Thiel jedoch nur begrenzte Wachstumsmöglichkeiten. «Es ist einfach nicht genug Geld im System Frauen-Handball», stellte der 65-Jährige fest. Herbert Müller, Trainer des European-League-Siegers und Supercup-Gewinners Thüringer HC, fordert deshalb von der HBF, noch genauer hinzuschauen, um Pleiten wie die von Ludwigsburg künftig zu verhindern.
«Die Funktionäre müssen sich genau überlegen, was man alles tun kann, damit eben nicht mit irgendwelchen komischen Zahlen die Lizenz ergattert wird, sondern dass man aussagekräftige Dinge tätigen kann, die eine Sicherheit für Spielerinnen und Trainer beinhalten», sagte Müller. «Es muss Möglichkeiten geben, damit alle geschützt sind, auch der deutsche Handball.»
Denn der hat nicht nur einen Imageverlust erlitten, sondern auch viel Qualität eingebüßt. Schließlich war der Meister und Pokalsieger aus Ludwigsburg das Aushängeschild der Sportart. «Es ist unschön und manchmal nicht zu begreifen, wie so etwas in diesem Extrem passieren kann. Das ist natürlich keine positive Entwicklung», sagte Nationalspielerin Alina Grijseels. «Jetzt sind alle gefragt, die Strukturen zu verbessern und dafür zu sorgen, dass es nicht noch weitere Mannschaften trifft.»


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