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Ich darf jetzt E-Bike fahren!

Franz Neuhäuser im Allgäu

Ich darf jetzt E-Bike fahren!

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    Franz Neuhäuser, 22 Jahre lang Sportchef bei der Augsburger Allgemeinen, verbrachte den Großteil seiner Kindheit im Allgäu. Jetzt hat er sich auf einem E-Bike zurück zu seinen Wurzeln begeben.
    Franz Neuhäuser, 22 Jahre lang Sportchef bei der Augsburger Allgemeinen, verbrachte den Großteil seiner Kindheit im Allgäu. Jetzt hat er sich auf einem E-Bike zurück zu seinen Wurzeln begeben. Foto: Franz Neuhäuser

    Mit einem E-Bike fahren? Ich?? Nie!!!

    Auch für mich galt, was viele sportlich gesinnte Mitmenschen verinnerlicht haben: Rad fahren, das heißt sich abstrampeln. Der Schweiß muss fließen, die Kraft aus den Beinen kommen. Alles andere ist Verrat am Rad.

    Aber die Zeiten und die Ansichten ändern sich. Vergangenes Jahr, auf einer mehrtägigen Tour durch das sehr schöne, sehr anstrengende Allgäu, sind sie mir noch mehr als bisher schon aufgefallen: Die E-Biker, die an mir vorbeifliegen, hoch aufgerichtet, während ich buckle. Da, sogar einer im gestärkten weißen Hemd… Wenn es bergauf ging, wenn Gegenwind herrschte (also immer), da drängte sich der Gedanke auf: Wie wäre es, jetzt auf einem E-Bike zu sitzen? Ein bisschen von der Batterie beflügelt. Nur ein bisschen…

    Stramme Wadeln: Bisher schwor Franz Neuhäuser beim Radeln ausschließlich auf Muskelkraft.
    Stramme Wadeln: Bisher schwor Franz Neuhäuser beim Radeln ausschließlich auf Muskelkraft. Foto: Franz Neuhäuser

    Aber geht das überhaupt? Kann mit einem E-Bike auch eine mehrtägige Tour unternommen werden? Auf der auch mal hundert und mehr Kilometern am Tag zurückgelegt werden sollen? Mit Gepäck? Ohne festen Plan? Spontan? Frei?

    Die Idee vom Praxistest mit dem Leihrad war geboren. Freunde und Bekannte reagierten interessiert, überrascht, skeptisch, spöttisch. Eine Kollegin hat es frech in einer Kurzmitteilung zusammengefasst: „Ach! Schon E-Bike?“

    Ja. Ich darf jetzt E-Bike fahren! Jahrzehntelang habe ich mich abgeplagt, bin mit meiner Frau jedes Jahr für etwa eine Woche auf mehr oder minder große Radtouren gegangen, habe nordfriesischen Gegenwind erduldet, irischen Regen auf mich platschen lassen, mich von tschechischem Kopfsteinpflaster durchschütteln lassen, mich das Stilfser Joch hoch geplagt. Aber jetzt liegt mein 60. Geburtstag hinter mir. Ebenso ein fieser Muskelfaserriss im Oberschenkel (kürzlich beim Tennis erlitten). Es gibt also nichts zu spötteln. Ich darf jetzt auch mal ein E-Bike testen.

    Und wo liegt das beste Testgelände der Welt? Natürlich vor der Haustür, natürlich im Allgäu.

    Erster Tag

    Auf mit der Eisenbahn nach Oberstdorf. Vor zehn Jahren war Monika Echtermeyer die erste, die in Oberstdorf auf Strom gesetzt hat. Ihr Verleih von E-Rädern scheint gut zu laufen. Der Laden gegenüber vom Oberstdorfer Bahnhof ist an diesem frühsommerlichen Vormittag lebhaft frequentiert. Nicht alle Interessenten sind Radexperten. Die Aussicht auf müheloses Dahingleiten lockt auch Menschen, die schon lange nicht mehr auf einem Rad saßen. Und sogar solche, die das Konzept E-Bike nicht ganz verstehen. Eine ältere Dame soll zu einer kurzen Probefahrt starten, kommt aber nicht vom Fleck. Sie mag einfach nicht in die Pedale treten. Fragt stattdessen: „Wo gibt man hier denn Gas?“ Dass es auch beim E-Bike nicht ganz ohne eigenes Zutun voran geht, ist augenscheinlich nicht jedem klar.

    Auf den ersten Blick unspektakulär: Doch bald schon lernt unser Autor die technischen Vorzüge "seines" Bikes kennen...
    Auf den ersten Blick unspektakulär: Doch bald schon lernt unser Autor die technischen Vorzüge "seines" Bikes kennen... Foto: Franz Neuhäuser

    So vielfältig wie die Kunden, so verschieden sind die Modelle, die Monika Echtermeyer anbietet. „Normale“ Räder; spezielle Modelle, mit denen ein Beifahrer transportiert werden kann; Räder, auf denen man zu zweit nebeneinander fahren kann; Mountainbikes mit Reifen so wuchtig wie die eines Traktors… alles da.

    Das Rad, das Expertin Echtermeyer für mich bereitgestellt hat, sieht… irgendwie enttäuschend unspektakulär aus. Wie ein City-Rad mit dem ältere Damen zum Einkaufen fahren. Niedriger Einstieg, weit geschwungener Lenker, breiter Sattel, Nabenschaltung. Liebe auf den ersten Blick ist was anderes. Aber: Das Rad ist solide, meine beiden Gepäcktaschen mit der Ausrüstung für die nächsten Tage lassen sich schon mal problemlos befestigen.

    Auch die Technik ist einfach zu verstehen. Rechts am Lenker die Schaltung, mit den Gängen eins bis acht. Links: Das E von E-Bike. Der Strom lässt sich auf drei Stufen zuschalten. Ecco – Sport - Power. Daneben die Ladestand-Anzeige des Akkus. Zehn Klötzchen sind es beim Start. Meine Horrorvorstellung: Irgendwo draußen, weit vom Ziel. Und keine Klötzchen mehr auf der Anzeige. Dazu muss man wissen, dass ich vor etwa sechs, sieben Jahren schon einmal kurz ein E-Bike gefahren hatte. Im Bayerischen Wald. Sehr angenehm, sehr rasant. Rasant hat sich allerdings auch die Batterie entladen. Nach zwei Stunden befand sich zwar noch etwas „Saft“ im Rad, aber auf den letzten Metern vor dem Hotel, passenderweise einem steilen Anstieg, ist mir wohl ein Bedienerfehler unterlaufen. Der Strom war jedenfalls plötzlich weg, das Rad mit einem Mal so schwer wie ein Panzer. Ich musste schieben. Bergauf. Es waren lange 50 Meter.

    Deshalb diesmal meine Devise: Ich passe auf meine Klötzchen auf. Spare Strom, wo und wann es nur geht. Was am Anfang leicht fällt. Von Oberstdorf aus geht es bergab Richtung „Unterland“, nach Sonthofen und Immenstadt. „Power“ ist erstmals bei Ofterschwang gefragt. Ein kurzer, aber fieser, steiler Gegenanstieg auf einem unbefestigten Waldweg. Sehr unangenehm. Aber jetzt hat „Power“ Premiere. Und die Macht ist mit mir. Und wie. Eine unsichtbare Hand schiebt mich bergan. Es ist verblüffend. Schalte ich aber aus, ist es, als ob die Luft aus den Reifen gelassen würde (dazu später mehr), als ob das Rad plötzlich im Sumpf stecke, als ob sich ein böser Troll hinten ran gehängt hat und mit mir sein böses Späßchen treibt.

    Dass sich das elektrische Helferlein bei Geschwindigkeiten über 25 km/h wieder zurückzieht (aus verkehrsrechtlichen Gründen, sonst bräuchte das Rad ein Versicherungskennzeichen), erweist sich im weiteren Verlauf der Tour als völlig problemlos. Wenn ich mal über 25 fahre, dann geht es ohnehin entweder bergab oder ich habe guten Rückenwind, brauche also keine Unterstützung. Und bergauf schneller als 25 fahren – theoretisch möglich. Aber muss nicht sein. Zudem würde ich dabei viel zu viele Klötzchen verbrauchen.

    Dank dosierter Stromzuschaltung verschwindet beim Testauftakt das erste Klötzchen erst nach 18 Kilometern Fahrt. Gut. Ich komme also 180 Kilometer weit. Rechnerisch. Aber ich traue der Hochrechnung nicht. Erstens stellen sich bald auch wieder Berge in den Weg. Und zweitens kennt man ja das Phänomen aus dem Auto. 500 Kilometer gefahren, die Tankanzeige hat sich nur eineinhalb Millimeter bewegt. Dann fünf Kilometer lang nicht hingeschaut und schon blinkt die Reserveleuchte.

    Aber so weit kommt es an diesem Tag bei meinem E-Bike nicht. Nach einer traumhaften Berg-und-Tal-Fahrt über Oberstaufen, Weiler, Scheidegg, Lindenberg, Röthenbach und Isny komme ich am Abend gegen halb acht Uhr in Wangen an. Knapp über 100 Kilometer stehen auf dem Tacho. Und es sind noch vier von zehn Klötzchen übrig. Yippie! Allerdings: Die Tagesbilanz des Pulsmessers zeigt in der Spitze über 140 Herzschläge pro Minute und fast 120 im Schnitt. Strom sparen hat seinen Preis, gemütlich geht anders…

    Wie es Franz Neuhäuser am zweiten Tag seiner E-Bike-Tour im Allgäu ergangen ist, erfährst Du im zweiten Teil seines Berichts in Kürze auf allgaeu.life

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