Lass Dich nicht hängen. Kämpfe. Kopf hoch, blicke nach vorne... Wenn immer Menschen in schwierigen Situationen stecken, sind aufmunternde Ratschläge nicht fern. Mal eben Augen zu und durch - damit war es bei Hannes Schippl nicht getan. Der 35-jährige Allgäuer hat eine schier unendliche Leidensgeschichte hinter sich (alles dazu hier). Schwere Nierenprobleme seit der Geburt. Transplantation im Alter von sieben Jahren. Zehn Jahre später stößt sein Körper das Organ ab. 14 Jahre lang muss Hannes komplett ohne Nieren leben. In dieser Zeit schwebt er mehrmals zwischen Leben und Tod, muss dramatische Momente, einen Herzstillstand und unzählige Krankenhausaufenthalte überstehen.
"Doch meinen Lebenswillen und Optimismus habe ich nie verloren", sagt er im allgaeu.life-Gespräch.
Nur so kann er den schwersten Kampf überhaupt, den ums Überleben, gewinnen. Und nur sein Kampfesmut hat den sportbegeisterten Oberallgäuer jetzt zu einem ganz besonderen Ereignis in seinem Leben gebracht: Ab kommenden Samstag nimmt er im englischen Newcastle an den World Transplant Games, den Weltspielen für Transplantierte und Dialysepatienten, teil.
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In seiner Paradedisziplin "Gehen" misst er sich über die Distanz von 5 Kilometern mit anderen transplantierten Sportlern aus der ganzen Welt. Für Hannes ist es der bisherige Höhepunkt seines Sportlerlebens. In Deutschland nahm er bereits an zahlreichen nationalen Wettkämpfen für Transplantierte und Dialysepatienten teil. Sogar bei einer Europameisterschaft durfte er sich schon messen. "Aber die war in Würzburg, also auch in Deutschland."
Hannes Schippl
>> Geboren
am 2. Januar 1984
>> Wohnort
Martinszell (Oberallgäu)
>> Beruf
Kaufmännischer Angestellter
>> Nierenprobleme
Hannes leidet seit seiner Geburt an Nierenproblemen. Im Alter von sieben Jahren wurde ihm eine neue Niere transplantiert und später seine beiden eigenen Nieren entfernt. Zehn Jahre später (2001) musste wegen akuter Probleme die transplantierte Niere entfernt werden. 14 Jahre, bis Ende 2015, lebt er ohne Nieren.
>> Lebenswille
Bei einer Operation an der Nebenschilddrüse erleitet er einen Herzstillstand. Ärzte beleben ihn wieder. Eine Woche lang liegt Hannes im Koma.
>> Ausdauer
Trotz Erkrankung versucht er Sport zu treiben. Unter anderem wurde er deutscher Meister der Dialysepatienten im Radfahren und später auch Europameister. Inzwischen hat er sich auf Walking spezialisiert.
Am Freitag wird er in München zum ersten Mal in seinem Leben ein Flugzeug besteigen und für eine Woche nach England reisen. "Ein bisschen aufgeregt bin ich schon", gesteht er mit einem Lächeln. Doch der Allgäuer fühlt sich gut vorbereitet. Denn die vergangenen Monate absolvierte er ein strammes Trainingspensum, das viele vollkommen gesunde Menschen schon an ihr Limit bringen dürfte.
"Ich trainiere dreimal in der Woche Racewalking, also schnelles Gehen, über eine Distanz von acht bis zehn Kilometer." Der schlanke Mann mit Läuferfigur jagt die hügeligen Strecken rund um Martinszell hinauf und hinab. Dazu kommen zweimal wöchentlich Gymnastikübungen. Das Training stimmt er mit einem Coach und seinen Ärzten ab.
Noch vor seiner Transplantation im Dezember 2015 wäre an ein solches Pensum nicht zu denken gewesen. Zwar war Hannes Schippl trotz seiner Erkrankung schon immer passionierter Sportler, ging Laufen und Rennradfahren, doch drei Jahre vor der lebenswichtigen OP geht es ihm immer schlechter. "Ich bin morgens kaum mehr aus dem Bett gekommen. Das Aufstehen fiel mir schwer."
Jetzt kann er ein halbwegs normales Leben führen, darf fast alles essen und - wichtig beim Training - zweieinhalb bis drei Liter pro Tag trinken. "Als Dialysepatient war die Menge auf 500 Milliliter am Tag begrenzt", schüttelt er den Kopf.

Doch nicht alles in seinem "neuen" Leben verläuft reibungslos. "Ich bin zufrieden. Aber es war schon eine Riesenumstellung. Ich habe 14 Jahre auf eine Niere gewartet, nach der Transplantation war es fast noch schwieriger, wieder ins Leben zu finden." Vor allem das Wegbrechen von sozialen Kontakten machte ihm zu schaffen. In seiner Leidenszeit entstanden einige Freundschaften zu anderen Dialysepatienten. Die Ärzte und Mitarbeiterinnen im medizinischen Versorgungszentrum in Kempten waren für ihn wie Vertraute.
Als er nicht mehr dreimal pro Woche für jeweils fünf Stunden (!) an die Geräte zur Blutwäsche angeschlossen werden musste, machte sich zunächst auch Einsamkeit breit. "Naja, die im Dialysezentrum haben's auch langweiliger ohne mich", sagt er mit einem breiten Lächeln - und schiebt hinterher: "Spaß muss sein!" Da ist sie wieder, die positive Grundeinstellung, die Hannes über so vieles hinweg geholfen hat.
Die Weltmeisterschaften für Transplantierte finden vom 17. bis 23. August 2019 im englischen Newcastle statt. 16 verschiedene Disziplinen (Leichtathletik, Radfahren, Schwimmen, Tischtennis, Basketball uvm.) gibt es in unterschiedlichen Alterskategorien. Es nehmen auch Kinder teil. Erstmals wurden die Weltspiele 1978 ausgetragen. Mehr:
Auch deshalb freut er sich so auf die WTG-Weltspiele in Newcastle, an denen rund 2.200 Sportler teilnehmen. "Ich will neue Leute treffen. Und ich freue mich darauf, die anderen Wettbewerbe anzuschauen und die Mannschaftskollegen anzufeuern."
Mehr noch als anderswo gilt hier das Motto: Dabei sein ist alles. Wobei: Ehrgeizig, wie er nun mal ist, hat sich Hannes für seinen Wettkampf eigene Ziele gesetzt: "Ich muss nicht der Beste sein. Aber ich freue mich darauf, mich mit der Konkurrenz zu messen. Und ich will sehen, ob ich richtig trainiert habe." Insgeheim liebäugelt der Oberallgäuer mit einer Zeit unter 40 Minuten für die Distanz von 5 Kilometern.
Er wird wieder kämpfen. Mit dem Wissen, dass er schon viel schwierigere Kämpfe gewonnen hat. "Ich werde in Bewegung bleiben. Und ich will meinen Optimismus weitergeben", sagt Hannes Schippl.