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Mit dem Fanbus durch Deutschland

Reisefreudige ECDC-Fans

Mit dem Fanbus durch Deutschland

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    Prächtige Stimmung herrscht am Memminger Hühnerberg bei Heimspielen der Indians. Doch auch auswärts sind die ECDC-Fans überdurchschnittlich vertreten.
    Prächtige Stimmung herrscht am Memminger Hühnerberg bei Heimspielen der Indians. Doch auch auswärts sind die ECDC-Fans überdurchschnittlich vertreten. Foto: Roland Schraut

    Wenn der Bayernligist ECDC Memmingen spielt, ist wird es auf den Rängen eng: Im Schnitt wollten 1.600 Zuschauer die Heimspiele der „Indians“ sehen. Auch auswärts können die Allgäuer auf die Unterstützung ihrer treuen Fans zählen. Das zweite Spiel des Play-off-Viertelfinales gegen den Rivalen HC Landsberg hat das einmal mehr gezeigt: Knapp 700 Memminger reisten an den Lech und peitschten ihr Team zum 5:3-Sieg. Doch die ECDC-Anhänger zieht es nicht nur zu den Derbys gegen die Klubs aus der Nachbarschaft. Die Fans scheuten zuvor auch den Weg bis nach Sachsen nicht, um ihr Team zu unterstützen. Ein Fanbus hat sich zur weitesten Auswärtsfahrt der Saison nach Schönheide aufgemacht – und unser Reporter war mittendrin:

    Es gibt schönere Reiseziele als eine schmucklose, in die Jahre gekommene Eishalle im Erzgebirge. Doch für die reiselustigen ECDC-Fans ist auch das ein Pflichtausflug.
    Es gibt schönere Reiseziele als eine schmucklose, in die Jahre gekommene Eishalle im Erzgebirge. Doch für die reiselustigen ECDC-Fans ist auch das ein Pflichtausflug. Foto: Jan-Mirco Linse

    Schon um neun Uhr morgens geht es auf dem Parkplatz der Memminger Berufsschule los. Genau 50 Anhänger haben sich für den Fanbus zum Auswärtsspiel des Eishockey-Viertligisten ECDC Memmingen beim EHV Schönheide angemeldet. 440 Kilometer liegen vor uns – eine Strecke, in der wir sonst locker bis in den Urlaub nach Italien kommen würden. Doch statt mediteranem Essen und Sonnenschein wartet eine trostlosere Kulisse im Osten. Schönheide liegt im Erzgebirge in Sachsen.

    Warum die Allgäuer aus der Bayernliga, der höchsten Spielklasse des Freistaats, überhaupt in Sachsen antreten, ist schnell erklärt. Als Meister der Vorrunde zogen die Indians aus Memmingen zusammen mit den Mannschaften auf den Plätzen zwei bis acht der Bayernliga in eine neu geschaffene Verzahnungsrunde ein. Mit den vier schlechtesten Teams der Oberliga, also der dritthöchsten Spielklasse, wurden die Play-off-Teilnehmer ausgespielt. Zu diesen schlechtesten Oberligisten zählte auch Schönheide, das in seiner Liga abgeschlagen den letzten Platz belegte.

    Auch wenn die Indians das bedeutungslose Spiel in Schönheide verloren: Die Fans machten trotzdem Stimmung.
    Auch wenn die Indians das bedeutungslose Spiel in Schönheide verloren: Die Fans machten trotzdem Stimmung. Foto: Jan-Mirco Linse

    Die meisten Fans, die an diesem Morgen auf den Bus warten, kennen sich untereinander schon und begrüßen sich herzlich. Fast alle tragen bereits ihr Fan-Outfit: Die Mitglieder des Fanclubs „Maustadt Clan“ haben einheitliche Jacken und Schals; andere haben sich schon Trikots, Mützen oder Pullis angezogen.

    Im Bus macht's mehr Spaß

    Noch ehe der Bus die Stadt verlassen hat, haben die ersten schon ein Bier in der Hand. Auf den Sitzplätzen haben sich kleine Gruppen gebildet – die größte sitzt ganz hinten im Bus auf ihrem Stammplatz: Die aktive Fanszene, deren Mitglieder untereinander befreundet zu sein scheinen. Die meisten von ihnen sind Anfang 20 bis Mitte 30. Vor allem hier wird gesungen, gelacht und sich unterhalten. Mittendrin ist Tobias. Der 23-Jährige hat in dieser Spielzeit bislang jedes Auswärtsspiel (und die meisten Heimauftritte) der Indians gesehen und fährt regelmäßig mit dem Fanbus. „Ich würde den Verein zwar so oder so unterstützen, aber mit der guten Stimmung im Bus macht das Ganze noch mehr Spaß“, sagt der Student und betont: „Jede Auswärtsfahrt ist Zeit, die ich mit meinen Freunden verbringen kann, die ich über Jahre beim Eishockey gewonnen habe.“

    Aber warum tut er sich das an? „Der Aufwand ist schon groß. Gerade solche Fahrten wie Schönheide dauern richtig lange und als Student tut es manchmal auch finanziell weh“, erzählt Tobias. „Aber ich will die Mannschaft anfeuern, bei guter Leistung mit ihr feiern und sie bei schlechten Spielen aufbauen. Da spielt es auch keine Rolle, ob das jetzt zuhause oder auswärts ist. Ich bin einfach ein riesen ECDC-Fan und es reicht mir nicht, irgendwann das Ergebnis zu lesen – ich will dabei sein.“ Für den Ausflug, während dem wir insgesamt über 14 Stunden im Bus verbringen, müssen meine „Leidensgenossen“ und ich jeweils 27 Euro berappen, Eintrittsgeld zum Spiel und Verpflegung noch nicht inbegriffen.

    Helge Pramschüfer führt den Verein seit 25 Jahren und sucht immer die Nähe zu den Fans.
    Helge Pramschüfer führt den Verein seit 25 Jahren und sucht immer die Nähe zu den Fans. Foto: Roland Schraut

    Der Aufwand ist schon groß. Gerade solche Fahrten wie Schönheide dauern richtig lange und als Student tut es manchmal auch finanziell weh. „Aber ich will die Mannschaft anfeuern, bei guter Leistung mit ihr feiern und sie bei schlechten Spielen aufbauen.ECDC-Fan Tobias (23)

    Mit Herzblut für den Verein

    Ich merke schnell, das jeder im Bus mit Herzblut für den Verein fiebert. Immer wieder wird im Bus über die Liga, den Modus, die Play-offs, die Aufstiegschancen der Indians oder den Kader diskutiert. Niemand hier stellt infrage, dass sich der Aufwand lohnt. Was das anstehende Spiel angeht, sind die Meinungen aber klar: Es geht um nichts mehr, viel wird gegen den eigentlich klassenhöheren Gegner nicht zu holen sein. Es drängt ich die Frage auf, warum die Fans trotz einer absehbaren Niederlage die weite Fahrt antreten. Die Anhänger antworten mit Unverständnis – es sei vollkommen egal, wie die Mannschaft spiele, es gehe nur darum, sie zu unterstützen. Tobias fasst es zusammen: „Egal, wie das Spiel ausgeht: Es lohnt sich immer.“

    Während der Fahrt werden im hinteren Teil des Busses immer wieder Gesänge angestimmt, die allerdings allesamt schnell wieder verstummen. Das liegt auch an der teils lauten Partymusik, die der Busfahrer inzwischen aufgelegt hat. Der wiederrum kennt seine Pappenheimer schon – viele Fans im Bus spricht er mit dem Vor- oder Spitznamen an. Die gesamte Fahrt über bieten er und sein Kollege, die sich beim Fahren abwechseln, Essen und Getränke an. So wird eine Kiste Bier nach der anderen geleert…

    Sogar der 1. Vorstand fährt mit den Fans

    Auch der ECDC-Vorsitzende Helge Pramschüfer hat sich ins Fanbus-Getümmel geworfen. Der 48-Jährige mischt sich unter die Anhänger und tauscht sich lange mit ihnen aus. „Diese überall hinreisenden Fans sind inzwischen fast zum Markenzeichen unseres Vereins geworden. Egal wie weit es ist – es sind immer mindestens 50 und sie machen auch auswärts immer richtig Stimmung. Bei Derbys in Landsberg oder Buchloe haben ja oft sogar mehrere Hundert Fans dabei.“ Dass die Anhänger sogar vor dem Weg nach Sachsen nicht zurückschrecken, macht den Indianer-Häuptling besonders stolz: „Das ist wirklich phänomenal: Selbst auf so langen Fahrten wie nach Schönheide, wo man fast den ganzen Tag unterwegs ist, sind die Jungs dabei.“

    Immer wieder legen wir auf der Fahrt Pausen ein, essen und trinken gemeinsam. Einmal hält unser Bus tatsächlich auf demselben Autobahnparkplatz, auf dem auch der Mannschaftsbus der Indians gerade Rast macht. Im Handumdrehen ist unser Gefährt wie leergefegt – alle Fans besuchen die Spieler, die ebenfalls bereits die meisten der Anhänger zu kennen scheinen. In der großen Mittagspause gibt es vom Busfahrer eine gigantische Ladung Wurstsalat, den er in mühevoller Arbeit eigens zubereitet hat – umsonst wohlgemerkt.

    Willkommen in Sachsen

    Noch liegen einige Kilometer vor uns. Der Weg bis nach Sachsen zieht sich, langsam macht sich die lange Fahrt bemerkbar. Zwischenzeitlich wird es im Bus immer ruhiger. Dann, endlich, nach fast sieben Stunden, erreichen wir Schönheide. Was als erstes auffällt: Im Erzgebirge hat es mehr Schnee als im Allgäu. Die letzten Meter Fahrt durch das eher trostlos wirkende Dorf (Schönheide hat nur gut 4.500 Einwohner) und wir stehen vor der Eishalle: Ein halbrunder, länglicher Wellblech-Komplex in der wenig ansprechenden Farbe Hellgrün. Ein, zwei Memminger sind inzwischen ganz schön angetrunken, doch der Großteil macht weiter einen normalen Eindruck.

    Das Spiel kann beginnen. Knapp 100 Memminger haben sich in der kalten Halle eingefunden: Zusätzlich zu den Fans aus dem Bus haben sich auch einige Privatfahrer nach Sachsen aufgemacht, außerdem unterstützen einige Verantwortliche, die die Fahrt im Mannschaftsbus verbracht haben, ihr Team auf den Rängen. Die Memminger geben mächtig Gas: Obwohl es in der Halle sehr kalt ist und „Maustadt Clan“ und Co. gegen rund 500 Schönheider ansingen müssen, halten sie die Stimmung mit ihren Anfeuerungen fast über das gesamte Spiel hinweg hoch.

    Friedliche Stimmung

    Und das obwohl die Leistung ihrer Indians auf dem Eis wenig Grund zum Freude bietet: Nach einem torlosen Anfangsdrittel gehen die Allgäuer schlussendlich mit 0:5 unter. Höhepunkt: Obwohl es während des Spiels auch Schmähgesänge gegen den jeweils anderen Klub zu hören gibt, besucht in einer Drittelpause ein Anpeitscher des Schönheider Fanblocks die Allgäuer. Er will einen Schal mit dem Indianer-Logo kaufen – es wird gemeinsam gelacht, Schal und Geld tauschen die Besitzer, es bleibt friedlich. Nach dem Spiel wünschen uns viele Sachsen einen guten Heimweg.

    Die doch recht deftige Niederlage tut der guten Laune der meisten Memminger keinen Abbruch – sie hatten sowieso nicht mit Zählbarem gerechnet. Was die Gemüter zudem wieder positiv stimmt: Durch die Ergebnisse des Spieltages steht fest, dass Memmingen in der ersten Play-off-Runde auf den HC Landsberg trifft. Derby-Fieber garantiert. Auf der Rückfahrt hat vor allem die aktive Fanszene weiter ihren Spaß. Weiter vorne im Bus kehrt schneller Ruhe ein, die Gespräche führen nun auch oft weit weg vom Eishockey.

    Denn gerade in diesem Teil des Busses sitzen nicht nur junge Anhänger. Auch Ältere haben die Mammut-Fahrt auf sich genommen, um den ECDC auswärts zu unterstützen. So auch Edwin Nägele und Karl-Heinz Steinwender, die schon seit Jahrzehnten zum Memminger Eishockey gehen – bereits beim ersten Memminger Verein, dem SC Memmingen, fieberten sie mit. In dieser Saison fuhren die beiden bislang jeweils vier Mal mit den größtenteils wesentlich jüngeren Schlachtenbummlern im Fanbus zu Auswärtsspielen. „Das ist einfach ein spannender Sport. Es ist schnell, rasant, und irgendwas ist immer los“, erklärt der 53-jäjhrige Steinwender.

    Auf die Frage, warum sich die beiden solche weiten Fahrten antun, antwortet Nägele (62), der im Vorruhestand ist: „Wir können uns jetzt die Zeit dafür nehmen – das ist eine neue Lebensphase. Ich genieße das sehr.“ Es sei eine Mischung aus Liebe zum Eishockey-Sport und Verbundenheit zum ECDC Memmingen, der die beiden auch zu den langen Fahrten treibt. Nägele fügt mit einem Augenzwinkern einen weiteren wichtigen Punkt hinzu: „Wenn ich dabei war, kann ich später mitreden.“ Auch wenn beide des Öfteren mit schwer angeschlagener Stimme von den Eishockey-Spielen zurückkommen, bereut haben sie die Ausflüge bislang nie.

    Jetzt geht’s um die Wurst – auf solche Spiele wie gegen Landsberg freue ich mich immer schon die ganze Woche. Ich kann es kaum erwarten.ECDC-Fan Karl-Heinz Steinwender (52)

    Das Besondere an Memmingen ist laut Steinwender, das man immer wieder Spieler oder andere Fans treffe und sich mit ihnen unterhalten könne: „Manche kennt man auch persönlich - da bist du einfach näher dran.“ So kurz vor dem Start der Play-offs, sind die beiden noch gespannter auf die nächsten Partien. „Jetzt geht’s um die Wurst – auf solche Spiele wie gegen Landsberg freue ich mich immer schon die ganze Woche. Ich kann es kaum erwarten“, sagt Steinwender. Er und Nägele sind sich einig: „Natürlich sind wir auch beim nächsten Mal wieder dabei.“

    Gegen 23 Uhr kehrt zunehmend Ruhe ein. Ein paar letzte „Nie mehr Bayernliga, nie mehr, nie mehr“-Gesänge verstummen schnell. Ein paar Unermüdliche trinken und feiern zwar noch, doch langsam nimmt die Müdigkeit überhand. Nachts um halb zwei kommen wir bei strömendem Regen zurück nach Memmingen. Der ECDC hat deutlich verloren, fast 18 Stunden waren die Allgäuer unterwegs. Doch sie sehen glücklich aus. Die Fans verabschieden sich. Die ersten Anmeldungen für die Busse nach Landsberg eine Woche später, stehen schon in den Blöcken.

    Info: Das dritte Spiel der Play-off-Serie gegen Landsberg steigt am Freitag, 3. März, um 20 Uhr in der Memminger Eisporthalle. Mit einem Sieg könnten die Indians den Halbfinal-Einzug und mit ihm den Oberliga-Aufstieg perfekt machen. Über 3.000 Zuschauer werden erwartet.

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