Um es gleich vorweg zu nehmen: Natürlich bekommt Kati Schmid noch schiefe Blicke, wenn sie darüber spricht, Pole Dance zu machen. "Wer sich nicht auskennt, zieht schon mal die Augenbraue hoch und fragt mich: 'Aber schon anständig, oder…?'", erzählt sie lachend im allgaeu.life-Interview. Geduldig verteidigt sie dann ihren Sport, der im Allgäu noch ziemlich unbekannt ist. "So weit ich weiß, ist mein Flexx Arts-Studio das einzige im Umkreis. Und nein, wir machen kein Tabledance." Bei ihrem Tanz bleiben die High-Heels aus und die Klamotten – zumindest das Nötigste – an.
Pole Dance Fitness ist eine Kombination aus Kraftsport und Tanz. "Wir trainieren jeden Muskel des Körpers, bauen Körperbeherrschung auf und verbrennen pro Trainingsstunde etwa 400 Kalorien", erklärt die Memmingerin. Nicht nur deshalb interessieren sich immer mehr Allgäuerinnen für den anspruchsvollen Mix aus künstlerischem Tanz und akrobatischen Elementen in der Luft. "Das Ziel bei der Akrobatik ist es, so wenige Körperteile wie möglich an der Stange zu haben. Das Ganze stammt ursprünglich aus der chinesischen Artistik", sagt Kati.

Doch wie kam sie auf die Idee, ausgerechnet im Allgäu ein solches Angebot zu schaffen? "Das erste Mal habe ich Pole Dance 2005 im australischen TV gesehen. Ich bin nach dem Abitur nach Sydney – dort war das schon eine Trendsportart." Schon immer sei sie von jeder Art von Tanz fasziniert gewesen, doch es dauerte bis zum Jahr 2013, ehe sie sich selbst zum ersten Mal an die Stange wagte. "In Ulm gab es ein ähnliches Angebot. Ich bin mit einer Freundin hin, die erste Stunde war katastrophal. Die Körperspannung, die man braucht, ist total anders als bei dem, was ich bisher gemacht hatte", sagt sie lachend.
Doch sie biss sich durch, schaffte es durch wöchentliches Training bis auf Level 3 und begann 2015 ihre Grundausbildung zum Pole Trainer. Weitere Ausbildungen und Workshops folgten, ehe sie im Januar 2017 im Memminger Gewerbegebiet Nord geeignete Räume für ihr "Flexx Arts"-Studio fand. Dort bietet sie neben ihren Pole Kursen (Level 1 bis 4) auch Pilates- und Flexx-Fit-Stunden an – unterstützt wird sie inzwischen von vier weiteren Trainerinnen.
Pole Instructor, Studiobesitzerin, Hüttenwirtin
Und auf die kommt nun bis September jede Menge Arbeit zu – denn für Chefin Kati gilt: Ich bin dann mal weg! Die 32-jährige Powerfrau ist seit 2016 auch Wirtin der "Memminger Hütte" in den Lechtaler Alpen in Tirol. In diesen Tagen geht's rauf, die Monate Juli und August verbringt sie komplett auf 2.242 Metern Höhe unterhalb des Seekogel-Gipfels.
Pole Instructor, Studiobesitzerin, Hüttenwirtin – ein Lebensweg, der alles andere als gewöhnlich ist und von dem Kati vor vier, fünf Jahren selbst nicht zu träumen wagte.
Denn die Memmingerin schloss ihr Studium in Freiburg mit einem Master ab, arbeitete dann als PR-Managerin bei Ehrmann in Oberschönegg im Unterallgäu. "Das war ein feiner Job in einem tollen Unternehmen – aber ich habe einfach festgestellt, dass es im Büro nichts für mich ist." Den Gedanken an ein Studio hatte sie schon weit davor, 2016 ergab sich zunächst die Möglichkeit auf der Hütte. "Es war eine Entscheidung für mich selbst, die keine große Überwindung gekostet hat", erzählt sie. Die junge Frau gab ihre sichere Arbeit in einer der größten Molkereien Deutschlands auf und schlug einen ungewöhnlichen Lebensweg ein.
"Ich bin heute noch stolz und schicke jeden Tag ein Stoßgebet in den Himmel, dass ich mich getraut habe. Die Hütte im Sommer und mein Studio im Winter, Frühjahr und Herbst – ich kann davon leben und mache etwas, das mich glücklich macht." Doch mit 32 Jahren soll ihr Weg natürlich noch nicht zu Ende sein. Kati schmiedet weiter Pläne – einer davon: Bald schon könnte sie ein weiteres "Flexx Arts"-Studio im Allgäu eröffnen, momentan hat sie dafür Kempten im Visier. Dann will sie noch mehr Mädels für Pole Dance begeistern.
Ich bin heute noch stolz und schicke jeden Tag ein Stoßgebet in den Himmel, dass ich mich getraut habe. Die Hütte im Sommer und mein Studio im Winter, Frühjahr und Herbst – ich kann davon leben und mache etwas, das mich glücklich macht.Kati Schmid (32)
Mehr Jungs an die Stange!
"Gerade bei jungen Frauen steigert der Sport ungemein das Selbstbewusstsein. Klar ist es am Anfang eine Überwindung. Aber wenn man nach zehn Stunden erste Erfolge sieht, Muskeln aufbaut und seinen Körper kennenlernt, ist es eine tolle Geschichte", sagt sie. Im Prinzip kann jeder zu ihr ins Training kommen – je jünger, desto leichter tut man sich natürlich in Sachen Flexibilität. "Aber in unserem Pole-Intro-Kurs bringen wir Anfängern aller Altersstufen erste Griffe, Spins und grundlegende Dinge bei", erklärt Kati. Ihre älteste Teilnehmerin derzeit ist 56 Jahre alt.
Und was ist mit Männern? "Ich würde gern mal einen Männerkurs machen", sagt sie wie aus der Pistole geschossen. Die Allgäuer wären da noch etwas zurückhaltend, in anderen Ländern sei dies schon anders. "Es gibt nationale und internationale Wettbewerbe für Jungs. Oder denkt an den Muscle Beach, wo die Kerle ihre Körper trainieren. Im Endeffekt ist es nichts anderes als Turnen an der Stange…"
Also Burschen, gebt Euch einen Ruck – ab September ist Kati wieder da. Bis dahin trainiert sie für sich selbst in luftiger Höhe in den Alpen. "Ich habe schon einen Fahnenmast zu einer Pole-Stange im Freien umfunktioniert", verrät sie lachend. Da dürfte mancher Wanderer diesen Sommer große Augen machen…
Jungs, wär' das nicht eine gelungene Weihnachtsüberraschung nächsten Dezember zuhause? - via GIPHY