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Ski alpin: Streif-Sieger Thomas Dreßen: „Kitzbühel ist einfach legendär“

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Streif-Sieger Thomas Dreßen: „Kitzbühel ist einfach legendär“

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    2018 gewann Thomas Dreßen das berühmt-berüchtigte Abfahrtsrennen in Kitzbühel. Inzwischen hat er seine Karriere beendet, wird am Wochenende aber in neuer Funktion vor Ort sein.
    2018 gewann Thomas Dreßen das berühmt-berüchtigte Abfahrtsrennen in Kitzbühel. Inzwischen hat er seine Karriere beendet, wird am Wochenende aber in neuer Funktion vor Ort sein. Foto: Giovanni Auletta, dpa

    Das legendäre Rennen auf der Streif in Kitzbühel steht an. Führt auch dort kein Weg am Schweizer Superstar Marco Odermatt vorbei?
    THOMAS DRESSEN: Ja. Noch hat er zwar ein bisschen Nachholbedarf in der Abfahrt, aber ich gehe stark davon aus, dass er da in Zukunft noch mindestens genauso erfolgreich sein wird wie in den anderen Disziplinen. Er ist die ganz klare Nummer eins, da gibt es überhaupt keine Diskussion. Vincent Kriechmayr war zuletzt dran, ist in Wengen aber gestürzt. Und natürlich ist es schade, dass Cyprien Sarrazin erst einmal ausfällt. Die beiden haben ordentlich Gas gegeben. Aber es ist eben kein Wunschkonzert.

    Die größte Konkurrenz bekam Odermatt mit Franjo von Allmen, Alexis Monney oder Justin Murrisier zuletzt ohnehin aus seiner eigenen Mannschaft… 
    DRESSEN: Man muss sagen, dass die Schweiz im Speedbereich der Männer ganz klar die Nummer eins ist. Die haben eine brutal starke Mannschaft. In den letzten fünf bis zehn Jahren haben sie ganz offensichtlich extrem viel richtig gemacht. Wenn man sich die erfolgreichen jungen Athleten anschaut, merkt man, dass die relativ lange Riesenslalom gefahren sind. Das hat man bei der ein oder anderen Nation ein bisschen verschlafen. Der Schwung im Riesenslalom ist aus meiner Sicht der schwierigste Schwung. Da muss einfach alles zusammenpassen. Für die Kurssetzung und die Radien musst du Dynamik mitbringen. Es ergibt keinen Sinn, dass jetzt jeder probiert, so wie Odermatt zu fahren. Den kannst du nicht kopieren. Aber es gibt halt gewisse Passagen, wo du die nötige Grundtechnik und das nötige Können mitbringen musst, um die Situationen dann auch zu lösen und trotzdem noch schnell zu sein. All das bringt Odermatt aus dem Riesenslalom mit. 

    Und man hatte immer das Gefühl, dass er im Speed-Bereich noch gar nicht an seinem Limit ist… 
    DRESSEN: Im Super-G ist er da schon recht nah dran, würde ich sagen. In der Abfahrt hat er noch Luft. Da fehlt ihm noch ein bisschen das Feingefühl für gewisse Schneearten. 

    Ein Sieg in Kitzbühel steht im alpinen Skirennsport noch über einem Olympiasieg. Sie haben dort 2018 gewonnen. Was macht dieses Rennen so besonders?
    DRESSEN: Letzten Endes muss jeder Athlet und jeder Zuschauer für sich selbst eine Rangliste der Wertigkeiten erstellen. Für mich ist Kitzbühel das wichtigste Rennen – nicht nur, weil ich da gewonnen habe. Das war schon vorher so. Ich bin mir sicher, dass das auch ein Aksel Lund Svindal oder ein Bode Miller so sehen. Die haben sonst alles gewonnen, außer eben in Kitzbühel. Das wurmt die natürlich. 

    Aber wieso hat dieses Rennen solch einen Ruf? 
    DRESSEN: Das hat viel mit der Historie zu tun. Natürlich gehört dieses ganze Schickimicki dazu, auch wenn ich damit nicht so viel anfangen kann. Aber Kitzbühel ist einfach legendär. Bormio ist für mich die brutalste Abfahrt. Kitzbühel ist für mich aber die schwerste, weil komplexeste. Du musst von oben weg erst einmal Vollgas Attacke gehen. Aber dann musst du umschalten und mit Gefühl fahren. Dann gibt es zwischendurch ein paar Passagen, die musst du sauber fahren. Und dann musst du wieder einfach nur riskieren. Kitzbühel ist für mich die Nummer eins, ein bisschen dahinter kommt Wengen. An diesen Orten schlägt das Herz des Skisports. Die Leute, die Stimmung. Wenn du da nicht angesteckt wirst, dann kann dir keiner mehr helfen. 

    Was halten Sie davon, dass die Organisatoren wieder zum klassischen Programm mit nur einer Abfahrt am Samstag zurückgekehrt sind? Zuvor hatte es am Kitzbühel-Wochenende gleich zwei Abfahrten gegeben. 
    DRESSEN: Ich bin ein Riesenfan davon. Meiner Meinung nach haben sie das Rennen dadurch entwertet, dass es gleich zweimal stattfand. Jetzt hast du wieder einmal im Jahr die Chance, da zu gewinnen. 

    Werden sie in diesem Jahr vor Ort sein? 
    DRESSEN: Ja, allerdings nicht im Zielbereich, sondern für den Deutschen Skiverband (DSV) in einer Art Trainer-Funktion. Wie das genau aussieht, werden wir noch besprechen. Sicher ist, dass ich an der Strecke bin, da kann ich genau schauen, was passiert. Skifahren ist meine Leidenschaft. Bei der WM in Saalbach-Hinterglemm bin ich ebenfalls für den DSV dabei. Wie es danach weitergeht, wird man sehen.

    Nach mehreren Stürzen führt der Skirennsport gerade mal wieder eine Sicherheitsdiskussion. Wie stehen Sie dazu?
    DRESSEN: Ich tue mir schwer, etwas über das Material zu sagen. Ich weiß, dass Odermatt oder auch Sarazin ein sehr aggressives Setup fahren. Aber das haben die auch schon vor ein paar Jahren so gemacht. Was man aber schon sagen muss: Bormio ist jedes Jahr aufs Neue so gefährlich. Es war auch schon vor zig Jahren so, dass sich da viele Fahrer verletzt haben. Ich sag nicht, dass Bormio ein Teppich sein soll. Aber aus meiner Sicht muss man sich schon überlegen, ob so eine Strecke nicht gewisse Veränderungen machen muss. In der Formel 1 beispielsweise gibt es gewisse Sicherheitsbestimmungen, die jede Strecke erfüllen muss. Wenn sie die nicht erfüllt, fliegt sie aus dem Kalender. Ein Veranstalter muss es schaffen, die Strecke von oben bis unten zumindest annähernd gleich zu präparieren. Klar ist, dass du als Athlet und als Servicemann immer auf die Verhältnisse vor Ort reagierst. Wenn es nur schlagig und eisig und extrem ist, dann ist doch klar, dass du ein aggressives Setup fahren musst. Wie willst du denn sonst eine Kurve fahren? Es ist ja nicht neu, dass es Athleten, Serviceleute und Skifirmen auf die Spitze treiben wollen. Das war schon immer so. Aber es gibt Themen, wo man das leicht ein bisschen einbremsen könnte. 

    Was meinen Sie damit? 
    DRESSEN: Beispielsweise ein dickerer Rennanzug. Warum machen wir nicht einen Einheitsrennanzug aus dickerem Material in verschiedenen Größen. Da sind dann fixe Polster drin und jeder kann ihn mit seinen Sponsoren bedrucken. Polster machen einen Riesenunterschied bei der Aerodynamik, das haben wir im Windkanal getestet. Das merkst du speziell bei höheren Geschwindigkeiten. Trotzdem bleibt die Abfahrt eine Risikosportart, für mich ein Extremsport. Wenn du schnell sein willst, musst du dich am oder über dem Limit bewegen. Da ist es vorprogrammiert, dass Fehler passieren. Wir müssen den Sport aber so entwickeln, dass Fehler nicht gleich zu schweren Verletzungen oder gar zum Ende von Karrieren führen.

    Was halten Sie von der Airbag-Pflicht? 
    DRESSEN: Also ich bin mit Airbag gefahren. Aber von einer Airbagpflicht bin ich persönlich kein Fan. Da fände ich einen dickeren Rennazug sinnvoller. Damit schränkst du keinen Athleten in seiner Bewegungsfreiheit ein. Das ist ja der Kritikpunkt am Airbag. Allerdings kannst du den mittlerweile auf dich anpassen lassen, dementsprechend lasse ich die Ausrede, dass sich jemand eingeengt fühlt, nicht gelten. 

    Momentan sorgt Lindsey Vonn mit ihrem Comeback (mit einer Teilprothese im Knie) für Schlagzeilen. Wäre das auch was für Sie? 
    DRESSEN: (lacht) Ich werde kein Comeback machen. Das Problem ist, dass es bei mir ja nicht nur das Knie ist. Ich bräuchte auch noch eine neue Hüfte und eine neue Schulter. 

    Aber was halten Sie grundsätzlich von diesen Comebacks? 
    DRESSEN: Das muss ja jeder selber wissen. Keine Verletzung ist gleich. Das kannst du nicht vergleichen. Der eine Körper kommt ein bisschen besser mit Verletzungen klar als ein anderer. Was ich auf jeden Fall sagen kann: Meine Hüfte ist deutlich besser, als sie es während der Karriere war. Das liegt natürlich daran, dass die extremen Belastungen nicht mehr da sind. Ich könnte es mir nicht vorstellen, mit einem künstlichen Knie nochmal Rennen zu fahren.

    Aber für den alpinen Skirennsport waren die Comebacks von Vonn und auch das von Marcel Hirscher beste Werbung. 
    DRESSEN: Ja, hundertprozentig. Und skitechnisch gefällt mir die Lindsey jetzt besser, als früher. Weil sie jetzt wieder schmerzfrei fahren kann. Dann ist das doch okay. Die fährt ja Megazeiten. Die Ausfälle, die sie zuletzt hatte, waren Flüchtigkeitsfehler. Ich bin mir sicher, wenn die jetzt diese Saison komplett fertig wird, wird sie spätestens nächste Saison wieder Rennen gewinnen.

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