Die beiden Freunde Karl Geiger und Markus Eisenbichler haben vor dem dritten Akt der Vierschanzentournee die Rollen getauscht: Durch seinen starken zweiten Platz beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen und das gleichzeitige Schwächeln vom bisherigen deutschen Top-Favoriten Karl Geiger ist nun plötzlich Eisenbichler der größte deutsche Hoffnungsträger auf den ersten Gesamtsieg bei der Tournee seit 20 Jahren.
Der Rückstand auf den überragenden Japaner Ryoyu Kobayashi an der Spitze ist allerdings schon groß. Eine Bestandsaufnahme zur Halbzeit des Schanzen-Spektakels:

- Der neue Hoffnungsträger: Eisenbichler findet nach einem Formtief immer mehr zurück zu alter Stärke und überzeugte in Garmisch-Partenkirchen mit zwei außergewöhnlich weiten Sprüngen. Dass er in der Gesamtwertung nun als Vierter der beste Deutsche ist und die größten Chancen hat, interessiert den 30-Jährigen nach eigenen Angaben nicht. Die Gesamtwertung sei ihm "immer noch extrem wurscht", sagte Eisenbichler. "Ich schaue, dass ich gut weiterarbeite."
Kumpel Geiger drückt Eisenbichler nun die Daumen. "Ich hoffe, dass er ihn noch ärgert und wir uns das Ding doch noch holen können", sagte der Oberstdorfer mit Bezug auf Eisenbichler als Kobayashi-Verfolger und den goldenen Adler für den Tournee-Gesamtsieg. Eisenbichlers Rückstand auf Kobayashi beträgt vor dem dritten Wettkampf in Innsbruck umgerechnet knapp zwölf Meter. - Der Enttäuschte: Mit seiner eigenen Leistung war Geiger überhaupt nicht zufrieden. Der 28-Jährige war in Topform und als Führender im Gesamtweltcup zur Tournee gereist. Einem fünften Platz in seiner Allgäuer Heimat zum Auftakt folgte nun nur Rang sieben auf der Großen Olympiaschanze. "Es sind mehrere Sachen zusammengekommen", sagte er. "Dass es bei der Tournee wieder passiert, ist echt zum Kotzen."
Eisenbichler zeigte sich am Sonntag zuversichtlich, dass sich sein Teamkollege und Freund Geiger bei der Vierschanzentournee schnell wieder steigert. "Ihm geht es wieder gut. Er hat schon sehr viele Rückschläge in seiner Karriere bisher gehabt, er lässt sich da nicht unterkriegen. Das ist menschlich, sich kurz zu ärgern. Es geht ihm gut, macht euch keine Sorgen", sagte Eisenbichler am Sonntagmorgen. "Wir haben kurz über den Tag geredet, wie es war. Er hat es nüchtern eingeordnet. Er hat gesagt, er hat schlechte Bedingungen gehabt und auch nicht die Granaten gemacht, die er dann gebraucht hätte", so Eisenbichler weiter.
- Der Überragende: Für Kobayashi könnte es derzeit kaum besser laufen. Er springt von Sieg zu Sieg und hat dabei auch das Glück auf seiner Seite. Nur elf Zentimeter lag er am Samstag vor Eisenbichler. Der Japaner, der sich auch das Gelbe Trikot für den Ersten im Gesamtweltcup sicherte, macht auf der Schanze und in der Luft kaum etwas falsch.
"Ryoyu ist extrem stabil", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. "Er ist absolut der beste Springer momentan." Der Österreicher in Diensten des Deutschen Skiverbands hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben. "Im Skispringen ist alles möglich. Auch der beste Skispringer macht vielleicht mal einen Fehler. Dann müssen wir dastehen, wenn er einen Fehler macht."
Am Sonntag legt die Vierschanzentournee vor dem dritten Wettkampf am Bergisel in Innsbruck einen Ruhetag ein. Am Dienstag (14 Uhr) steht das wegweisende dritte Springen an, am Montag gibt es im WM-Stadion von 2019 bereits die Qualifikation. Alle Infos zur Vierschanzentournee 2021(2022 gibt es hier. Wann und wo die Springen im TV und im Stream gezeigt werden, lesen Sie zudem hier.