Tierquälerei - ein Vorwurf, den der Reitsport nie gerne hört, nach den Szenen am Fünfkampf bei Olympia aber wohl noch weniger. Nun hat RTL eigenen Angaben nach bei Ludger Beerbaum die verbotene Trainingsmethode des Barrens aufgedeckt - was der Springreiter energisch zurückweist: „Der Beitrag von RTL extra ist in vielen Punkten nachweislich falsch, verleumderisch und ehrverletzend“, betone er und kündigte rechtliche Schritte an. Beerbaum betonte, es handle sich um eine erlaubte Methode, das sogenannte "Touchieren". (Seine ausführliche Stellungnahme lesen Sie hier.)
"Barren" und "Touchieren": Was ist der Unterschied?
Wo liegen die Unterschiede und wie sind die Methoden für Laien einzuschätzen?
Ludger Beerbaum - das ist ein Name, den sogar Nicht-Reiter schon einmal gehört haben dürften. In den 90ern feierte er große Erfolge bei Olympia, sowohl in der Mannschaft als auch im Einzel. Bekannter ist Laien vielleicht nur Paul Schockemöhle - nicht nur wegen seiner Erfolge, sondern weil 1990 bekannt wurde, dass er das "Barren" bei seinen Pferden anwendete. Die Folge: Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) verbot das Barren auf Turnieren und im Training, auch im Tierschutzgesetz ist das Verbot verankert.
Worum geht es beim Barren? Berührt ein Pferd im Spring-Parcours eine Stange und fällt diese möglicherweise sogar, gibt es Abzüge. Idealerweise springt das Pferd also etwas höher als nötig und riskiert keinen Abwurf.
Das Ziel des Barrens ist, dass das Pferd die Füße über dem Sprung besser hebt
Hier kommt das Barren ins Spiel: Hebt das Pferd die Füße nicht wie gewünscht, stehen eine oder zwei Personen neben den Springständern, die die Stange im passenden Moment nach oben heben, sodass die Stange gegen das Pferd schlägt. Ziel soll sein, dass das Pferd beim nächsten Sprung die Beine mehr anzieht.
Die Kritik am Barren: Häufig werden dabei dem Pferd Schmerzen zugefügt, es bekommt Angst. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bezeichnet das Barren als "tierschutzwidrige Methode, die zu erheblichen Schmerzen führt". Zudem ist die Menschheit auch hier "kreativ" geworden: Neben normalen Stangen sollen im Springsport teils auch mit Nägeln oder Noppen gespickte Stangen verwendet worden sein.
Im Gegensatz zum Barren, das verboten ist, ist das sogenannte Touchieren erlaubt. Diese Methode will Beerbaum im diskutierten RTL-Video angewandt haben. Dabei berührt ("touchiert") eine Person das Pferd während des Sprungs mit einer leichten Holzstange, die bestimmte Kriterien erfüllen muss: nicht länger als drei Meter, nicht schwerer als zweiKilogramm. Die Person muss ein Fachmann oder eine Fachfrau sein. Das sei im Video der Fall, betont Beerbaum.
Ist "Touchieren" im Reitsport erlaubt?
Die Problematik: Auf dem Papier ist das alles geregelt. Barren verboten, touchieren erlaubt. In der Praxis ist der Übergang zwischen den Praktiken allerdings fließend. Wo hört touchieren auf, wo fängt schlagen an? Außerdem kommt hinzu, dass auch das Wort Tierschutz letztlich von jedem Menschen unterschiedlich ausgelegt wird. Es gibt zahlreiche Methoden im Reitsport, die dem "Touchieren" ähneln: zwar erlaubt, aber dennoch immer wieder in der Kritik. Beispiele sind die Rollkur oder das "Fencing" im Reiningsport. Sie sind nicht verboten, je nachdem, wo man aber den eigenen Gradmesser "Tierschutz" ansetzt, sind sie inakzeptabel.
Auch im Fall "Beerbaum" wird sich zeigen, wie die FN - und gegebenenfalls ein Gericht - die Video-Aufnahmen bewertet: Ist das schon Barren oder noch Touchieren? Ist das schon Tierquälerei oder noch im Rahmen? Falls dieser Artikel Sie jetzt unbefriedigt zurücklässt, weil es keine eindeutige Antwort gibt - willkommen im Reitsport.
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