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Wenn Männer verrückte Ideen haben...

Mit Alpin-Ski auf der Schanze

Wenn Männer verrückte Ideen haben...

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    Die „wilde Kerle“ (von links) Bori Kössel, Ralph Schmid, Florian Schöll und Peter Mül ler am Ort ihrer Jugendsünde – mit den AlpinSki, mit denen sie 1988 von der Flug schanze gesprungen sind.
    Die „wilde Kerle“ (von links) Bori Kössel, Ralph Schmid, Florian Schöll und Peter Mül ler am Ort ihrer Jugendsünde – mit den AlpinSki, mit denen sie 1988 von der Flug schanze gesprungen sind. Foto: Ralf Lienert

    Im Anfang war die Idee. Nicht mehr als eine Schnapsidee, wenn der Funken aber überspringt, gibt es kein Halten mehr. Sich auf Alpin-Ski eine Skiflug-Schanze hinunterzustürzen: Am 11. März 1988 setzten sieben Oberallgäuer diesen wahnwitzigen Geistesblitz um. Exakt 30 Jahre später kehrten die „wilden Kerle“ nun zum Wochenende der Skiflug-WM in Oberstdorf zurück an den Ort ihrer wohl größten Jugendsünde.

    Ein T-Shirt erinnert an ihre waghalsige Aktion - mit Abfahrtski die Flugschanze bezwingen
    Ein T-Shirt erinnert an ihre waghalsige Aktion - mit Abfahrtski die Flugschanze bezwingen Foto: Ralf Lienert

    Die Chronologie einer unfassbaren Geschichte

    Peter Müller, Ralf Schmid, Bori Kössel, Florian Schöll, Christian Tannheimer, Walter Renn und Robert Berktold arbeiten schon in den 1980er Jahren für das Tretkommando an den Oberstdorfer Schanzen. Allesamt sind sie echte Alpin-Asse unter Trainer Alois Rünzle, der die Wurzel der verrückten Idee ist.

    „Alois war bei der Eröffnung damals der erste Mensch, der auf Alpin-Ski eine Schanze runter ist“, erinnert Müller. „Das hat uns imponiert und gleichzeitig wollten wir zeigen, dass wir es auch können.“ Also warten die Jungs – damals alle zwischen 20 und 30 Jahre – ausgerechnet auf den ersten Probetag der Skiflug-WM 1988 in Oberstdorf. „Niemand wusste davon, wir mussten richtig Gas geben“, sagt Ralph Schmid und Müller ergänzt: „Wir haben als Vorwand gesagt, dass wir am Schanzentisch etwas präparieren müssen.“

    Ich musste da durch. Außer mir sind ja alle schon in irgendeiner Form mal irgendwo gesprungen.Bori Kössel

    Es bleibt nur ein kleines Zeitfenster von 15 Minuten, ehe der Trainingsbetrieb weitergeht. Ohne Vorbereitung, ohne fachkundiges Vorwissen geht es auf den Turm. Allein der damals 24-jährige Andreas Bauer, heute Bundestrainer der Frauen-Nationalmannschaft, rät den „Glorreichen Sieben“, „immer mit dem Schwerpunkt vorne zu bleiben, weil wir sonst in Rücklage geraten und stürzen würden“, erinnert sich Kössel.

    „Die Hosen g’herig voll“

    Im Lift gibt es kein Zurück mehr. „Ich musste da durch. Außer mir sind ja alle schon in irgendeiner Form mal irgendwo gesprungen“, gesteht Kössel. Und der heute 57-Jährige ergänzt: „Es entwickelt sich eine Gruppendynamik, da wächst der Druck. Außerdem wollte ich mir als einziger Städtler vor den sechs Oberstdorfern keine Blöße geben.“ Oben angekommen, hat jeder freilich auf seine Art mit Nervosität zu kämpfen. Kössel hat „die Hosen g’herig voll“, Müller will „am liebsten noch eine Halbe exen“, den Anfang aber macht Schmid – Jahre später wohlgemerkt Fis-Rennleiter.

    Schmid, heute Skisprung-Nachwuchs-Trainer beim SC Oberstdorf, landet etwa bei 60 Metern – ähnliche Distanzen legen danach auch seine Mitstreiter hin. Zuallererst steht aber die gesunde Landung im Vordergrund. „Wir hatten die Sache im Griff. So hirnrissig war es gar nicht“, sagt Kössel, der das Treffen 30 Jahre später übrigens auch initiiert hat. „Wir waren damals auf den Brettern richtig gut drauf. Das mussten wir auch sein, sonst wäre die Aktion undenkbar gewesen.“

    Ärger hat es für Schöll, Renn und Co. übrigens nicht gegeben. Immerhin soll es ja sogar heutige Präsidenten von Eissportclubs unterm Nebelhorn geben, die ebenfalls in den 80ern auf Hörnerschlitten die Schanze runtergefahren sind … „Ach, wir haben sogar noch Wilderes gemacht. Aber das war sicher ganz speziell“, sagt Müller beim Klassentreffen der besonderen Art.

    So ganz lässt die wohl verrückteste Jugendsünde die „wilden Kerle“ aber merklich nicht los. „Heute ist die Schanze nach dem Neubau sogar seniorengerechter. Mir sollten wieder ra jucke“, sagt Müller, während er Kössl einen Ellbogenstoß in die Rippen verpasst. „Hör’ mir auf“, sagt dieser. „Ich bin froh, wenn die Knochen heute halten. Außerdem hat sich unser Hirn entwickelt.“

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