Schreie von Verletzten sind zu hören, ein Feuerwehrler hält die Hand einer eingeklemmten Frau, sie wimmert leise. Zwei Autos, ein Sprinter und ein Traktor mit Anhänger liegen verkeilt und unter einem Baum begraben auf der Staatsstraße bei Scheidegg. Eine Massenkarambolage ist Ausgangspunkt einer großangelegten Katastrophenschutzübung, die sich am Freitagabend im Landkreis Lindau abgespielt hat.
Und dabei geht es nicht nur um einen Unfall. In Schüttentobel, 22 Kilometer von Scheidegg entfernt, bricht fast gleichzeitig ein Großbrand aus. „Wir haben einige Herausforderungen eingebaut, die die Einsatzkräfte abarbeiten müssen“, sagt Kreisbrandrat Wolfgang Endres. Mehr als 500 Einsatzkräfte von Feuerwehr, BRK, Technischem Hilfswerk und Polizei sind teils stundenlang beschäftigt. Ein Überblick.
Katastrophenschutzübung im Landkreis Lindau: Die Szenarien
Angenommen wird ein schwerer Unfall in Scheidegg an der Grenze zu Vorarlberg. Die Staatsstraße ist dort gesperrt. Zwei Pkw, ein Sprinter und ein Traktor mit Anhänger sind involviert. Die Fahrzeuge sind verkeilt, ein Baum umgestürzt. Acht Verletzte sind zu beklagen, dazu eine verletzte Kuh. Als die ersten Helfer der Feuerwehr Scheidegg anrücken, gellen Hilfeschreie durch die einbrechende Dunkelheit.
Als zusätzliche Erschwernis läuft Treibstoff aus großen Tanks, die der Sprinter auf einem Anhänger dabei hat. Über die Straße fließt Diesel in den nahen Bach. Priorität hat aber die Rettung der Verletzten. Mit Spreizern und Rettungsscheren holen die Feuerwehrler die ersten Menschen aus den Fahrzeugwracks. Feuerwehren werden nachalarmiert.
Immer wieder tauchen Gaffer mit Handys auf. Die Feuerwehrler müssen sie davon abhalten, Fotos zu machen.
Aktuelle Bilder von der großen Katastrophenschutzübung im Landkreis Lindau

Große Übung beim Sägewerk Poschenrieder in Schüttentobel
Kurz später wird ein zweites Großschadensereignis beim Sägewerk Poschenrieder in Schüttentobel (Gemeinde Grünenbach) simuliert. Dort wird ein Brand in einer Halle angenommen. Er weitet sich zur höchsten Kategorie B 6 aus. Zwei Drehleitern aus Weitnau und Weiler sind mit im Einsatz. Es gibt drei Verletzte. Durch Funkenflug entsteht auch ein Waldbrand. Den entdecken im Übungsszenario die Piloten eines Rettungshubschraubers. Wegen der starken Rauchentwicklung muss das benachbarte Seniorenheim evakuiert werden.
An beiden Orten rückt ein Großaufgebot an Helfern aus. Nach und nach rücken Einheiten der Feuerwehr, des Roten Kreuzes, des THW und der Polizei an. Alarmiert werden mehr als 500 Helfer, die mit Dutzenden Fahrzeugen anrücken. Sie kommen nicht nur aus dem Landkreis Lindau. Eingebunden sind auch die Feuerwehr aus der Vorarlberger Grenzgemeinde Möggers und die Rettungsleitstellen Feldkirch und Bodensee/Oberschwaben. Rettungswagen aus Vorarlberg und Baden-Württemberg rücken an. „Die grenzübergreifende Zusammenarbeit ist uns wichtig“, sagt Endres.
Nach 50 Minuten sind in Scheidegg alle Verletzten aus den Wracks befreit und befinden sich an einer Sammelstelle. Jeder hat einen Zettel mit Angaben zur Verletzung um den Hals. Die Verletzten werden nicht nur vor Ort versorgt, sondern anschließend in die frühere Rotkreuzklinik nach Lindenberg gebracht.
Während für die Feuerwehrler in Scheidegg der schwierigste Teil ihrer Arbeit nach gut 90 Minuten beendet ist, beginnt sie für die Rettungshundestaffel des BRH erst. Fünf Teams müssen unterstützt von der Feuerwehr nach einer Gruppe Jugendlicher suchen, die in den Unfall verwickelt war und jetzt hilflos in der Dunkelheit im Wald herumirrt. In dem Bereich gibt es auch kein Handynetz.
Landkreis Lindau: Große Katastrophenschutzübung alle sechs Jahre
Vor Ort ist neben den Spitzen der Blaulichtorganisationen auch Landrat Elmar Stegmann. Er müsste im Ernstfall entscheiden, ob Katastrophenalarm ausgelöst wird. Geschehen ist das in den vergangenen 25 Jahren im Landkreis Lindau nur während der Corona-Pandemie. Beim dramatischen Bodensee-Hochwasser 1999, als die Lindau Insel fast überflutet worden wäre, gab es Überlegungen dazu.
Die Warnapp wird bei der Übung nicht aktiviert. Im Ernstfall wäre das nach Auskunft des Landratsamtes bei einem solchen Szenario aber der Fall.
Ziel der Vollübung war vor allem das Zusammenspiel der Hilfsorganisationen zu trainieren. „Wir sind ein kleiner Landkreis, haben kurze Wege und die Einsatzkräfte kennen sich. Das macht sich bezahlt. Aber auch über die Landkreis- und Ländergrenzen hinweg verläuft die Zusammenarbeit reibungslos. Der heutige Abend hat eindrucksvoll gezeigt, wie gut wir im Landkreis Lindau zusammenarbeiten – verlässlich, ruhig und mit Blick auf die Menschen,“ zieht Stegmann das Fazit.
Gegen 21.15 Uhr endet die Übung. Sie soll in den nächsten Tagen intensiv nachgearbeitet und möglicher Verbesserungspotenziale geprüft werden, kündigt das Landratsamt an. Denn an der Übung teilgenommen haben auch Beobachter, die nun ihre Einschätzung abgeben
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