Die Kliniklandschaft im westlichen Teil des Allgäus steht vor einem Umbruch. Ein Gutachten empfiehlt den Neubau eines Krankenhauses, das drei kleinere ersetzen soll. Abdecken würde es den Landkreis Lindau und Teile des benachbarten Oberschwaben, ein Raum mit gut 120.000 Einwohnern.
Als Standort ist der Raum Hergatz (Westallgäu) im Gespräch. „Sie nehmen eine Vorreiterrolle ein“, sagte Dr. Alexander Schmid, Geschäftsführer des beauftragten Unternehmens 2perspectives GmbH, bei der Präsentation des Gutachtens im Lindauer Kreistag. Er rechnet mit der Konzentrationen von Klinikstandorten auch in anderen Regionen. Nachfolgend ein Überblick.
Wird im Westallgäu eine neue Klinik gebaut? Alle Infos zu den Plänen
- Das ist Hintergrund des Gutachtens: Der Anlass waren Pläne der Schwesternschaft München, ihre Rotkreuzklinik in Lindenberg durch einen Neubau zu ersetzen. Fast gleichzeitig plante die Oberschwabenklinik (OSK) einen Klinikneubau im zwölf Kilometer entfernten Wangen. Deshalb kam eine gemeinsame Klinik an zentraler Stelle ins Gespräch. An der Idee wird auch nach der Insolvenz der Rotkreuzklinik in Lindenberg festgehalten. Eingebunden in die Überlegungen ist die Asklepiosklinik Lindau. Die 25.000-Einwohner-Stadt liegt jeweils 25 Kilometer von Wangen und Lindenberg entfernt. Die drei Kliniken haben laut Schmid 2023 ein Minus von 14 Millionen Euro verbucht.
- Warum wäre der Raum Hergatz ein guter Standort? Das liegt vor allem an der Lage. Hergatz befindet sich quasi vor den Toren von Wangen. Nach Lindenberg sind es acht Kilometer, nach Lindau 18. Einen konkreten Platz im Bereich Hergatz nennt das Gutachten nicht. „Wo die Klinik genau hinkommt, ist ihre Diskussion“, sagte Schmid zu den Lindauer Kreisräten.
- Wie soll die neue Klinik aussehen? Die Klinik soll das Angebot der drei Krankenhäuser im Bereich der Grund- und Regelversorgung mit Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie und Innerer Medizin bündeln. Ausbauen würden die Gutachter die Altersmedizin und die Notfallversorgung. Das gilt für die Behandlung von Schlaganfall- und Herzinfarktpatienten. Als Größe empfehlen die Gutachter ein Haus mit 258 bis 288 Betten, sieben OP-Sälen sowie sechs bis zehn Intensivbetten. Das wären 224 Betten weniger als die drei Häuser zusammen haben. Schmid sprach von einem „Haus, das sich von der Größe her noch gut betreiben lässt“.
- Lässt sich die neue Klinik wirtschaftlich betreiben? Ja, sagen die Gutachter. Sie rechnen mit einem jährlichen Überschuss in Höhe von mehr als 600.000 Euro, Abschreibungen für Investitionen bereits abgezogen. Ein Grund sind neben den niedrigeren Gebäudekosten die Ausgaben fürs Personal. Die Klinik würde 600 Mitarbeiter benötigen. Die drei Häuser haben 800, darunter viele Leihkräfte.
- Was empfehlen die Gutachter für die drei bisherigen Klinikstandorten? Dort sollen ambulante Angebote ausgebaut werden. Das könnte in Form Medizinischer Versorgungszentren geschehen. Gedacht sind sie auch als Anlaufstelle für Notfälle.
- Was sagen die Kreisräte zu dem Gutachten? Die ersten Reaktionen sind positiv. Landrat Elmar Stegmann sprach von einer „realistischen und fundierten Grundlage, um die stationäre und ambulante Versorgung zu verbessern". Es werde Veränderungen im stationären Angebot brauchen, so Stegmann weiter. Er verwies dabei unter anderem auf die wirtschaftliche Lage. CSU-Fraktionssprecher Uli Pfanner forderte, „zügig an einem Konzept weiterzuarbeiten“.
- Welche Hürden gibt es bis zum Bau einer gemeinsamen Klinik? Eine ganze Reihe. Das Gutachten ist erst der Anfang. Sowohl die Träger als auch die Landkreise müssen einer gemeinsamen Klinik zustimmen. Unklar ist, wer welche Rolle in dem Konstrukt spielen wird. Zudem müssten sowohl der Freistaat Bayern als auch das Land Baden-Württemberg ihre Gesetze zur Krankenhausfinanzierung ändern. In der Vergangenheit hatten alle Beteiligten zwar den Willen zur Zusammenarbeit bekräftigt. Allerdings war da auch noch kein Standort im Spiel. Wichtig wird nicht zuletzt sein, wie sich die Kommunalpolitik in Wangen und Oberschwaben zu einem Standort im Raum Hergatz stellt. Gutachter Schmid sprach zumindest von „positiven Signalen“ zur Zusammenarbeit, die er aus den Gesprächen mitgenommen habe. Im Kreistag Ravensburg ist das Gutachten noch nicht vorgestellt worden. Das Gremium hat seine nächste Sitzung am 19. November.
- Warum wird in Wangen weiter investiert In acht Jahren könnte nach Ansicht der Gutachter eine neue Klinik stehen. Um den Betrieb bis dahin aufrecht erhalten zu können, kommt die OSK nach eigener Darstellung nicht um Investitionen in ihre Klinik in Wangen herum. Die Rede ist von 30 Millionen Euro, die nötig sind, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Dabei geht es unter anderem um OP-Säle, Brandschutz und die Bausubstanz.