Es ist noch gar nicht so lange her, da galt Venezuelas Machthaber Nicolas Maduro als der größte Bösewicht Lateinamerikas. Schwerste Menschenrechtsverletzungen, Vorwürfe des Wahlbetrugs und sechs Millionen Flüchtlinge, die vor dem sozialistischen Regime geflohen sind, machten den Nachfolger von Revolutionsführer Hugo Chavez zur unerwünschten Person im Westen. Doch seit ein paar Monaten sind die Karten neu gemischt: Weil

, entschied sich der „Westen“ zu einem radikalen Schritt: Ölembargo gegen Russland und schrittweiser Ausstieg aus der Gasabhängigkeit Moskaus. Und plötzlich ist Öllieferant Maduro wieder interessant für die USA wie für Europa.
Auch Venezuela kann Öl und Gas produzieren
Selbst Delegationen aus Washington haben mit der Regierung in Caracas Gespräche aufgenommen, obwohl die US-Regierung Maduro offiziell gar nicht anerkennt. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ließ am Rande des G7-Gipfels mit Blick auf den Iran und Venezuela wissen, „es gibt auch anderswo Ressourcen, die erkundet werden müssen.“ Die Antwort aus Venezuela ließ nicht lange auf sich warten: „Präsident Macron, Venezuela ist bereit, alle französischen Firmen zu empfangen, die kommen wollen, um Öl und Gas für den europäischen Markt und den Weltmarkt zu produzieren“, sagte Maduro.
Der große Gewinner des russischen Angriffs auf die Ukraine ist also ausgerechnet jener Machthaber, der sich von Anfang an hinter Wladimir Putin stellte. „Maduro ist aufgrund der neuen geopolitischen Situation sogar in einer besseren Position denn je“, sagt Politikwissenschafts-Professor Wladimir Rouvinski von der kolumbianischen Universität Icesi aus Cali.
Deutschland will mehr Kohle aus Kolumbien importieren
Spannend ist auch der Umgang mit einem anderen Energie-Exportland. In Kolumbien wird es am 7. August einen historischen Machtwechsel geben. Dann wird das Land erstmals von einem Sozialisten regiert: Gustavo Petro hatte Mitte Juni gemeinsam mit Vizepräsidentin Francia Marquez einen historischen Wahlsieg eingefahren und einen Kurswechsel angekündigt: Kolumbien wolle damit beginnen seine Wirtschaft und Industrie zu dekarbonisieren. So steht im Wahlprogramm des siegreichen Linksbündnisses „Patco Historico“. Doch nun komm t aus der Ampel-Koalition in Berlin die Anfrage, ob Kolumbien bereit sei noch mehr Kohle als bisher zu liefern. Deutschland hat im vergangenen Jahr 2,28 Millionen Tonnen Steinkohle aus Kolumbien importiert, das entsprach laut Statistischem Bundesamt etwa 5,5 Prozent der Steinkohleimporte. „Vor dem Hintergrund des Importverbots für russische Steinkohle als Teil des fünften Sanktionspakets verhandeln die deutschen Kohleimporteure gegenwärtig über neue Lieferquellen“, heißt es dazu auf Anfrage aus dem Berliner Wirtschaftsministerium.
Der Kohlebergbau stellt die neue Regierung in Kolumbien vor schwierige Herausforderungen
Allerdings hatten in den letzten Jahren Umweltschutzorganisationen in Kolumbien und Deutschland immer wieder auf soziale und ökologische Folgen des Kohlebergbaus in Kolumbien hingewiesen. Es gibt Berichte über gravierende Umweltbelastung durch Kohlestaub beim Transport zur Küste sowie die Zerstörung von Landschaft und Flüssen, zudem fällt für die Region rund um die größte Kohlemine „El Cerrejón“, von den lokalen Einwohner „Das Monster“ genannt, zu wenig ab: „In La Guajira gibt s die größte Kohlemine in Kolumbien und in diesem Department sterben Jungen und Mädchen an Hunger. Das soll Entwicklung sein?“, fragte die künftige Vizepräsidentin Marquez vor ein paar Wochen im Wahlkampf.
wird also aus Berlin vor ein ethisches Dilemma gestellt, aus dem es kaum einen Ausweg gibt: Mehr Kohle fördern, nach Deutschland liefern, damit die eigenen ökologischen Ziele erst einmal verschieben und die Umweltschützer zu enttäuschen oder auf die Zusatzeinnahmen verzichten, was sich das arme Land aber eigentlich nicht leisten kann.

Stellt der Westen die Energieversorgung über Menschenrechte und Umweltschutz?
In Venezuela fühlt sich der vom Westen seit Jahren unterstützte Oppositionsführer und selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaido mehr und mehr im Stich gelassen. Sowohl die US-Regierung als auch Europa gehen mit Blick auf das venezolanische Öl mehr und mehr auf seinen politischen Intimfeind Maduro zu. Die USA und Europa senden also das Signal, das die Verletzung von Menschenrechten oder Umweltschutz erst einmal zweitrangig scheint, wenn es um die eigene Energieversorgung geht. Und das wird auch in Moskau mit Interesse verfolgt.