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„Brücke der Spione“: Über einen spektakulären Agentenaustausch vor 60 Jahren

Berlin

„Brücke der Spione“: Über einen spektakulären Agentenaustausch vor 60 Jahren

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    Die Glienicker Brücke im Jahr 1962. In dem Jahr also, in dem vor 60 Jahren ein spektakulärer Agentenaustausch auf dem Bauwerk über der Havel stattfand.
    Die Glienicker Brücke im Jahr 1962. In dem Jahr also, in dem vor 60 Jahren ein spektakulärer Agentenaustausch auf dem Bauwerk über der Havel stattfand. Foto: Jörg Carstensen, dpa (Archivbild)

    An jenem nasskalten Sonnabend tauchen auf beiden Seiten der Brücke aus dem Nebel dunkle Limousinen auf. Ihnen entsteigen Diplomaten, Regierungsbeamte und Soldaten. Zwei Männer treten aus dem Pulk hervor. Ein grauhaariger, hagerer mit Hornbrille namens Rudolf Iwanowitsch Abel und Francis Gary Powers, ein jüngerer, sportlicher Mann. Die beiden gehen aufeinander zu. Um 8.52 Uhr überqueren sie den schmutzigweißen Strich, der die Brückenmitte markiert – und gleichzeitig die Trennlinie zweier verfeindeter Welten. Der Russe und der Amerikaner hatten sich kurz zugenickt, aber .

    Begonnen hatte der Spionagethriller, der seinen Abschluss im Austausch auf der „Brücke der Freiheit“ (US-Version) fand, am 23. Juni 1953. Ein Zeitungsjunge im New Yorker Bezirk Brooklyn benötigte Wechselgeld. Er klingelte bei zwei Frauen, und die kratzten ihre Cents, Nickels und Dimes zusammen. Der 13-Jährige stolperte – und das Geld fiel zu Boden. Beim Auflesen bemerkte er, dass ein 5-Cent-Stück am Rand auseinanderklaffte. In dem Spalt steckte ein winziger „dunkler Punkt“. Die Geschichte machte die Runde und landete schließlich beim FBI. Der „Punkt“ erwies sich als Mikrofilm und zeigte Zahlenkolonnen, die nicht entschlüsselt werden konnten.

    Anfang Mai 1957 stürmt ein Mann in die Pariser US-Botschaft. Reino Häyhänen gesteht, Mitglied eines sowjetischen Spionagerings in New York City zu sein. Zum Beweis legt Häyhänen ein hohles 5-Cent-Stück auf den Tisch. Da erinnert man sich.. Häyhänen hatte zuvor den Befehl erhalten, umgehend nach Moskau zurückzukehren. Da er 5000 Dollar des sowjetischen Geheimdienstes unterschlagen hatte, darüber hinaus als Trinker, Bigamist und Radaubruder aufgefallen war, zog er eine Haftstrafe in den USA der Zwangsarbeit in Sibirien vor.

    Über den Agenten Häyhänen wurde gespottet

    Häyhänen wurde später als „der dümmste Agent, der je einen Trenchcoat trug“, bezeichnet. Dennoch konnte er dem US-Geheimdienst Informationen über seinen Agentenführer geben. Häyhänen kannte dessen ungefähres Domizil.

    Das FBI legte sich bei dem heruntergekommener Brooklyner Wohnblock auf die Lauer. In Verdacht geriet der Mieter Emil Goldfus, der dort ein Fotoatelier betrieb. Eine Hausdurchsuchung brachte einen leistungsstarken Sender, Spezialfilme für Mikropunktfotografie, ein Sortiment ausgehöhlter Münzen, Knöpfe, Kugelschreiber und Geheimcodes ans Licht. Nachforschungen ergaben, dass der echte Emil Goldfus bereits als Kleinkind verstorben war.

    US-Agenten verfolgten den Gesuchten bis in ein Hotel in Manhattan, wo er unter dem Namen Martin Collins abgestiegen war. Sein Pass war falsch. Am 21. Juni 1957 wurde „der gefährlichste Spion, der je auf amerikanischem Boden tätig war“, festgenommen. Abel, Oberst des KGB, hüllte sich meist in Schweigen. Den Ermittlern blieb lediglich, seine Fähigkeiten zu bewundern. Ein IQ-Test ergab: „Nahezu genial“. CIA-Direktor Allen Dulles: „Ich wünschte, wir hätten ein paar Männer, wie er einer ist, in Moskau.“ Am 14. Oktober 1957 wurde Abel zu 30 Jahren Haft verurteilt. Er entging dem elektrischen Stuhl nur, weil pragmatische Entscheidungsträger in weiser Voraussicht annahmen, dass „man ihn noch lebend benötigen würde, falls einer der eigenen Leute den Sowjets in die Hände fiele.“

    Gary Powers wurde abgeschossen

    Frühmorgens um 5.26 Uhr hebt US-Pilot Francis Gary Powers mit seiner U2, einem Spionageflugzeug, vom pakistanischen Peschawar ab und dringt kurz darauf in sowjetischen Luftraum ein. Der Flug soll bei einem kräftigen Frühstück nach rund 6.500 Flugkilometern im norwegischen Bodø enden. Doch statt Militärstellungen zu fotografieren, landet er am Fallschirm rund 30 Kilometer von Swerdlowsk entfernt. Das von den US-Strategen für unmöglich gehaltene war geschehen: Powers war am 1. Mai 1960 aus über 21.000 Metern Höhe abgeschossen worden.

    Am 17. August 1960 beginnt vor dem Militärsenat des Obersten Gerichtshofes der Sowjetunion der Schauprozess gegen Powers. Die Anklage lautet auf „Luftspionage“. Nach drei Verhandlungstagen fällt das Urteil: Zehn Jahre, davon drei im Gefängnis und der Rest im Arbeitslager. Abel erlag 1971 in Moskau einem Krebsleiden, Powers kam sechs Jahre später in Los Angeles bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben.

    Die Brücke geriet zwei weitere Male in die Schlagzeilen

    Die „Brücke der Spione“ geriet noch zwei Mal in die Schlagzeilen. Am 11. Juni 1985 kam es zum größten Agentenaustausch der Geschichte. Auf einen Schlag wechselten 28 Menschen die Seiten. Am 11. Februar 1986 war es mit der Ruhe im Niemandsland wieder einmal vorbei, als drei Agenten aus dem Osten und fünf aus dem Westen die weiße Linie überschritten.

    Die Glienicker Brücke verbindet heute wieder den Berliner Ortsteil Wannsee mit der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam. Mit dem Thriller „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ brachte Regisseur Steven Spielberg 2015 das Kalte-Kriegsdrama um den spektakulären Agentenaustausch mit Tom Hanks und Sebastian Koch in die Kinos.

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