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Corona-Pandemie: Virologe Streeck: "Test-Strategie für Einreisende ist weder effektiv noch zielführend"

Corona-Pandemie

Virologe Streeck: "Test-Strategie für Einreisende ist weder effektiv noch zielführend"

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    Hendrik Streeck, Virologe an der Uniklinik Bonn, äußert sich kritisch zur neuen Testpflicht für Einreisende aus China.
    Hendrik Streeck, Virologe an der Uniklinik Bonn, äußert sich kritisch zur neuen Testpflicht für Einreisende aus China. Foto: Oliver Berg, dpa

    Herr Prof. Streeck, Deutschland will nun doch, wie andere europäische Länder, negative Covid-Tests von Einreisenden aus China verlangen. Können wir damit Schlimmeres verhindern?

    Hendrik Streeck: Wir sollten uns vor Augen führen, was wir eigentlich erreichen wollen. Hohe Fallzahlen in China bedeuten noch lange nicht, dass wir auch hier hohe Fallzahlen bekommen. Wir haben eine gute Grundimmunität in der Bevölkerung, und die wird nicht durch reisende Infizierte aus China ausgehebelt werden. Die Sorge ist natürlich, dass in China eine neue Variante entsteht, die über Reisende hier nach Deutschland getragen wird. Für uns ist es daher wichtig zu wissen, ob eine neue Variante nach Deutschland eingetragen wird – ganz egal, aus welchem Land. Die neuen Varianten wird man aber nicht durch Antigen-Tests im Ursprungsland erkennen, sondern nur mittels PCR und Sequenzierung. Auch können wir fast alle aus Eigenerfahrung sagen, dass Antigen-Tests frisch Infizierte nur schlecht erkennen. Die Bestimmungen sind dadurch weder effektiv noch zielführend und führen eher zu internationalen Verstimmungen. 

    Was muss Ihrer Meinung nach getan werden?

    Streeck: Viel geschickter ist es, an Flughäfen und vielleicht auch in den Flugzeugen ein Virusmonitoring im Abwasser zu machen – so wie es nun einige Länder machen. Denn auch in den Abwässern können wir feststellen, welche Virusvariante gerade kursiert. Und so bekommen wir relativ schnell mit, ob wir eine neue Variante im Land haben. Man muss ganz klar festhalten: Durch Reiserestriktionen werden wir es nicht schaffen, irgendeine Variante weltweit aufzuhalten. Für Deutschland ist es aber wichtig zu wissen, welche Varianten es gibt und ob man sich darauf vorbereiten muss.

    Ist die Virusvariante, die aktuell in China grassiert, gefährlicher als die, die wir gerade in Europa haben?

    Streeck: Nein. In China grassiert nach allem, was wir wissen, die BF.7-Variante, das ist ein Abkömmling der BA.5-Omikron-Variante. Diese Variante gibt es auch bei uns und weitere, die sich aus der BF.7-Variante entwickelt haben. Insofern würde eine vermehrte Eintragung von BF.7 wahrscheinlich nicht die Lage bei uns verändern. Aber noch mal: Der Ursprung der Variante ist relativ egal. In den USA haben wir zum Beispiel die XBB1.5-Variante und vielleicht kommt eine andere Variante dann über Afrika. Wir müssen in Deutschland ein gutes Monitoring-System haben. Das ist viel effektiver.

    Sie schließen also aus, dass die China-Welle zu uns rüberschwappt?

    Streeck: Noch mal: Die derzeit hohen Fallzahlen in China bedeuten nicht, dass auch wir hohe Fallzahlen bekommen werden. Zu bedenken ist allerdings, dass in China eine neue Variante entstehen kann. Wenn sich viele Menschen gleichzeitig infizieren, das haben wir auch in anderen Ländern gesehen, ist die Chance höher, dass sich neue Varianten ausbilden. Einfach gesagt: Je mehr Viren es gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Mutation entsteht. Ob das dann eine gefährlichere Variante ist, kann man nicht voraussagen. In den USA zum Beispiel sehen wir, dass sich die XBB1.5-Variante durchsetzt. Diese zeigt eine verstärkte Immunflucht und einen Übertragungsvorteil. Einiges spricht dafür, dass sich eher diese Variante in Deutschland durchsetzen wird. Aber auch die XBB.1.5-Variante ist nicht krank machender als die aktuellen. Allerdings heißt das auch, dass man sich nach überstandener Infektion wieder leichter infizieren kann.

    Auf dieser vom US-Forschungszentrum National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) zur Verfügung gestellten Aufnahme ist eine Zelle (grün) mit dem Coronavirus (gelb) infiziert.
    Auf dieser vom US-Forschungszentrum National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) zur Verfügung gestellten Aufnahme ist eine Zelle (grün) mit dem Coronavirus (gelb) infiziert. Foto: Europa Press / Niaid / Niaid

    Haben Sie eine Erklärung für die explosionsartige Ausbreitung in China?

    Streeck: Die Chinesen sind mit 1,5 Milliarden Menschen ein sehr großes Volk mit riesigen Ballungszentren. Wenn die Strategie im Umgang mit dem Virus von „Keine einzige Infektion zulassen“ auf „Null Restriktionen mehr“ geändert wird, sind solche enorm hohen Infektionszahlen überhaupt nicht ungewöhnlich. Das hat es in anderen Ländern auch gegeben – zum Beispiel in Indien. Dort, wo sehr viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, ist es wahrscheinlich, dass sich dort auch so ein Virus ausbreitet. Was jetzt dort passiert, zeigt eben auch, dass die Null-Covid-Strategie nicht aufgegangen ist.

    Liegt es vielleicht auch daran, dass die chinesischen Impfstoffe nicht so gut sind wie unsere?

    Streeck: Das am häufigsten verwendete Vakzin in China ist ein Totimpfstoff. Dieser hat nach der ersten und zweiten Impfung im Vergleich zu Biontech oder Moderna eine schlechtere Wirksamkeit. Wenn er dreimal gegeben wird, gibt es allerdings nur marginale Unterschiede.

    Zur Person: Prof. Hendrik Streeck, 45, ist Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Bonn. Der Mediziner gilt als einer der führenden Corona-Experten in Deutschland.

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