Der Winter 1962/63, also vor 60 Jahren, war genau das Gegenteil von dem, was wir heuer erleben. Monatelang lagen fast im ganzen Allgäu die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, neue Minus-Temperaturrekorde wurden gemessen. Meterhoch türmten sich die Schneemassen. Sogar der Bodensee war komplett zugefroren. Es war seitdem die letzte sogenannte Seegfrörne. Ein Rückblick auf den Eiswinter 1962/63:
- Die Großwetterlage: „Im Allgäu begann der Winter bereits Mitte November mit Frost“, berichtet der aus Sonthofen stammende Meteogroup-Chefmeteorologe Joachim Schug, der den Eiswinter dort als kleiner Bub erlebte. Schon zu Beginn der kalten Jahreszeit hatte sich ein starkes Grönlandhoch gebildet und eine Hochdruckbrücke zum Azorenhoch. Diese Wetterlage war fast den ganzen Winter lang bestimmend. Eine erste heftige Kältewelle dauerte etwa bis zum 9. Dezember, eine zweite Periode begann mit Schneefällen Mitte Dezember und einem Temperatursturz am 22. Dezember bis Silvester. Es folgte lange Zeit trockenes Frostwetter und nach einer kurzen Erwärmung im Februar wurde es nochmals klirrend kalt. Erst um den 7. März 1963 setzte sich eine durchgreifende Milderung durch. Bis dahin litt ganz Mitteleuropa unter dem Eiswinter.
- Kälterekorde: „Fast den ganzen Winter lang herrschte Dauerfrost“, berichtet Schug. Am 26. Dezember wurde in Kempten mit minus 27 Grad ein neuer Dekaden-Kälterekord aufgestellt. Selbst tagsüber stiegen die Temperaturen an den Weihnachtsfeiertagen in Oberstdorf kaum über minus 15 Grad. Am 23. Januar 1963 wurden in Schwangau-Horn minus 29,7 Grad gemessen.
- Schneemengen: Die Station Oberstdorf des Deutschen Wetterdienstes meldete aus der südlichsten Gemeine der Republik eine durchgehende Schneedecke vom 14. November 1962 bis 16. April des folgenden Jahres. In Kempten gab es bei über 30 Zentimeter Schnee Weiße Weihnachten, in Oberstdorf lag an den Weihnachtstagen etwa ein Meter.
- Seegfrörne: Zum ersten und einzigen Mal im 20. Jahrhundert fror der Bodensee 1963 komplett zu. Es war seitdem die letzte Seegfrörne. Zuvor war der Bodensee 1929 teilweise eisbedeckt. Teile des Untersees wurden bereits am 17. Januar 1963 zum Begehen freigegeben. Am 2./3. März tummelten sich dort Zehntausende Menschen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland. Ende Februar/Anfang März landeten Segelflugzeuge und Sportmaschine auf dem Eis. Bereits Anfang Februar mussten die meisten Fährverbindungen eingestellt werden. Bei Unfällen kamen mindestens fünf Menschen ums Leben, weil sie an Schwachstellen im Eis einbrachen. Manche waren auch mit Fahrrädern oder mit dem Auto auf dem See unterwegs gewesen.
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- Wann der See zufriert: „Damit der Bodensee zufriert, braucht es eine Kältesumme von minus 370 Grad“, erklärt Meteorologe Schug. Darunter verstehen Meteorologen die Summe aller Tagesmittel-Temperaturen im Minusbereich. Zum Vergleich: Im diesjährigen Winter beträgt die Kältesumme beispielsweise in Kempten bisher gerade einmal minus 44 Grad.
- Könnte sich ein derartig extremer Kältewinter wiederholen? „Nein“, sagt der Meteorologe. „Auch wenn jetzt anhaltend eisige Luft aus Nordsibirien zu uns kommen würde, gäbe es keine Chance für eine Seegfrörne.“ Als Folge des Klimawandels sei es in der Arktis im Winter inzwischen teils zehn Grad wärmer als früher. Zudem fließen kalte Luftmassen über Nord- und Ostsee zu uns und deren Wassertemperatur ist inzwischen auch jeden Winter deutlich höher als noch vor zwei oder drei Jahrzehnten.
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