Die Glocken des Kirchturms läuten – es schlägt zwölf Uhr an jenem Freitag. Durch Weiler schlendernd, treffe ich lediglich auf ein paar streunende Katzen und eine zufrieden wirkende alte Dame mit ihrem Rollator.
Fast verschlafen wirkt die Ortschaft, die zwischen Österreich, Deutschland und der Schweiz im Dreiländereck liegt. Historische Fachwerkhäuser prägen das Bild. Altehrwürdige Bauwerke wie die St. Blasius-Kirche und das historische Rathaus erzählen von vergangenen Zeiten, während schmale Gassen und kopfsteingepflasterte Straßen den Charme längst vergangener Tage bewahren. Hier scheint die Zeit stillzustehen, während sich das Leben um einen herum weiterentwickelt.
Die Hausbachklamm bei Weiler ist ein Juwel der Natur
Inmitten der malerischen Landschaft unweit des Kirchplatzes entfernt, versteckt sich ein Juwel der Natur: die Hausbachklamm. Hier bahnt sich das Wasser seinen eigenen Weg durch die enge Schlucht. Nasskalt rieselt es die Felsen hinunter, peitscht an die steilen Wände und versorgt den Wald, die Bäume und die Blumen mit Feuchtigkeit. Das sanfte Plätschern wirkt wie ein harmonisch klingendes Lied in meinen Ohren. Die Ruhe – eine willkommene Abwechslung zum sonst sehr hektischen und lauten Büroalltag.
Aufgeteilt in die untere und obere Hausbachklamm führt der Weg über riskante Baumwurzeln und rutschiges Gestein durch den üppigen und grünwuchernden Wald. Kein Weg, der kinderwagentauglich ist und festes Schuhwerk voraussetzt. Die Wanderung erfordert volle Aufmerksamkeit und Geschicklichkeit. Zwischen engen Passagen mit moosbewachsenen Steinen und breiten Waldabschnitten entfaltet sich die Natur in ihrer reinsten Form. Vögel zwitschern, der Bach plätschert und der Wind zischt, während man an kleinen Wasserfällen vorbeikommt.
Ab in die Wildnis
Stets vom Rauschen des Hausbachs begleitet, führt jeder Schritt tiefer in den Wald. Unerwartete Aussichtspunkte bieten eine einmalige Sicht auf die umliegende Landschaft: Eichhörnchen klettern in den Baumkronen, Tannen stehen dicht an dicht, wild wachsender Efeu haftet fest an Eichen und Buchen. Die Klamm bietet einen Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren, die sich an die raue und feuchte Umgebung angepasst haben.
Seit jeher bietet das Relikt Schutz und Zuflucht für Tiere, Pflanzen und Menschen. Von der Quelle bis zur Mündung ist der Bach nicht länger als fünf Kilometer, entspringt auf dem Sulzberger Rücken, mündet bei Bremenried in die Rothach und prägt maßgeblich das Ortsbild von Weiler.
Seit mehr als 11.500 Jahren fließt der Hausbach von den Höhen ins Tal – ein Überbleibsel der letzten Eiszeit. Wer Glück hat, Zeit mitbringt und sich für Geschichte interessiert, kann im Bachbett prähistorische Funde wie Haifischzähne, versteinerte Muscheln und Blätter finden. Beweise, dass einst Meerwasser das Gebiet überflutete.
Dieser Artikel stammt aus dem Freizeitmagazin allgäuweit. Die nächste Ausgabe für Oktober/November erscheint am 1. Oktober.