63.281: So viele reine Elektroautos wurden im Jahr 2019 in Deutschland neu zugelassen, bevor die Pandemie Land und Autobranche durcheinanderwirbelte. Im Jahr 2021 waren es dann schon 355.961. Dieser Trend ist auch im Allgäu sichtbar. Während im Landkreis Lindau im Jahr 2015 nur fünf zugelassene E-Autos unterwegs waren, sind es inzwischen 698. In Kempten waren es vor sieben Jahren 60 Elektroautos. Dort hat sich die Summe inzwischen mehr als verzwölffacht. Doch wie fährt es sich mit einem Stromer?
„Gerade für die Kurzstrecken ist das Auto ideal für mich“, sagt ein 59-jähriger Oberallgäuer. Er habe sich vor etwa einem Jahr einen VW e-Up zugelegt – ein rein elektrischer Kleinwagen. Ausschlaggebend für die Entscheidung zum Kauf dieses Autos sei für ihn die gute Förderung zum damaligen Zeitpunkt gewesen. Und auch „die Senkung der Mehrwertsteuer“ sei ein zusätzlicher Anreiz gewesen, sagt der Oberallgäuer.
E-Auto auch für regionale Handwerksbetriebe eine Option
Das Auto habe eine Reichweite von etwa 260 Kilometern. „Im Sommer machen wir innerhalb dieses Radius auch immer wieder Tagesausflüge“, sagt der 59-Jährige. Außerdem fahre er damit regelmäßig zur Arbeitsstelle, die 20 Kilometer von seinem Wohnort entfernt liegt. Nur im Winter sei es manchmal schwierig: „Ich wohne etwas abgelegen. Wenn viel Schnee liegt, stößt das Auto schon an seine Grenzen.“ Grundsätzlich sei der Wagen aber wintertauglich. Allerdings verbrauche er mehr Strom – vor allem, wenn auch die vollelektrische Heizung laufe. „Da kann die Reichweite schon mal um die Hälfte sinken.“
Doch E-Autos werden im Allgäu nicht nur für den privaten Gebrauch angeschafft. Auch Unternehmen und Handwerksbetriebe entscheiden sich immer häufiger dazu, einzelne Elektrowagen oder sogar ganze Flotten anzuschaffen. So beispielsweise Tommy Gebele. Er hat einen Malerbetrieb in Durach (Kreis Oberallgäu). Für seinen Betrieb hatte er sich einen auf E-Antrieb umgerüsteten VW-Bus als Testfahrzeug geben lassen. Jetzt wird sich Gebele einen solchen Bus kaufen. „Das Testfahrzeug hatte zwar nur eine Reichweite von 120 Kilometern, aber wir sind ein regionales Handwerksunternehmen. Unsere Baustellen sind meist nicht so weit weg“, sagt Gebele.
Kälte als Reichweitenproblem
Ob sich E-Autos für einen Handwerksbetrieb eignen, sei immer „eine individuelle Geschichte“. Wer allerdings weitere Fahrten machen müsse, könne womöglich Schwierigkeiten haben, sagt Gebele: „Auf manchen Baustellen gibt es vielleicht nicht die Möglichkeit, das Auto aufzuladen.“ Und auch im Winter könne es aufgrund der bekannten Probleme schwieriger sein. Dann senkt die Kälte die Reichweite der Stromer. Allerdings bekomme eine Firma durch E-Autos einen „Imagebonus“. Und auch als Handwerksbetrieb müsse man „immer up-to-date sein. Deshalb probieren wir das jetzt aus“, sagt der Oberallgäuer Malermeister.
Die Frage nach dem Laden stellt sich nicht nur auf Baustellen. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur müsse mit den Zulassungszahlen mithalten – und auch mit dem Ziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030, heißt es beim ADAC. „Im öffentlichen Raum sind Schnellladesäulen entscheidend“, sagt eine Sprecherin. Doch auch die Aktionsradien der Autos wachsen.
Reichweiten in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt
So haben sich deren Reichweiten in den vergangenen fünf Jahren nach Angaben des ADAC in etwa verdoppelt. Etliche Modelle schaffen heute deutlich mehr als 300 Kilometer, manche sogar über 400. Gleichzeitig laden die Autos schneller. Wer mit vollem Akku losfahre und dann 300 Kilometer Reichweite in 30 Minuten nachlade, „kommt mit einem kurzen Halt 700 Kilometer weit“, sagt die ADAC-Sprecherin.
All das macht sich auch bei Autohäusern bemerkbar: „Die Nachfrage ist so hoch wie nie. Es gibt sehr viele Interessenten, die noch in diesem Jahr ihr Elektroauto haben wollen“, sagt Tobias Sirch, Geschäftsführer von Autohaus Sirch mit mehreren Standorten im Allgäu. In den vergangenen Jahren sei die Nachfrage nach Elektroautos stetig gestiegen. Über 50 Prozent der bei Sirch verkauften Autos seien inzwischen elektrisch. Vor allem „die staatlichen Förderungen und die Erhöhung der Zuschüsse“ seien für den jüngsten starken Anstieg verantwortlich.
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