Wenn es um regionale Küche geht, ist in der Regel erst mal die Art der Zubereitung gemeint. Dass regional noch gesteigert werden kann, versucht der Landkreis Ostallgäu, mit seinen Genusstagen im Schlosspark zu beweisen. Ein Kernanliegen: Die Zutaten sollen ohne lange Transportwege in Kochtopf und Bräter landen. Doch warum ist das eigentlich nicht Standard in der heimischen Gastronomie?
An der Vielfalt kann es nicht liegen: Das Angebot reicht von der Allgäuer Aronia-Beere (aus Buchloe) bis hin zum Zwetschgenbrand (aus Wald). Landwirte liefern Fleisch von Rindern und Kälbern. Schafe, Gänse, Hühner, Schweine und Ziegen stehen auf Allgäuer Bauernhöfen. Milch, Butter, Joghurt und Käse sind Klassiker bei der Verarbeitung. Es gibt in Weicht eine Manufaktur für Senf und einen Landwirt, der sein eigenes Getreide zu Dinkelnudeln verarbeitet. In Obergünzburg wird Tempeh hergestellt, ein indonesisches Gericht aus Sojabohnen oder Lupinensamen, das vor allem Vegetariern Eiweiß liefert. Der Grasser-Hof in Aitrang baut Gemüse an und hat viele Abnehmer in der Region. Es gibt Fisch aus dem Ostallgäu und auf der Genuss-Landkarte finden sich große und kleine Brauereien. Metzger und Bäcker haben immer häufiger regionale Bioprodukte in ihrer Theke. Selbst ein Bio-Bier wird seit kurzem in Nesselwang gebraut und die Allgäuer Ölmühle liefert Speiseöle.
Eier aus dem Nachbardorf und nicht vom Großhandel
Ein Problem ist nach wie vor, Landwirte und Gastronomen an einen Tisch zu bringen, weiß Jana Betz vom Regionalmanagement Bergaufland im Landratsamt Ostallgäu. Eine Idee, die Vernetzung voranzutreiben, waren die Genusstage im Schlosspark. Vor einem Jahr tischten dabei erstmals einige Wirte bewusst ein paar Tage lang hauptsächlich Gerichte aus der Region auf. Noch bis Sonntag, 11. Oktober, läuft nun die zweite Auflage in 22 Gaststätten in Kaufbeuren und im Ostallgäu.
Nach der Premiere meldeten 89 Prozent der beteiligten Wirte zurück, dass sie erst durch diese Aktion auf Produkte von Landwirten und Verarbeitern aus der Region aufmerksam geworden sind. In einigen Fällen entwickelte sich eine dauerhafte Zusammenarbeit. Als Beispiel nennt Jana Betz den Königswirt in Bertoldshofen. Bei den Genusstagen kam Wirt Daniel Endras in Kontakt mit dem Hühnerbetrieb Klöck und Hartmann im sieben Kilometer entfernten Bidingen. Kurze Wege, Qualität und eine „tolle Eierfarbe“, so Betz, überzeugten den Gastwirt.
„Die meisten Gastronomen haben in ihrem Alltag keine Zeit, Anbieter in der Region zu recherchieren und die benötigten Informationen abzufragen“, berichtet Betz. Die Wirte brauchen Infos zu Gebindegrößen, Preisen und Liefermöglichkeiten. Hier setzt das Regionalmanagement nicht nur mit den Genusstagen an. In eine ähnliche Richtung – allerdings mit Fokus auf Bioqualität – arbeitet die Ökomodellregion Ostallgäu. Beide versuchen im Landratsamt Produzenten und Gastronomen Kontakte zu liefern und damit Netzwerke anzustoßen.
Zu den aktuellen Genusstagen gibt es für die Gastronomen eine fünfseitige Liste mit Details, welcher Hof welches Fleisch, welche Wurst, welches Gemüse in welchen Mengen liefern kann. Rund drei Dutzend Käsesorten sind aufgeführt und zwei Dutzend Gemüse und Salate. Hinzu kommen etwa 20 Mehlsorten aus der Buchloer Kunstmühle, diverse Müslisorten von den Wertachtal-Werkstätten in Kaufbeuren sowie Nudelprodukte vom Moser-Hof in Weicht.
Was passiert mit den Innereien?
Ein Gasthof, der großen Wert auf Regionalität legt, ist die die Gifthütte in Kaufbeuren, berichtet Betz. Gemüse kommt aus Aitrang, Fleisch aus Stötten, Mehl aus Buchloe, Käse aus Ebersbach, Öl von der Allgäuer Ölmühle in Lengenwang und Kempten. Die Küchenchefin stellt sich auch Herausforderungen. Eine davon: Wie verarbeitet man ein ganzes Tier?
Denn schnell landet man bei einem Problem, das eine Kooperation erschwert: Ein großer Schlachthof liefert problemlos Dutzende von Schnitzeln, die der Wirt auf die Speisekarte setzt. In der Regel bleibt ihm so erspart, dem Gast zu vertrösten: „Schnitzel ist heute leider aus.“ Doch wie funktioniert das, wenn man mit einem Landwirt zusammenarbeitet, der eben nicht täglich schlachtet und nicht laufend Nachschub liefert, spricht Daniel Kinast vom Gasthof Engel in Pfronten Kappel einen schwierigen Punkt an.
Traditionelle Rezepte helfen bei Ganztierverwertung
Ähnlich wie das Schnitzel-Dilemma für den Wirt ist das Problem für den Produzenten: Ein Landwirt kann nur ein ganzes Kalb schlachten – auch wenn der Gasthof nur ein halbes abnimmt, umschreibt Betz die Problematik. Somit fehlen entweder Kühlkapazitäten oder weitere Abnehmer. Gemeinsame Vermarktung aufseiten der Bauern und „Ganztierverwertung“ in der Gastronomie sind hier Schlagwörter, die an Gewicht gewinnen. Dabei geht etwa um die Frage: Welche Gerichte lassen sich aus Innereien zubereiten? Dies gehen manche Köche kreativ an, weiß Betz: „Damit kommen auch wieder alte traditionelle und in Vergessenheit geratene Rezepte in den Fokus.“
Ein weiteres Thema sprechen Gastronomen und Landwirten immer wieder an: die Logistik. Denn um die Produkte aus der Region zu nutzen, müssen diese ihren Weg zum Veredler (Koch) und zum Gast kommen. Doch das funktioniert nur, wenn die Lieferkette stimmt.
Konkret zu lösen versucht man solche Fragen derzeit beim Allgäuer Bio-Burger – einem Projekt der Ökomodellregion Ostallgäu: Mit einem „transparenten und authentischen Produkt“ versucht man eine neue Kooperation zwischen Biobauern, Verarbeitern und Konsumenten anzustoßen. Im Testlauf kommt das Fleisch vom Biohof Schreyer in Stötten. Die Milch vom Herbernhof bei Seeg wird in Ebersbach zum Käse verarbeitet, das Burgerbrot liefert die Bäckerei Lipp in Rückholz, Salatblatt und Tomate steuert der Grasserhof in Aitrang bei und die Soße hat Königswirt Daniel Endrass in Stötten kreiert. „Ziel ist, dass die zahlreichen bäuerlichen Direktvermarkter im Ostallgäu den Bio-Burger in Zukunft anbieten und dass dadurch neue Partnerschaften zwischen Bauern, Verarbeitern und Konsumenten entsteht“, eröffnet Florian Timmermann von der Öko-Modellregion Perspektiven.
Braugerste aus Buchloe
Inzwischen gibt es weitere Beispiele von regionaler Wertschöpfung: Der Bauer Andreas Bersch aus Buchloe und der Brauer Rudi Maget aus Nessselwang einigten sich im Frühjahr per Handschlag darauf, dass Bersch Braugerste anbaut. Im August wurde das Getreide geerntet, demnächst wird es gemälzt und schon bald soll das Bio-Bärenbier aus Nessselwang noch ein Stück weit regionaler werden.
Auch Bauern und Bäcker hat die Ökomodellregion schon an einen Tisch mit Müllern geholt. Mehrere handwerkliche Bäcker aus der Region wollen nun Allgäuer Bio-Mehl testen und „im Idealfall ergibt sich eine langfristige Partnerschaft zwischen Bio-Akteuren und Konsumenten“, blickt Timmermann in die greifbare Zukunft.
Alle Beispiele zeigen: Im Ostallgäu ist derzeit in Sachen Regionalität und Vernetzung einiges am Laufen. Landrätin Maria Rita Zinnecker erhofft sich davon in der Ökomodellregion: „Einen Mehrwert für alle und tolle neue Allgäuer Bio-Produkte.“
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