Diese Nachricht schockierte im Jahr 2010 viele Kemptener: Die Kirche Christi Himmelfahrt im Zentrum der Stadt sollte abgerissen werden. Im Zuge der geplanten Zusammenlegung der Pfarrei mit der Pfarrei St. Lorenz war sie überflüssig geworden, und außerdem war das 1971 eingeweihte Gotteshaus sanierungsbedürftig. Die prognostizierten Investitionskosten erschienen der Diözese zu hoch. Prompt protestieren viele Gläubige und auch Kemptener Bürger. Architekt Robert Gerum, der die Kirche 1969 geplant hatte, meldete sich ebenfalls zu Wort und kritisierte den anvisierten Abriss.
Die Proteste zeigten Erfolg, die Abrissbirne kam nicht. Vielmehr setzten sich Vertreter der Pfarrei zusammen und überlegten, wie man das Gotteshaus so umbauen könnte, dass es insgesamt erhalten blieb. Dazu holten sie das Kemptener Architekturbüro F64 mit ins Boot. Die Planer, die Bauherrin und die Diözese Augsburg gebaren schließlich im gedanklichen Ping-Pong-Spiel überzeugende Ideen, erklärt F 64-Architekt Martin Kopp. Gemeinsam fanden sie eine neue Nutzung als kirchlich-soziales Zentrum – und eine architektonische Lösung, um dies zu realisieren. Bei den „Architektouren“ kann die Öffentlichkeit nun besichtigen, was herausgekommen ist.
Vorbildliche Baukultur soll bei dieser Aktion der Bayerischen Architektenkammer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In der Tat ist in Christi Himmelfahrt Vorbildliches entstanden. Weil Bauherrin und Planer Hand in Hand gingen, und natürlich auch, weil die Finanzierung des Projektes doch möglich wurde. Immerhin sechs Millionen Euro kostete das alles in allem.
„Das war kein alltägliches Projekt“, sagt Architekt Kopp. Den Planern ging es darum, den Geist dieses besonderen Bauwerks beim Umbau zu erhalten. Schließlich hatte Robert Gerum Ende der 1960er Jahre Wegweisendes geschaffen. Ganz im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils entwarf er ein transparentes Gotteshaus – Symbol für eine neue, (welt-)offene Kirche. Deshalb die riesigen Glasflächen zur Straße hin, die Blicke nach drinnen und draußen zulassen. Den Aspekt der Demut spiegelt sich in einer eher bescheidenen Ausstattung. Getragen wird das Flachdach von einer einfachen, deutlich sichtbaren Betonpfeiler-Konstruktion. Unter den Kirchenraum platzierte Gerum einen Pfarrsaal und einen Kindergarten. Dieses Konzept überzeugte auch den Bund Deutscher Architekten: 1971 erhielt Gerum den BDA-Preis Bayern.
Transparenz, Bescheidenheit und Ordnung – daran wollten sich Martin Kopp und sein Architektenteam orientieren. Sie wählten einen konservativen Umbau-Ansatz, bei dem das Sanieren, Erhalten und behutsame Weiterbauen im Fokus stand. Das freute auch den Urheber: Architekt Gerum, der in Augsburg lebt, erteilte den F 64-Entwürfen 2014 „gern“ seine Zustimmung.
Und so sieht Christi Himmelfahrt nun von außen gar nicht so viel anders aus als früher. Man muss schon genau hinsehen, um Unterschiede festzustellen. So operierten die Architekten einen in den 1980er Jahren außen angedockten Aufzug heraus, brachen den Verbindungsbau zum Pfarrhof ab und gestalteten den Eingangsbereich mit dem kleinen Steg über die Vertiefung vor dem Gebäude neu. Es stimmt, was Martin Kopp sagt: „Das ursprüngliche Gebäudekonzept kann heute wieder klarer abgelesen werden.“ Gar nicht zu sehen sind Sanierungs- und Aktualisierungsmaßnahmen wie besser dämmende Glasfenster.
Wesentlich ist freilich die Aufteilung des einstigen Kirchenraums in ein Foyer mit Funktionsräumen beim Eingang, einen Mehrzweckraum und – ganz wichtig – einen sakralen Raum, der auf etwa ein Viertel der ursprünglichen Größe geschrumpft ist. Zur Trennung dieser Räume wählten die Architekten eine Glas-Stahl-Wand und setzen somit auch im Inneren die Idee der Transparenz fort. Zur Gestaltung zogen sie den Ostallgäuer Künstler Christian Hörl hinzu, der die Glaswand mit ovalen Gebilden in Weiß, Rot und Braun übersäte und beim Kirchensaal so raffiniert verdichtete, dass dieser eine intime Atmosphäre erhielt, ohne seine grundsätzliche Offenheit einzubüßen.
Das umgestaltete, denkmalgeschützte Bauwerk erfüllt heute mehr Aufgaben als je zuvor. So ist rund um das Foyer die „Jugendkirche“ der Diözese untergebracht inklusive eines Probenraums für die Gottesdienst-Band. Der Kindergarten im unteren Geschoss konnte sich ausdehnen und gewann zudem Fläche für den Garten und einen geschützen Hof hinzu. Der Mehrzweckraum kann vielfältig bespielt werden und als Erweiterung des nebenanliegenden Kirchenraums dienen. „Eine sinnvolle Nutzung ist entstanden“, lobte denn auch Stadtpfarrer Dr.Bernhard Ehler, als das kirchlich-soziale Zentrum im September 2017 eingeweiht wurde. Die sechs Millionen Euro, die insgesamt in das Projekt flossen, seien gut angelegt.