Es muss die Legauer geschmerzt haben, als der baufällige Gasthof Löwen mit seinem großen Festsaal abgerissen wurde. Damit verschwand nicht nur ein stattliches, prägendes Gebäude im Herzen des Unterallgäuer Dorfs. Mit ihm waren auch Erinnerungen an rauschende Feste, Hochzeiten und Faschingsbälle verbunden. Inzwischen hat die Gemeinde die Lücke wieder geschlossen, und es gibt ein neues Wirtshaus mit Namen Löwen. Allerdings hat der zentrale Marktplatz nun ein anderes Gesicht als noch vor zehn Jahren. Die architektonische Moderne hat Einzug gehalten in der Ortsmitte von Legau. Zwei Gebäude, die wie ungleiche Zwillinge wirken, stehen jetzt dort, mit feingliedrigen Fichtenholzfassaden, üppigen Fensterflächen und dunkelgrauen Dächern. Das eine beherbergt den großen Gemeindesaal samt Bühne, das andere die Löwen-Wirtschaft mit Tischen drinnen wie draußen sowie einem kleinen Saal unter dem Dach, wo Trauungen mit Blick auf Maibaum und Kirche stattfinden können.
Dies hat für Aufsehen gesorgt, und für Aufregung. Die Gestaltung aus dem Büro „f64 Architekten und Stadtplaner“ in Kempten ist inzwischen mehrfach ausgezeichnet worden – erst mit einem renommierten internationalen Design-Award, vor wenigen Wochen dann mit dem Deutschen Holzbaupreis. Und jetzt ist das Gebäudepaar als eines von 197 vorbildlichen Projekten für die „Architektouren“ der Bayerischen Architektenkammer ausgewählt worden, verbunden mit einer öffentlichen Führung an diesem Samstag um 17 Uhr. Während die Fachwelt schwärmt, sind die Legauer zurückhaltender. Manche trauern noch dem alten Löwen nach. Oder fragen sich, ob die baukulturelle Erneuerung ihres zentralen Platzes das Richtige ist für ein Dorf ländlicher Prägung.
Früher stand hier ein großes Wirtshaus, die Architekten entschieden sich für zwei Gebäude als Ersatz
Bürgermeister und Gemeinderäte entschieden sich nach längerem Ringen und kontroversen Debatten in den 2010er Jahren, Planungsbüros zu einem Wettbewerb zu laden. Eine Jury mit Lokalpolitikern und Experten wählte 2018 die mit vielen Architekturpreisen dekorierten Kemptener aus. Sie hatten ebenso überzeugende wie raffinierte Ideen. Die wohl wichtigste: Sie entschieden sich für zwei Baukörper samt den dorfüblich steilen Satteldächern und trennten Festsaal und Gasthof. „Das passt besser zum Platz und seiner Umgebung als ein großes Gebäude“, sagt Architekt Martin Kopp von f64.

Neben einer schön gewachsenen Linde dominierten bisher Stein und Putz in Form von Kirche und Rathaus den Platz. Kopp und sein Team setzten dennoch auf Holz, konstruktiv wie optisch, außen wie innen. Das sei der heute geforderten Nachhaltigkeit geschuldet, erklärt Kopp. Außerdem wollten die Architekten den einzigartigen Bestandsgebäuden etwas Einzigartiges gegenüberstellen.
Legau könnte Vorbild sein für andere Dorfplätze im Allgäu
Jedenfalls verleiht der regionale Baustoff Holz der architektonischen Moderne eine gewisse Wärme, vor allem innen, wo heimische Tanne (Wände und Decken) sowie Eiche (Böden) eine behagliche Atmosphäre schaffen. Dies sei eine „feinfühlig und gut gestaltete Architektur, die einen Begegnungsort von hoher ästhetischer Qualität“ schaffe, attestierte die Jury des Deutschen Holzbaupreises den Kemptener Architekten. Dabei schwingt auch das baukulturelle Flair des benachbarten Bregenzerwaldes mit, wo Dorfzentren längst in dieser Art und Qualität gestaltet werden, etwa in Krumbach oder Andelsbuch. Im Allgäu gibt es da noch viel Luft nach oben. Legau könnte ein Vorbild sein.

„Wir wollten ländliche Bauten – aber etwas Besonderes“, sagt Martin Kopp über den Anspruch der Architekten. Dieses Besondere äußert sich nicht nur in vielen schönen Details, sondern auch in den skulptural anmutenden Baukörpern. Am Legauer Marktplatz stehen nämlich nicht einfach nur rechteckige Kuben. Das Dach des Festsaalbaus fällt nach hinten etwas ab und passt sich damit an die dort kleinere Bebauung an. Das Wirtshaus wiederum verjüngt sich an einer Seitenwand, um den Durchgang vom Marktplatz zum Biergarten einladender zu gestalten. Beides spiegelt sich in einer verblüffend geformten Dachlandschaft mit dunkelgrauen Biberschwänzen. Zudem gestatten die großen Glasflächen Blickbeziehungen, vor allem von drinnen nach draußen.
Die besondere Architektur macht offenbar neugierig. Der Pächter des Gasthofs Löwen und des Festsaals mit dem Namen Leoni, Fritz Steinhauser, hat immer wieder Gruppen zu Gast, die sich informieren wollen. Außerdem, so sagt er, drücken bisweilen Menschen ihre Nasen an den großen Fensterscheiben platt, um das Innere mit ihren Augen zu erkunden, wenn geschlossen ist. „Es hat sich herumgesprochen, wie schön es hier ist“, sagt Steinhauser, der von vielen zufriedenen Gästen berichtet - sowohl im Wirtshaus als auch im Festsaal, der in der Theaterbestuhlung fast 500 Gästen Platz bietet, in der Version mit Tischen rund 250.
Fast zehn Millionen Euro kostete die Neugestaltung des Platzes insgesamt
Eine solch ambitionierte Gestaltung einer Dorfmitte hat ihren Preis. Sieben Millionen Euro kosteten laut Architekten allein die Bauwerke. Inklusive Außengestaltung und Inneneinrichtung musste die Marktgemeinde gut zehn Millionen Euro hinlegen, wie Zweite Bürgermeisterin Isolde Göppel erklärt. Sie sieht das Geld als gut investiert an. „Wir sind super zufrieden. Die Architektur ist sehr gelungen.“ Göppel freut sich zudem, dass auf dem Marktplatz mit den Wirtshaus-Tischen im Freien sehr viel mehr los ist als früher. Die Dorfmitte lebt wieder.
„Architektouren“ 2025 mit Motto „Vielfalt bauen“
„Vielfalt bauen“ lautet das Motto der bayernweiten Architektouren 2025. Auch in unserer Region können am Samstag, 28. Juni 2025, und Sonntag, 29. Juni 2025, einige Gebäude besichtigt werden:
- Naturerlebniszentrum Allgäu im Biberhof in Sonthofen (Besichtigung am Samstag von 9.30 bis 10.15 Uhr): Teilausbau des Dachraums einer ehemaligen Hofstelle unter ausschließlicher Verwendung ökologischer Baustoffe (Auf der Gerbe 2).
- Turnhalle in Markt Rettenbach (Samstag, 10 bis 12 Uhr): Eineinhalbfach-Turnhalle in unmittelbarer Nachbarschaft zur Grund- und Mittelschule sowie zum Sportareal (Schulstraße 26).
- Pfarrhof Attenhausen in Sontheim (Samstag, 10.30 bis 13.30 Uhr): Der Pfarrhof wurde für eine Nutzung als Kindergarten und Kinderkrippe umfassend saniert und erweitert (Ottobeurer Straße 14).
- Vöhlinschloss in Frickenhausen-Lauben (Sonntag 10 bis 14 Uhr, stündlich Führungen, begrenzte Personenzahl): Für eine Wohnnutzung wurde das denkmalgeschützte Vöhlinschloss von 1491/92 umfassend instandgesetzt (Schlossberg 2, Lauben/Unterallgäu).
- Gemeindesaal und Gasthof in Legau (Samstag, 17 Uhr): Zwei Holzbauten ergänzen und beleben das Ensemble aus Kirche und Rathaus am Marktplatz.
Infos zu den „Architektouren 2025“, bei denen bayernweit 197 Bauprojekte besichtigt werden können, gibt es online unter www.byak.de
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