Unsere Region hat kulinarisch viel zu bieten. In der Artikelserie „So schmeckt das Allgäu“ wollen wir einen Blick hinter die Kulissen der heimischen Landwirtschaft werfen – angefangen bei der Produktion über die Lieferketten bis hin zum Verkauf. Heute geht es um die Lage der Imker im Allgäu. Und warum das Hobbyimkern immer mehr zum Trend wird.
Hinter Allgäuer Imkerinnen und Imkern liegt ein historisch schlechtes Jahr. In ihren Lagerräumen, wo sich sonst Gläser mit Blüten-, Linden- Löwenzahn- und Waldhonig stapeln, herrscht heuer Leere: Wenig bis gar nichts haben die Bienenzüchter aus der Region in dieser Saison geerntet. Die Bilanz ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Kaltes Frühjahr im Allgäu: Die Bienen blieben lieber drin
„Anfang des Jahres mussten wir unsere Bienen mit Zuckerlösung füttern“, sagt Dr. Hans-Martin Steiger, Vorsitzender des Bienenzuchtvereins Memmingen, Bienensachverständiger und Biologe. Sonst wären die Völker im Frühjahr verhungert.
Schuld daran war das schlechte Wetter. Durch das winterliche Frühjahr und den verregneten Sommer blieben die Honigbienen in ihrem Stock. Um ausfliegen zu können, brauchen sie laut Steiger mindestens 13 bis 14 Grad und einigermaßen trockenes Wetter. Bis weit in den Mai hinein seien die Temperaturen unter dieser Grenze gelegen.
Und selbst wenn die Insekten den Bienenstock verlassen konnten, fanden sie nur wenig Nektar. Wie viel eine Blüte davon produziere, sei ebenfalls von der Witterung abhängig, sagt Christoph Langhof, Vorsitzender des Imker-Kreisverbandes Ostallgäu. „Im Frühjahr hatten wir sehr viel Ostwind.“ Dieser Wind sei immer kalt und trocken. „Dadurch sind zahlreiche Blüten ausgetrocknet und die Bienen konnten ihre Waben nicht füllen.“
Und ohne Nektar gibt es keinen Honig. „Wenn jemand fünf Kilo Honig pro Volk geerntet hat, hatte er Glück“, sagt Christoph Langhof. In anderen Jahren kommen dagegen bis zu 50 Kilo zusammen. Dass beinahe sämtliche Trachten – wie Imker das Angebot an Pollen, Nektar sowie Honigtau nennen – ausfallen, komme äußerst selten vor.
Trend zum Hobbyimkern im Allgäu: Woran das liegt
Nachwuchsprobleme haben Imkervereine trotzdem nicht. Seit Jahren gebe es „einen unglaublichen Zulauf“, sagt Steiger. Während das Imkern vor 20 Jahren etwas für „ältere Leute“ gewesen sei, interessierten sich nun immer mehr Junge dafür. Doch woran liegt das? Laut Steiger fühlen sich viele Menschen dazu verpflichtet, dem Artensterben entgegenzuwirken, und wollen ihren Beitrag für die Umwelt leisten. Doch das Imkern ist nicht nur ein Zeitvertreib.
„Man hat eine große Verantwortung“, sagt Tony Stiefenhofer, Vorsitzender des Imkervereins Kempten-Oberallgäu. Bienen brauchen viel Betreuung, wodurch Arbeit und Kosten entstehen. Zudem setzt das Imkern Wissen voraus: Wenn jemand keine Ahnung habe, könne das gefährlich werden, sagt Stiefenhofer. So breiten sich Parasiten wie die Varroamilbe ungehemmt in einem Bienenstock aus, wenn Imker nicht rechtzeitig reagieren. Ein Befall könne das ganze Volk ausrotten. (Lesen Sie auch: Wagners Tagebuch "made im Allgäu")
Verpflichtender Bienenführerschein im Allgäu?
Und nicht nur das: Kurz bevor das Volk tot sei, versuchten die verbleibenden Bienen sich zu retten, indem sie zu benachbarten Stöcken fliegen, sagt Steiger: „Denn allein sind Honigbienen nicht überlebensfähig.“ Dadurch verbreiten sie die Parasiten weiter und gefährden auch Völker anderer Imker.
Der Imkerverein Memmingen betreibt im Süden der Stadt einen Lehrbienenstand für Interessierte. Auch in Kempten gibt es Kurse an einem Bienenlehrstand, der Imkerverein Ostallgäu bietet Schulungen in Zusammenarbeit mit der Imkerschule Schwaben an. Dort lernen Anfänger, ihr Volk zu beurteilen, Krankheiten zu erkennen und richtig zu behandeln.
Langhof und Stiefenhofer befürworten sogar eine Art verpflichtenden Bienen- oder Imkerführerschein. Steiger appelliert stattdessen an die Vernunft: Angehende Imker sollten sich das Handwerk richtig zeigen lassen – zum Schutz der Bienen.
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