Fünf Monate lang ließ René Tretschok im vergangenen Jahr die Seele baumeln – fernab von Schwimmbecken, Radstrecken und Laufschuhen. Nach einer Saison voller Höchstleistungen, in der der Triathlet des RSC Kempten seine Ironman-Bestzeit auf knapp über neun Stunden drückte, gönnte sich der 25-Jährige eine Auszeit in Asien.
Doch während einer Bootstour zu den Komodo-Inseln und einem Frühstück am Strand von Koh Tao spürte er: Seine Liebe zum Sport war mit ihm nach Fernost gereist. Während seines Abenteuers reifte der Entschluss zum Comeback – rund ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Deutschland krönte Tretschok diesen Neustart mit dem EM-Podium in Amsterdam.
Beim Urlaub in Asien reift der Comeback-Gedanke
„Teilweise saß ich in Asien den ganzen Tag im Zimmer und habe mir Triathlon-Übertragungen angeschaut. Ich habe wirklich alles aufgesaugt“, erinnert sich Tretschok an seine Reise zurück. Mit jeder Woche wuchs in ihm die Gewissheit, dass er seine Leidenschaft für den Sport keineswegs verloren hatte – und bereit war, noch einmal voll anzugreifen. „Nach drei Monaten in Asien habe ich mir ein neues Fahrrad bestellt. Es war schon da, als ich nach Hause kam“, erzählt er.
Die neu entfachte Euphorie wurde allerdings früh auf die Probe gestellt. Als Tretschok in Asien erstmals wieder seine Laufschuhe schnürte, war von seiner früheren Topform nicht mehr viel übrig: „Nach fünf Kilometern kämpfte ich mit Knieschmerzen und Atemnot, drei Tage später hatte ich noch immer Muskelkater.“
René Tretschok wechselt von der Lang- auf die Mitteldistanz
Zurück in Deutschland setzte er einen Plan um, den er bereits während seines starken Jahres 2023 gefasst hatte: den gezielten Wechsel von der Lang- auf die Mitteldistanz. „Ich habe mich bewusst gegen Langdistanz- und Ironman-Rennen entschieden. Zum einen, weil ich ohnehin nicht zur WM fahren wollte, zum anderen wegen des enormen finanziellen Aufwands“, erklärt der gebürtige Landsberger, der nach seinem Master-Studium in Regensburg mittlerweile wieder in Germaringen wohnt.
Nach Monaten des intensiven Trainings kehrte Tretschok 2025 ins Wettkampfgeschehen zurück. Im Rahmen der Challenge-Serie startete er über die Mitteldistanz in Cesenatico, St. Pölten und am Walchsee. Zudem erfüllte er sich den Wunsch, den Allgäu-Triathlon zu absolvieren. „Vor allem die Rennen in Österreich und im Allgäu waren Schlüsselmomente. Zusammen mit Freunden auf der Strecke habe ich gemerkt, dass ich wieder fit bin – und wieder Spaß daran habe, fit zu sein. Ich konnte es einfach genießen, ganz ohne Zwang“, sagt Tretschok.
Und doch fehlte in der Saisonplanung noch ein Höhepunkt. Mangels Alternativen auf der Mitteldistanz meldete sich Tretschok für die Langdistanz der Challenge Almere-Amsterdam an – dem ältesten Triathlon-Rennen Europas. „Zwei Wochen nach meiner Anmeldung wurde offiziell, dass das Event als Europameisterschaft ausgetragen wird – genau darauf hatte ich spekuliert.“

Ebenfalls spekuliert hatte Tretschok auf die wechselhaften Bedingungen, die dem hitzeempfindlichen Athleten in die Karten spielten. „Teilweise war es so stürmisch, dass man die Strecke vor Rennbeginn nicht mehr betreten durfte“, erzählt Tretschok. Ablenkung fand er dennoch: Parallel fand die Ironman-WM in Nizza statt. „So konnte ich die Übertragungen schauen, Podcasts hören und musste mich nicht wegen meinem Rennen verrückt machen.“
Platz drei bei der Triathlon-EM als Belohnung für den Athleten des RSC Kempten
Am Wettkampftag selbst aber war volle Konzentration gefordert. Nach rund einer Stunde hatte Tretschok die Schwimmdistanz absolviert, anschließend folgten fünf harte Stunden auf dem Rad. Danach sollte das Rennen für das Ausdauer-Ass so richtig beginnen: „Eigentlich wollte ich den Marathon vorsichtig anlaufen – aber das ging nicht. Ich habe gemerkt, wie gut es läuft, und bin ins Risiko gegangen.“ Nach zehn Kilometern hatte er den Rückstand auf den Drittplatzierten seiner Altersklasse halbiert, nach 20 Kilometern lag er bereits eine Minute vorn. „Mit der Zeit wurde mir klar, dass ich die magische Drei-Stunden-Marke im Marathon unterbieten kann – das war meine Motivation für die letzten Kilometer.“
Mit einer Zeit von 2:58 Stunden überquerte Tretschok schließlich als Gesamtdritter seiner Altersklasse die Ziellinie in Almere. Seine Reise von Knieschmerzen und Atemnot in Asien bis hin zum EM-Podium war damit vollendet: „Ich habe meiner Mutter schon im Voraus angekündigt, dass sie im Wohnzimmer Platz für den Pokal des EM-Dritten freihalten soll. Dieses Podium tatsächlich zu erreichen, war ein sehr emotionaler Moment.“
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