Sex and Crime sind auch im Zeitalter des digitalen Überangebots eine sichere Bank, wenn es gilt, zwischen Print, TV und Online multitaskende Konsumenten zu gewinnen. Um Sex geht es zwar nicht, aber an Crime soll es nicht mangeln, auch wenn sich der Artikel um eine sehr schön anzuschauende Pflanze dreht: Der „Blaue Eisenhut“ (Aconitum lapellus) sieht nicht nur gut aus. Er ist eine der giftigsten Pflanzen Europas und hat eine Jahrtausende alte Geschichte als zuverlässiges, tödliches Gift, weiß Dr. Georg Friebe von der Inatura Erlebnis Naturschau in Dornbirn (Vorarlberg).
Werfen wir zunächst einen Blick aufs Aussehen des Hahnenfußgewächses, das in den Allgäuer Alpen etwa am Gipfel des Elferkopfes bis auf 2380 Höhenmetern zu finden ist: Zahlreiche traubenförmig angeordneten Blüten, tiefblau mit dem stark vergrößerten fünften Blütenblatt als „Hut“, die Stängel bis zu 1,5 Meter hoch – einfach prachtvoll! Und „einfach prachtvoll“ wird auch jeder Giftmischer zufrieden geseufzt haben, wenn er aufs Resultat seiner Bemühungen schaute: Jedes Teil der Pflanze, von der Wurzel bis zur Blüte, enthält Aconitin. Dr. Friebe: „Das Gift garantiert richtig dosiert einen qualvollen Tod mit heftigen Schmerzen, die das Opfer bei vollem Bewusstsein ertragen muss.“
Als letzte seiner zwölf Aufgaben sollte Herakles den Kerberos (Zerberus) aus der Unterwelt entführen. Der damit nicht einverstandene Höllenhund wehrte sich heftig, geiferte aus seinen drei Mäulern und jeder Speicheltropfen wurde zu Blauem Eisenhut. So erzählt es Ovid. Da der monströse Vierbeiner auf dem Berg Akonitos in Kleinasien ans Tageslicht geschleift worden sein soll, haben wir auch gleich die Erklärung für den Namen des Giftes.
Straftäter, Ehepartner, Politiker
Schon im 4. Jahrhundert vor Christus beschreibt Theophrastos von Eresos, Naturforscher und Schüler des Aristoteles, die Giftwirkung des Eisenhuts. Auch die alten Römer bedienten sich der Pflanze, wenn es galt, Straftäter, lästige Ehepartner oder unbequeme Politiker zu beseitigen. Prominentes Opfer ist Kaiser Claudius. Im Jahr 54 wurde ihm auf einem Bankett ein mit Aconitin versetzes Mahl gereicht – auf Betreiben seiner vierten Frau (und Nichte) Agrippina und mit Claudius’ Leibarzt Xenophon als Komplizen. Ihr Motiv: Sie wollte ihren Sohn aus erster Ehe auf den Thron bringen: Nero, dessen Faible für (Gift-)Morde hinlänglich bekannt ist.
Diese Symptome zeigen sich bei einer Vergiftung
Lateinschüler werden sich an dieser Stelle vielleicht an Seneca erinnern, der in seiner boshaften Satire „Apocolocyntosis“ („Verkürbissung“) den toten Claudius lächerlich gemacht hatte, wohl um sich bei Nachfolger Nero einzuschleimen: „Vae me, puto, concacavi me! – „Oh weh, ich glaube, ich habe mich eingeschissen!“ legte Seneca dem Claudius in den Mund. Und das durchaus #ausGründen, wie man heute sagt, denn heftiger Durchfall ist ein typisches Symptom einer Eisenhut-Vergiftung. Daneben, sagt Dr. Friebe, treten – je nach Dosis – Taubheit des Mundes und der Zunge, damit verbundene Sprachstörungen, heftiges Kältegefühl, Kribbeln an Händen und Füßen, Übelkeit und Erbrechen auf: „Bei tödlichen Vergiftungen (dafür reichen bereits zwei Gramm aus der Wurzel) kommt es beim Opfer zu Herzrhythmusstörungen, Krämpfen und Lähmungen. Der Tod tritt innerhalb einer Stunde durch eine Lähmung der oberen Atemmuskulatur ein.“
Aber wie so oft ist auch beim Aconitin nicht alles schlecht: die traditionelle chinesische Medizin verwendet Eisenhut bis heute, um Ödeme, Erkältung, Rheuma oder Nervenschmerzen zu behandeln. Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen die Patienten hoffentlich vorher ihren Arzt oder Apotheker...
