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Veranstaltungsorganisation im Ehrenamt: Eigenverantwortung oder Sicherheitsvorgaben?

Wie steht es um die Eigenverantwortung?

„Sobald was passiert, wird der Schuldige gesucht“

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    Das Kaufbeurer Tänzelfest wird im Rondell am Tanzplatz eröffnet. Nun muss die Stadt sich mit Sicherheitsvorgaben und der Besucheranzahl beschäftigen.
    Das Kaufbeurer Tänzelfest wird im Rondell am Tanzplatz eröffnet. Nun muss die Stadt sich mit Sicherheitsvorgaben und der Besucheranzahl beschäftigen. Foto: Mathias Wild (Archiv)

    Tänzelfest, Faschingsumzüge, Bezirksmusikfest: Besucherinnen und Besucher bekommen häufig nicht mit, wie viel Aufwand für die Organisatoren hinter solchen Veranstaltungen steckt. In den vergangenen Jahren wurden die Rufe zum Beispiel von Vereinsvorständen immer lauter, dass die vielen Auflagen und Vorgaben nicht mehr umzusetzen seien - schon gar nicht, wenn es Ehrenamtliche sind, die ihre Freizeit opfern. Und so hat die Forderung nach Gesetzen und Verordnungen auch mit der Angst zu tun, im Zweifelsfall zur Verantwortung gezogen zu werden. Über die Frage, ob die Gesellschaft wieder mehr Eigenverantwortung benötigt, haben wir mit Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) und dem Unterallgäuer Landrat Alex Eder (Freie Wähler) gesprochen.

    Veranstalter haben mit vielen Hürden zu kämpfen

    Im Unterallgäu standen Faschingsumzüge von kleineren Gemeinden Anfang dieses Jahres auf der Kippe, berichtet Landrat Alex Eder. Der Grund waren hohe Sicherheitsvorschriften.
    Im Unterallgäu standen Faschingsumzüge von kleineren Gemeinden Anfang dieses Jahres auf der Kippe, berichtet Landrat Alex Eder. Der Grund waren hohe Sicherheitsvorschriften. Foto: Olaf Schulze(Archiv)

    Bosse blickt mit großer Sorge auf das Thema: „Das ist eine Entwicklung, die seit einigen Jahrzehnten läuft. Es ist der Versuch, Veranstaltungen zu optimieren. Alle Risiken sollen identifiziert werden, damit man gerüstet ist“, sagt er. Die Summe dieser Vorgaben treffe dann aber auf das ehrenamtliche Engagement: „Niemand findet den Mut, diese Dinge zurückzudrehen. Denn derjenige würde Zugeständnisse an das Risiko machen.“

    Die Debatte nahm in Deutschland nach dem Unglück bei der Loveparade in Duisburg vor 15 Jahren Fahrt auf. Hunderte wurden bei der Technoveranstaltung verletzt, 21 Menschen starben. Auf dem Gelände kam es zu einem Rückstau, das Gedränge wurde immer stärker, eine Massenpanik brach aus.

    Allgäuer Amtsträger haben auch Verständnis für die Vorgaben

    Bosse hat deshalb auch Verständnis für Vorgaben und nennt ein aktuelles Beispiel aus Kaufbeuren: Beim Tänzelfest gibt es seit Jahrzehnten eine Eröffnung in einem Tanzrondell, das eine Art kleines Amphitheater ist. Etwa 1200 Besucherinnen und Besucher kommen. „Nun heißt es aus dem Sicherheitsbereich, wenn wir über 1000 Personen haben, gelten andere Sicherheitsvorkehrungen, also etwa andere Rettungswege. Wir müssten also eine Grenze von 1000 Besuchern einhalten“, sagt Bosse und ergänzt: „Wenn ich sage, das ist uns egal, dann muss ich dafür unterschreiben. Wir leben aber in unsicheren Zeiten.“

    Musikfeste werden von Ehrenamtlichen organisiert, die unzählige Stunden in die Vorbereitungen stecken.
    Musikfeste werden von Ehrenamtlichen organisiert, die unzählige Stunden in die Vorbereitungen stecken. Foto: Peter Mittermeier (Archiv)

    Bosse hat dabei noch nicht mal heftige Terroranschläge im Kopf. Wenn 1200 Besucher auf den Stufen sitzen und jemand einen kleinen Silvesterknaller zündet, dann könnte eine Massenpanik entstehen, bei der Kinder und Senioren zertrampelt werden. „Das kann man nicht verantworten“, betont Bosse. Gleichzeitig ist ihm klar, welche Hürde das für den organisierenden Verein bedeutet. „Das ginge nur über eine Eigenverantwortung“, sagt Bosse und ergänzt mit Blick auf die Gesellschaft: „Jeder will jede Freiheit, will jede Veranstaltung und beschwert sich, wenn Auflagen kommen. Dieselben kommen dann aber auch und wollen wissen, wer verantwortlich ist, wenn etwas passiert.“

    Der Unterallgäuer Landrat Alex Eder drückt es so aus: „Wenn es um das Abstrakte geht, ruft man nach mehr Eigenverantwortung und weniger Staat. Sobald es um das Konkrete geht, sieht es aber anders aus.“ Eder sieht das Landratsamt nicht als Verhinderer: „Wir sind Unterstützer.“ Die Gesellschaft habe es teilweise verlernt, eigenverantwortlich zu handeln. „Mut zur Lücke heißt, dass auch eine Lücke eintritt. Aber sobald etwas passiert, wird der Schuldige gesucht - gerichtlich und medial.“

    Ich habe selbst oft kein Verständnis für die hohen Auflagen, aber es gibt Grenzen.

    Alex Eder (Freie Wähler), Landrat Unterallgäu

    Deshalb könne er es verstehen, wenn Mitarbeiter in den Behörden noch eine Auflage hinzufügen. Es sei ein schmaler Grat. „Ich habe selbst oft kein Verständnis für hohe Auflagen, aber es gibt Grenzen“, sagt Eder. Zum Beispiel müsse sich bei einem Freizeitpark jeder darauf verlassen können, dass die Fahrattraktionen sicher sind. Hohe Anforderungen brauche es auch beim Brandschutz.

    Mischt das Landratsamt mit, trage Eder die Verantwortung

    Bei Veranstaltungen, bei denen das Landratsamt als Behörde mitmischt, trage er am Ende die Verantwortung. Eder nennt ein Beispiel: Im Februar seien Faschingsumzüge in kleineren Orten zum Teil auf der Kippe gestanden. Denn damals fuhr ein Mann in München in eine Gruppe von Demonstranten. In der Folge habe es kurzfristig Stellungnahmen von den Sicherheitsbehörden mit Vorgaben zu einem optimalen Schutz gegeben. „Wenn wir alle ängstlicher gewesen wären, dann wären die Faschingsumzüge gestorben“, sagt Eder.

    Es ging zum Beispiel um genaue Vorgaben, wie Straßen mit Beton-Pollern abgesperrt werden müssten. Einige konnten diese Vorgaben aber nicht erfüllen. Man habe dann nach Kompromissen gesucht und zum Beispiel Zufahrten mit Fahrzeugen abgesperrt, sagt Eder und warnt: „Wir müssen aufpassen, dass die Daumenschrauben für Ehrenamtliche nicht immer mehr angezogen werden.“

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