Wer sich in diesen Wochen die Bregenzer Seeoper „Rigoletto“ anschaut, dürfte nicht nur wegen des Spektakels auf der Bühne staunen. Auch der Klang auf der riesigen Tribüne, immerhin 90 Meter breit und 46 Meter tief, ist so gut wie überall exzellent. Obwohl Musik und Gesang aus Lautsprechern kommen, hört sich alles klar, transparent und natürlich an; außerdem sind die Sängern verblüffenderweise ziemlich genau zu orten – durch das sogenannte Richtungshören. Selbst wenn Gilda im Ballonkorb in 14 Metern Höhe ihre Liebesarie singt, kommt ihre Stimme exakt von dort oben.
Das alles ist nicht selbstverständlich. Eine Open-Air-Situation steht dem Klangideal nun mal entgegen. Unter freiem Himmel fehlen die Wände und die Decke eines Opern-Saals, was die Sänger, den Chor und das Orchester akustisch zusammenhält. Seit die Festspiele die Seeoper anbieten, müssen die sie einen Raum schaffen, wo es keinen Raum gibt. Diese Aufgabe hat die Tonanlage zu leisten.
Die Bregenzer haben es geschafft, dass man sich als Zuschauer fast wie in einem Opernhaus fühlt. Oder besser gesagt: wie in einem Kinosaal. Denn der Klang kommt aus Lautsprechern. Das war in früheren Jahrzehnten ein Manko, weil es noch keine Kopfmikros gab, die nah am Mund platziert sind, und weil die Lautsprechertechnik – gemessen an heutigen Standards – noch in der Steinzeit steckte. Auf der Bühne im Bodensee standen Sänger, deren (großartige) Stimmen auf der Tribüne, wo 7000 Menschen lauschen, nicht in ihrer originalen Qualität zu hören waren.
Doch genau diesen Anspruch haben die Festspiel-Verantwortlichen. Möglichst authentisch und natürlich sollen Musik und Gesang rüberkommen, so formulierte es neulich wieder einmal Intendantin Elisabeth Sobotka. Stimmen und Instrumente müssen so klingen, als ob kein Mikrofon und kein Lautsprecher dazwischengeschaltet sind.
Deshalb wurde schon im Jahr 2005 ein Klangsystem installiert, das den schönen Namen BOA erhielt – Bregenz Open Acoustics. Hunderte von Lautsprechern umgaben die Zuschauer, manche waren sichtbar, viele jedoch unsichtbar, weil gut versteckt und kaschiert in die Bühne eingebaut.
Zudem umfasste ein Lautsprecherband die Tribüne. Unterstützt von Computertechnik suggerierte es den Besuchern, dass sie in einem Saal säßen. Ein Quantensprung im Vergleich zum früheren Sound. Von da ab fühlte man sich tatsächlich wie in einem Kinosaal.
Jetzt haben die Festspiele nachgelegt und ihr Tonsystem weiterentwickelt. Seit 2005 fande erneut Quantensprünge, vor allem in der Digitaltechnik, aber auch in der Tontechnik statt, erklärt Wolfgang Urstadt, der technische Leiter der Festspiele. „Es ergeben sich neue Möglichkeiten, was das Richtungshören und die akustische Raumsimulation betrifft.“ 2,5 Millionen Euro investierten die Festspiele in BOA 2.0 und platzierten 29 neu positionierte Lautsprecher-Masten in drei unterschiedlichen Höhen rund um die Tribüne. Sie ersetzen das bisherige Lautsprecherband.
Das Herzstück freilich bildet ein neues Ton-Mischpult mit innovativer Computertechnologie und hoher Rechnerleistung. Laut Wolfgang Urstadt werden damit Richtungshören und akustische Raumsimulation noch besser zu einer klanglichen Einheit verwoben. Was die Rigoletto-Besucher auf der Seebühne tatsächlich so erleben können ...