Mehr Menschen sollen mit Bus und Bahn fahren. Und häufiger auf das eigene Auto verzichten: Da würde in Zeiten des Klimawandels und der Fridays-for-Future-Bewegung kaum jemand widersprechen.
Doch die Preise für Bahntickets bieten wenig Anreiz zum Umsteigen, kritisiert Dr. Benjamin Gilde. Er pendelt mehrmals die Woche zwischen seinem Wohnort Röthenbach (Kreis Lindau) und Kempten zur Arbeit, kann aber auch mal daheim arbeiten. Deshalb lohnt sich für ihn kein Abo. Gilde hat die Preise in den vergangenen Jahren verglichen und Erstaunliches festgestellt: Innerhalb von vier Jahren ist das Ticket für die Strecke Röthenbach-Kempten (einfache Fahrt/Zweite Klasse/Normalpreis) um sage und schreibe 25,5 Prozent gestiegen – von 10,20 Euro in jährlichen Schritten auf inzwischen 12,80 Euro. Die jüngste Erhöhung lag nach Angaben Gildes bei über vier Prozent – das war erst vor wenigen Wochen.
Dabei hatte das Bundesverkehrsministerium noch im Herbst versprochen, dass das Bahnfahren billiger werde. Und kurz vor Weihnachten sagte Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz: „Millionen Kunden fahren ab 1. Januar zehn Prozent günstiger mit uns.“ Das stimmt zwar, trifft aber nur auf den Fernverkehr zu – also auf Strecken mit mehr als 50 Kilometern.
Denn die Bundesregierung hat im Fernverkehr die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Im Nahverkehr – also für Entfernungen bis 50 Kilometer – galt bisher schon der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. So wurden denn auch im Nahverkehr die Fahrpreise zuletzt Mitte Dezember vergangenen Jahres erhöht – um durchschnittlich 1,7 Prozent. Gestiegen ist auch der Preis für das beliebte Bayernticket. Je ein Euro mehr werden jetzt für den Grund- und für den Mitfahrpreis berechnet.
Tarifänderungen im Regionalverkehr außerhalb von bestehenden Verkehrsverbünden werden von der TBNE beschlossen – das ist eine Arbeitsgemeinschaft, in der neben der Bahntochter DB Regio auch andere Verkehrsträger wie der ALEX, die Bayerische Regionalbahn, Meridian oder die Bayerische Oberlandbahn vertreten sind. Dort werden auch die Preise für Länderangebote wie das Bayernticket festgelegt.
Von den Entscheidungen dieser Arbeitsgemeinschaft seien aber bundesweit nur 20 Prozent der Zugreisenden im Nahverkehr betroffen, heißt es von der Deutschen Bahn. Denn die meisten Fahrgäste im Nahverkehr sind im Bereich von Verkehrsverbünden unterwegs. Kleine Teile des Allgäuer Netzes gehören zum Donau-Iller-Nahverkehrsverbund (DING) und zum Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbund (BODO).
Die Frage nach dem Grund für die drastische Preiserhöhung auf der Strecke Röthenbach–Kempten beantwortet die Deutsche Bahn nicht. „Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir zu Fahrpreis-Änderungen auf einzelnen Fahrstrecken keine Stellung nehmen können“, sagt ein Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion.
Bahn-Pendler Gilde kann mit dieser Antwort nicht viel anfangen. Er wird nach eigenen Angaben dennoch weiter mit dem Zug fahren – „aus Überzeugung“. Die Preispolitik sollte aber öffentlich und transparent gemacht werden. Gerade in Zeiten, in denen über den Klimawandel, eine Verkehrswende und im Oberallgäu über ein 100-Euro-Jahresticket diskutiert wird.
Während die Preise zum Jahresbeginn für Bahntickets im Fernverkehr tatsächlich um etwa zehn Prozent gesunken sind, gibt es für Fahrradfahrer bereits eine neue Erhöhung: Der Preis für die Mitnahme eines Fahrrads ist um einen Euro gestiegen – von 5,50 auf 6,50 Euro. Das sind 18,2 Prozent.