Wrackteile und die Überreste von Sitzen lassen erahnen, was hier passiert sein muss: Ein Regionalzug ist am Sonntagabend kurz nach 18 Uhr im Südosten Baden-Württembergs entgleist. Die Waggons sind teils ineinander gerutscht, liegen in der Böschung. „Man sieht auch in der Botanik drumherum, dass da sehr große Kräfte am Werk waren“, sagt Kreisbrandmeisterin Charlotte Ziller. Die Ermittler gingen davon aus, dass der Regionalexpress mit ungefähr Tempo 80 unterwegs war.
Wie es zu der Katastrophe kommen konnte, steht am Tag danach im Fokus der Ermittler. Die Erforschung des Unfallhergangs habe erste Priorität, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Vor Ort waren Fachleute der Kriminaltechnik und Experten für Bahnunfallermittler. Wie lange die Ermittlungen vor Ort noch dauern, sei nicht absehbar, so der Sprecher.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung teilten Staatsanwaltschaft und Landespolizei sowie Bundespolizei teilte man am Montagmorgen mit, dass die Ermittlungen zum Unfallhergang noch nicht abgeschlossen seien. Mutmaßlich sei durch den Starkregen am Sonntag ein Abwasserschacht übergelaufen. Das Wasser habe daraufhin einen Erdrutsch im Böschungsbereich zu den Gleisen hin ausgelöst, was wiederum wohl die Entgleisung verursachte. Derzeit gebe es keine Hinweise auf Fremdeinwirkung.
Zug entgleist im Kreis Biberach: Drei Menschen tot, darunter der Zugführer
Drei Menschen kamen bei dem Unfall Nahe Riedlingen im Landkreis Biberach ums Leben. Das bestätigte das Polizeipräsidium Ulm in einer Pressemitteilung bereits am Abend. Darunter sind laut der Kreisbrandmeisterin des Landkreises Biberach der Lokführer und ein weiterer Mitarbeiter der Deutschen Bahn.
Insgesamt wurden nach Informationen vom Montagmorgen mindestens 41 Menschen verletzt, die meisten davon leicht. Allerdings gibt es auch zwei lebensgefährlich Verletzte. In dem betroffenen Zug der Linie RE 55 saßen laut einem Sprecher der Bundespolizei rund 100 Menschen. Die Rettungskräfte lieferten die Verletzten in umliegende Kliniken ein. Die Strecke blieb die ganze Nacht über gesperrt, am Montag sollen die Aufräumarbeiten beginnen.

Das Unglück ereignete sich nach Angaben der Polizei auf der Strecke zwischen Riedlingen und Munderkingen (Alb-Donau-Kreis), in einem Waldstück nahe dem Riedlinger Ortsteil Zell.

Regionalexpress kracht gegen Bäume, Front des Zuges wurde abgerissen
Der vordere Teil des Zuges wurde links der Gleise eine Böschung hinaufgeschoben und krachte gegen mehrere massive Bäume. Dadurch wurde die Front des Zuges abgerissen.

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes zogen in den frühen Abendstunden unwetterartige Gewitter über die Region. Lokal seien in kurzer Zeit 30 bis 40 Liter pro Quadratmeter gefallen, sagte Meteorologe Dominik Smieskol in München. Allerdings habe der DWD am genauen Unglücksort keine Messstation, um für dort konkrete Angaben machen zu können.
Zugunglück bei Riedlingen: Ursache ist laut Polizei noch Teil der Ermittlungen
Die Bundespolizei und das Polizeipräsidium Ulm riefen noch am Sonntagabend einen Führungsstab ein. „Bis auf Weiteres“ bleibt die Zugstrecke sowie eine Straße nahe der Unglücksstelle für den Verkehr gesperrt. Auf der Internetseite der Bahn informierte der Konzern, dass der Bahnverkehr zwischen Munderkingen und Herbertingen eingestellt sei. Bisher ist unklar, wann der betroffene Abschnitt wieder befahren werden kann.

Für Angehörige gibt es eine Sammelstelle im Bürgerzentrum Daugendorf (Haldenrain 3, 88499 Riedlingen) sowie ein Hinweistelefon, zu erreichen ist es unter der Telefonnummer 0731/188-1122. Nähere Angaben zu den Toten und Verletzten, wie Alter und/oder Geschlecht, sind bislang nicht bekannt.
Zug bei Riedlingen-Zell entgleist: Sechs Hubschrauber im Einsatz
Sechs Hubschrauber waren im Einsatz. Die Zahl der Kräfte soll dreistellig sein und wird auf etwa rund 300 Personen geschätzt. Verletzte sollen unter anderem in der Gemeindehalle des Ortes Zell versorgt werden. Mit einer Wärmebildkamera wurde geschaut, ob sich noch Personen unter dem Zug befinden. Auch eine Rohrreinigungsfirma rückte an, um mit einer Endoskopkamera in Bereichen nachzuschauen, die schwer zugänglich sind.
Nach Zugunglück: Innenminister Strobl an der Unfallstelle, Kanzler Merz äußert sich
Die Nachricht über das Unglück erreichte auch den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl. Der CDU-Politiker kam noch am Abend zur Unfallstelle, um sich einen Eindruck von den Rettungsarbeiten machen. Er sei „tief betroffen“, sagt er. Einen Anschlag als Ursache könne er ausschließen. Der Zug sei in dem Bereich in der Regel mit etwa 80 Stundenkilometern unterwegs.
„Es hat hier starke Regenfälle gegeben, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch der Starkregen und ein damit verbundener Erdrutsch-Unfall ursächlich gewesen ist“, so Strobl (CDU) am Unfallort. Das sei nun Gegenstand der laufenden Untersuchungen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) schrieb auf dem Portal X: „Wir trauern um die Opfer. Ihren Angehörigen spreche ich mein Mitgefühl aus.“ Mit dem Innenminister und dem Verkehrsminister stehe er im engen Kontakt und habe sie gebeten, die Rettungskräfte mit allen Mitteln zu unterstützen.
Bahnchef Richard Lutz ringt um Worte
Bahnchef Richard Lutz hat den Angehörigen der Toten und Verletzten nach dem Zugunglück sein Mitgefühl und seine Anteilnahme ausgesprochen. Während des kurzen Statements am Unglücksort rang der Konzern-Vorstandsvorsitzende sichtlich um Fassung.
„Die Bilder und Berichte, die wir alle gestern gesehen haben und vor allem die Eindrücke, die wir alle zusammen heute Morgen hier gesammelt haben, gehen einem sehr nah und lassen einen betroffen und bestürzt zurück“, sagte er. Bei dem Unglück sind auch zwei Mitarbeiter des Unternehmens ums Leben gekommen.
„Wir werden die Arbeiten, die noch anstehen, insbesondere was die Klärung von Unfallhergang und Unfallursache angeht, von unserer Seite aus, von der Bahnseite aus mit allen Kräften unterstützen“, betonte Lutz.
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) und Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kündigten an, dass sie zur Unfallstelle kommen.
Kretschmann: „Mein tief empfundenes Beileid gilt den Angehörigen der Opfer“
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von einer tragischen Nachricht. Er sei erschüttert. „Mein tief empfundenes Beileid gilt den Angehörigen der Opfer.“ Auch er wollte zur Unfallstelle kommen.
Das Bahn-Tochterunternehmen DB Regio BW betreibt das Regionalzugnetz Donau-Ostalb. Hierzu gehört auch die Linie RE 55, die stündlich bis alle zwei Stunden fährt (mit dpa).
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