Rot, das ist bei der Bahn die Farbe der Regionalzüge. Rot, das ist jetzt aber auch die Farbe für Regionalzüge, die gar nicht fahren können – weil die Strecken gesperrt werden. Das Staatsunternehmen Deutsche Bahn hat seine Baupläne für die Jahre 2028 und 2029 vor einem Monat der Eisenbahnbranche präsentiert; bei einem internen Treffen. Auf Karten mit dem Schienennetz der Bahn sind darin zahlreiche Strecken rot markiert. Und rot steht für: „Totalsperrung.“ Davon betroffen sind auch Strecken in Schwaben. Zum Beispiel von Augsburg über Memmingen nach Lindau im Sommer 2028. Oder von Donauwörth nach Augsburg beziehungsweise Günzburg im Herbst 2028. Und auch von Buchloe über Kempten nach Hergatz im Frühjahr und Sommer 2029 (siehe Übersicht). Die Baupläne liegen unserer Redaktion vor.
„Wir müssen durch das Tal der Tränen.“
Fabian Amini, Chef des Bahnunternehmens Arverio
Mit den geplanten Streckensperrungen zieht die Deutschen Bahn gewissermaßen die Notbremse. Anders lässt sich das jahrzehntelang heruntergewirtschaftete und vielerorts marode Schienennetz nicht mehr reparieren und sanieren. Auf die Gleise und Weichen und anderes mehr sei „leider kein Verlass mehr“, klagt Fabian Amini, der Chef des Bahnunternehmens Arverio, das auch in Schwaben fährt. Der Bund und die Bahn hätten die Sanierung und den Ausbau des Netzes verschleppt. Jetzt seien „harte Einschnitte“ auch zu Lasten der Fahrgäste unausweichlich, sagt Amini. „Wir müssen durch das Tal der Tränen.“
Trassen sollen nicht mehr bei laufendem Betrieb repariert werden
Arverio, ein Tochterunternehmen der Österreichischen Bundesbahnen, betreibt den Regionalverkehr auf mehreren Linien auch in oder durch Schwaben. Von den Sperrplänen der Deutschen Bahn (DB) sind Arverio und deren Fahrgäste massiv betroffen. Die Schienennetzgesellschaft der Bahn, die DB Infrago, will ihr neues Sanierungskonzept bei insgesamt 41 Hauptstrecken in Deutschland nunmehr in großem Stil auf die Regionalnetze übertragen. Die Trassen sollen nicht mehr bei laufendem Zugbetrieb repariert und modernisiert werden, was umständlich und schwierig ist und Jahre dauert. Keine Flickschusterei mehr, sondern Sanierung am Stück. Das geht eben nur, wenn wochen- oder monatelang kein Zug mehr fährt.

Um das Schienennetz in Ordnung zu bringen, braucht es ein „weiter steigendes Bauvolumen“, schreibt die DB Infrago in ihren Plänen für 2028 und 2029. Gleichzeitig versucht die Schienennetztochter der Bahn zu beschwichtigen. Eine „lange Totalsperrung über den gesamten Streckenabschnitt“ sei nicht bei allen großen Baustellen in den kommenden Jahren vorgesehen, teilt die Infrago auf Anfrage mit. Wegen des frühen Planungsstandes sei unter der Rubrik „Totalsperrung“ immer die gesamte Strecke genannt. Was man da aufgelistet habe, sei aber „nicht in Stein gemeißelt“. Man werde die Pläne nach und nach verfeinern; dann folge ein überarbeitetes Bauprogramm. Es gebe noch Spielraum für Kompromisse. Totalsperre bedeute nicht automatisch, dass auf diesen Strecken gar kein Nahverkehr mehr möglich sei. Zum Beispiel könne man von links und rechts bis zur Baustelle fahren, erklärt die Infrago.

Arverio-Geschäftsführer Amini unterstützt prinzipiell den „dringend erforderlichen Sanierungskurs, der uns sicherlich die nächsten zehn Jahre belasten wird“. Amini und die Chefs anderer Bahnunternehmen, die auf den Netzen der DB fahren, sind allerdings skeptisch, ob der neue Ansatz funktioniert. Bislang gehe vieles schief bei den Bauarbeiten. Mal seien Baufirmen nicht greifbar, mal fehlten Bauteile, mal werde gar nicht alles während einer Streckensperrung erledigt. Also müsse später weiter gebaut werden, was die Fahrpläne durcheinanderbringt. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die DB Infrago informiert die Regionalzugbetreiber oftmals so spät über anstehende Baumaßnahmen, dass es schwierig wird, den Zugbetrieb oder den Einsatz von Bussen vernünftig zu organisieren.
Über allem schwebt die Frage: Gibt es überhaupt genug Geld?
Über alledem schwebt die Frage, ob es von der Bundesregierung überhaupt genug Geld gibt, um das marode Schienennetz nach und nach zu sanieren. Die Ampel-Koalition hat den Etat für die Schiene kräftig aufgestockt. Die neue Koalition von Union und SPD will, über eine enorm hohe Staatsverschuldung, mehrere hundert Millionen Euro zusätzlich für die Schiene, die Straßen und anderes mehr ausgeben. Doch schon gibt es Hinweise, dass damit auch andere Löcher im Staatshaushalt gestopft werden, und Mittel auch für die Bahn fehlen. „Der Verkehrsetat muss deutlich aufgestockt werden“, fordert Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Wo das Problem herrührt, sagt Söder allerdings nicht so gerne. Bund und Bahnvorstand haben das Schienennetz jahrzehntelang vernachlässigt. Auch zu Zeiten, als die CSU die Verkehrsminister stellte.
Das Ergebnis wird jetzt immer sichtbarer. Wenn etwa seit Freitag keine Züge mehr von Nürnberg nach Bayreuth durchfahren können, weil bei mehreren Brücken erst untersucht werden muss, ob sie noch sicher sind. Die Liste der Baustellen bei der Bahn in Bayern ist lang und wird vermutlich noch länger.
Diese Strecken will die Bahn für Sanierungsarbeiten sperren
Augsburg – Buchloe – Memmingen – Lindau: 21. Juli bis 15. September 2028
Buchloe – Memmingen – Lindau: 15. September bis 10. November 2028
Donauwörth – Günzburg: 15. September bis 8. Dezember 2028
Donauwörth – Augsburg: 10. November bis 8. Dezember 2028
Donauwörth – Treuchtlingen: 10. November bis 8. Dezember 2028
Donauwörth – Ingolstadt: 2. März bis 25. Mai 2029
Buchloe – Kempten – Hergatz: 30. März bis 20. Juli 2029
Augsburg – Günzburg: 22. Juni bis 20. Juli 2029
Zum Autoren
Klaus Ott, 66, hat bis zu seiner Rente mehr als 40 Jahre vor allem im Bereich Investigative Recherche für die Süddeutsche Zeitung gearbeitet. Er hat über viele Skandale in Politik und Wirtschaft - wie zum Beispiel die „Flugblatt-Affäre“ um Hubert Aiwanger oder die „Amigo“-Affäre der CSU – berichtet und sie mit aufgedeckt. Für seine Tätigkeit ist er vielfach mit wichtigen Journalistenpreisen ausgezeichnet worden. Nun arbeitet Ott als freier Autor auch für unsere Redaktion.
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