Nirgendwo in Deutschland arbeiten in Kitas so wenig pädagogische Fachkräfte wie in Bayern. Die neuen Zahlen der Bertelsmann-Stiftung bestätigen diesen seit Jahren andauernden Trend. Demnach beträgt die Fachkraftquote im Freistaat lediglich 54,4 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit liegt der Schnitt bei 72 Prozent, in Ostdeutschland sind es 87 Prozent. Am meisten Fachkräfte sind in Thüringens Kitas beschäftigt, nämlich 94 Prozent.
In der Erhebung gilt als hohe Fachkraftquote, wenn in einer Kita mindestens acht von zehn Fachpädagoginnen und -pädagogen arbeiten. Von den 9.500 bayerischen Kitas schafften nur 3,6 Prozent in Bayern diese Quote. Bei einem Drittel der Kitas ist hingegen nicht einmal die Hälfte des Personals eine Fachkraft. Die Hälfte der bayerischen Kitas beschäftigt zwischen 50 und 70 Prozent Fachpersonal.
Eine ähnliche Situation spiegelt sich auf der Kreisebene wider: Die zehn Landkreise mit den bundesweit niedrigstem Fachkräfte-Anteil liegen allesamt in Bayern. Schlusslicht bildet der Landkreis Augsburg. Der Anteil der Kitas mit hoher Fachkraftquote beträgt dort lediglich 2,3 Prozent.
Laut den Studienleiterinnen sei die Entwicklung zum großen Teil dem Kostendruck geschuldet, weil Mitarbeitende mit niedrigerer Qualifikation die Träger weniger kosteten. Hinzu komme der Personalmangel, dem durch die Ausweitung des Fachkraftbegriffs auf Menschen anderer Berufsfelder leichter begegnet werden könne, hieß es.
Weniger Profis in bayerischen Kitas: Kostendruck und fehlender Wille
Das schlechte Abschneiden von Bayern sei keineswegs neu, sagt Mario Schwandt. Er ist Gewerkschaftssekretär bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW) und dort für sozialpädagogische Berufe zuständig. Das BayKiBiG, das Bayerische Gesetz zu Betreuung von Kindern in Kitas, 2005 in Kraft getreten, verlange nur eine Fachkraftquote von 50 Prozent. Der Freistaat fördert die Kita über dieses Gesetz, deckt aber nicht alle Kosten. Da müssen Kommunen einspringen: Sind diese laut Schwandt finanzschwach, könnte eben weniger Fachpersonal bezahlt werden. „Die Finanzkraft der Kommunen spielt da eine entscheidende Rolle“, sagt Schwandt.
Schwandt erklärt sich die niedrige Quote in Bayern allgemein mit dem fehlenden Willen, Fachkräfte einzusetzen. „Wir haben zu lange mit einem günstigen Kitasystem gelebt. In früheren Zeiten des Personalüberschusses hätten wir mehr Qualität aufbauen sollen“, sagt er. Als schließlich der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz gekommen sei, sei Bayern mit zu wenig Fachkräften dagestanden.
Die Autorinnen der Bertelsmann-Studie warnen, dass das Berufsfeld mit Menschen mit geringer pädagogischer und fachfremder Ausbildung unprofessioneller werde. „Die Gefahr liegt in einer schleichenden Normalisierung von geringeren professionellen Standards – mit weitreichenden Konsequenzen für die Kinder, das Berufsfeld, die pädagogische Qualität und die gesellschaftliche Anerkennung frühkindlicher Bildung“, schreiben sie. Es gebe erste Hinweise, dass die Entwicklung bereits konkrete Auswirkungen auf die Qualität der pädagogischen Arbeit und damit auch auf die kindliche Entwicklung habe. Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) kritisierte nicht die Ergebnisse der Studie, sondern ihre Parameter: Die Definition, wer als Fachkraft gelte, sei in jedem Bundesland anders geregelt, sagte sie dem BR. „Es werden Äpfel mit Birnen verglichen.“
Wer gilt als pädagogische Fachkraft?
Da sich die Regelung, wer als pädagogische Fachkraft anerkannt wird, tatsächlich zwischen den Bundesländern unterscheidet, haben die Studienautorinnen sich auf die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik gestützt. Demnach gilt als pädagogische Fachkraft, wer mindestens einen einschlägigen Fachschulabschluss vorweisen kann. Kinderpflegerinnen und -pfleger, von denen es verhältnismäßig viele in Bayern gibt, zählen nicht als Fachkräfte.
GEW-Gewerkschaftssekretär Schwandt hält die Definition für Fachkraft bundesweit vergleichbar. „Es sind allen voran Erzieherinnen. Da gibt es regionale Unterschiede, aber insgesamt sind die Daten vergleichbar und Bayern ist auf jeden Fall Schlusslicht“, betont er. Auch das laufende Weiterbildungsprogramm des Freistaats, aus Ergänzungskräften und Quereinsteigern Fachkräfte in Kitas zu machen, würde zahlenmäßig wenig ausmachen. Und: „Auszubildende sind keine Fachkräfte.“
Schwandt hofft, dass mit der sinkenden Geburtenrate mehr Fachpersonal frei wird. „Wenn Kitas schließen, kann qualifiziertes Personal in den nächsten Jahren in anderen Kitas eingesetzt werden“, sagt er. Es wäre an der Zeit, die Fachkraftquote langfristig zu erhöhen, indem das BayKiBiG einen höheren Anteil an Fachkräften als die 50 Prozent zuverlässig finanzierte.
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